Petra Nietsch über „Das Wunder von Bahnsteig 5“

Petra Nietsch über „Das Wunder von Bahnsteig 5“

Clare Pooley: Das Wunder von Bahnsteig 5

Dieser Roman hat mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert. Ein Wohlfühl- und Gute-Laune-Buch, das viel Herzenswärme und Menschlichkeit verströmt, aber trotzdem Tiefgang hat und nicht kitschig ist. Eine Kombination, die man so nur selten findet.

Jeden Morgen fährt dieselbe Gruppe Menschen mit dem Zug nach London hinein und abends wieder zurück. Aber es gilt ein ungeschriebenes Gesetz: Pendler sprechen nicht miteinander, auch wenn man jedem einzelnen heimlich einen Spitznamen gegeben hat.

Doch eines Tages kommt es zu einem Zwischenfall, der alles verändert. Plötzlich fangen die Menschen miteinander zu reden und aus Fremden werden Freunde, die alle für einander einstehen. Denn jeder von ihnen hat ein Problem, bei dem er Hilfe oder Unterstützung benötigt.

Keines davon ist ungewöhnlich, sondern kommt in unserer Gesellschaft vermutlich tagtäglich vor. Dies ist vermutlich der Grund, warum ich beim Lesen immer das Gefühl hatte, nicht nur Zuschauerin, sondern mittendrin im Geschehen zu sein.

Clare Poole ist selber über Jahre mit dem Zug zur Arbeit gefahren und hat dabei viel gesehen und viel gehört. Einige dieser Erlebnisse sind in diesen Roman geflossen. Daraus erklärt sich, dass die Charaktere alles Menschen wie ich und du sind. Schade, dass ich sie nicht persönlich kennenlernen kann.

Clare Pooley: „Das Wunder von Bahnsteig 5“, Goldmann TB, 400 Seite, ISBN 9783442206377, Preis: 16,00 Euro.


Ehrenamts-Treffen in der „Aubergine“

Ehrenamts-Treffen in der „Aubergine“

Intensiv gelebter Team-Gedanke

Sie bildet die Basis für den Erfolg der BÜCHER-HEIMAT: Die engagierte ehrenamtliche Unterstützerschar. Und die Basis für deren erfolgreiches Wirken ist wiederum der intensiv gelebte Team-Gedanke. Folgerichtig steht bei den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine besondere Form des Teambuilding hoch im Kurs, im Vierteljahresrhythmus werden fröhliche Treffen in geselliger Runde veranstaltet.

Dazu können sich die Ehrenamtlichen quasi selbst einladen, denn etliche der Preisgelder, die die Idee der gemeinnützigen GmbH einheimste, fließen wie jetzt bei einem Abend in der „Aubergine“ am Golfplatz in diesen Bereich. Für eine gut gefüllte Projektkasse sorgten dabei viele Preise, unter anderem der „Niedersachsenpreis für Bürgerengagement“, der Sozialtransfer-Preis der Industrie- und Handelskammer Braunschweig und der Innovationspreis der Region Göttingen-Northeim.

Die Idee regelmäßiger Treffen im Kreis der Ehrenamtlichen wurde bei der Premiere im April im „Bella Roma“ geboren. Genutzt werden die Runden gern auch zum allgemeinen Erfahrungsaustausch und zum Austausch über Infos und Anekdoten aus dem Buchhandlungs-Alltag.

Festgeschrieben sind die „Restaurant-Treffen“, bei denen die allen gemeinsame Liebe zum Buch dann halt auch mal durch den Magen geht, aber keinesfalls. Auch zu einer Oker-Floßfahrt in Braunschweig waren die Ehrenamtlichen der BÜCHER-HEIMAT schon unterwegs. Und Vorschläge für gemeinsame Unternehmungen fallen in der Runde immer auf einen fruchtbaren Boden. Aktuell ist ein Workshop mit einer Buchkünstlerin im Gespräch, die bei der Zaunkönig-Wanderung von Osterwieck nach Vienenburg mit von der Partie war.

Wandern auf dem Weg des Zaunkönigs

Wandern auf dem Weg des Zaunkönigs
Eine froh gestimmte Gruppe macht sich in Osterwieck startklar. Fotos: Nowack, Weber

„Ein Tag, wie ein kleiner Urlaub“

„BÜCHER-HEIMAT on Tour“, das muss nicht immer auf den Spuren der großen deutschen Dichter und Denker vonstattengehen. Zwar lockte schon die Grimmwelt in Kassel, galt es Wilhelm Busch in Mechtshausen zu entdecken und wurde erst in diesem Sommer Lessings Wolfenbüttel ein Besuch abgestattet.

Literarische Zwischenstopps…

Auf großes Interesse stößt im Freundeskreis der Mitmach-Buchhandlung stets alles, was mit dem von der BÜCHER-HEIMAT in deutscher Sprache veröffentlichten Roman „Der Weg des Zaunkönigs“ des Kanadiers Philipp Schott zu tun hat. Schloss Colditz, wo die Flucht der Familie startete, stand schon auf der Reiseliste, aber wie so oft liegt das Gute auch in diesem Fall so nah: Auf den Spuren des Zaunkönigs erkundeten jetzt 16 wanderfreudige Fans den Weg, auf dem die Familie Schott in den Wirren zum Ende des Zweiten Weltkriegs durch die Nordharzregion gen Westen floh.

Start war am Vormittag mit einer Stärkung in der alten Druckerei in Osterwieck, in der Dirk Junicke eigens einen Raum zur Verfügung stellte. Zu Texten aus dem Zaunkönig wurden Butterbrote und Radieschen gereicht, ehe es auf Schusters Rappen 15 Kilometer auf den Spuren von Familie Schott und deren Fluchtroute durch die Felder über Wiedelah bis Vienenburg ging.

Nach anfänglichem Regen hatte der Wettergott später ein Einsehen, sodass der Großteil der Strecke in Sonnenschein zurückgelegt werden konnte. Zwischendurch gab es auf der Strecke immer wieder Lese-Pausen, in denen Petra Nietsch und Sonja Weber passende Stellen aus dem Zaunkönig vorlasen.

Derweil sorgte Heidi Hülle aus dem Ehrenamts-Team gemeinsam mit ihrem Mann für das Catering. Nach dem Start mit Butterbroten und Radieschen wurde am Ziel in Vienenburg eine Brotsuppe serviert, wie sie in der Art auch die Schotts nach der Flucht bekamen.

Die Zaunkönig-Route zum Nachwandern.

Der Dank der ganzen Wandergruppe galt Simone Lindemann und Claudia Dittrich, die die Bücherei im Vienenburger Bahnhof eigens für die BÜCHER-HEIMAT on Tour geöffnet hatten. Als Willkommensgruß steuerten die Vienenburgerinnen auch noch eine Geschichte passend zu den Fluchterlebnis bei, die den Zaunkönig-Roman prägen.

Das einhellige Urteil der 16 Teilnehmenden fasst ein Mitwanderer in einem Satz zusammen: „Es war ein Tag, wie ein kleiner Urlaub“. Und da man davon ja nie genug bekommen kann, werden sicher weitere Literaturwanderungen folgen.

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Sonja Weber über „Für Polina“

Sonja Weber über „Für Polina“

Takis Würger: Für Polina

Wenn ich meine Begeisterung über „Für Polina“ hier komplett ausbreiten sollte, würde es eine Extra-Website erfordern, ich fasse mich also kurz.

Es geht um hingebungsvolle Liebe einer Mutter zu ihrem Sohn, eines Mädchens zu einem Jungen, eines Jungen zur Musik und eines alten Mannes zu allen zusammen. Es geht darum, dieser Liebe und der persönlichen Leidenschaft zu folgen, ohne die jeweils anderen Beteiligten zu verlieren. Es geht darum rechtzeitig und wann immer es möglich ist denen, die man liebt, zu sagen, dass man sie liebt und es geht darum, zu tun was man leidenschaftlich möchte und gut kann. Denn jeder Mensch kann jederzeit weg sein, jede Möglichkeit das Glück zu ergreifen verschwinden und dann erkennt man zu spät, was verloren ist.

So geht es Hannes Prager in Takis Würgers Roman. Er liebt seine Mutter und Polina, seine Freundin aus Kindertagen und er liebt die Musik, aus der sein ganzes Sein besteht. Als sich auf einmal alles verändert, versteht Hannes nicht, wie geschehen konnte was geschah und wie schnell das Glück endete, ohne, dass er etwas falsch gemacht hätte. Das Schicksal hat die Weiche anders gestellt, als er das in seinem kindlichen Selbstverständnis geahnt hatte. Aus Angst, was weiter geschehen könnte, wagt er als Erwachsener weder seiner Liebe noch seiner Berufung zu folgen, bis das Schicksal erneut einschreitet.

Takis Würger: „Für Polina“, Diogenes Verlag, 293 Seiten, ISBN 978-3-257-07335-5, Preis: 26,00 Euro.

„Für Polina“ wurde auch von Monika Runge für die BÜCHER-HEIMAT besprochen.


Petra Nietsch über „Der Tote in der Crown Row“

Petra Nietsch über „Der Tote in der Crown Row“

Sally Smith: Der Tote in der Crown Row

Lieben Sie Sherlock Holmes, Hercule Poirot oder Lord Peter Wimpsey? Dann wird Ihnen auch „Der Tote in der Crown Row“ von Sally Smith gefallen, denn dieses Buch enthält alle Elemente des klassischen englischen Kriminalromans.

Sir Gabriel Ward, ein etwas kauziger Junggeselle und Einzelgänger, lebt und arbeitet  im Londoner Stadtbezirk Temple, welcher seit Jahrhunderten Zentrum des englischen Rechtswesens ist und in dem es eigene Regeln und Gesetze gibt.

Am 21. Mai 1901 stolpert Sir Gabriel am frühen Morgen auf den Treppenstufen zu seinen Büroräumen über eine Leiche im Abendanzug aber mit nackten Füßen. Es handelt sich um den obersten Richter Lord Dunning, der mit einem silbernen Fleischmesser erstochen worden ist.

Da die Londoner Polizei nur nach Aufforderung im Temple ermitteln darf, wird Sir Gabriel beauftragt, erste Untersuchungen und Befragungen vorzunehmen. Nur widerwillig übernimmt er diese Aufgabe, denn er ist gerade dabei, sich auf die Verteidigung eines Mandaten vorzubereiten, der in einen Streit um die Rechte an einem sehr beliebten Kinderbuch verwickelt ist.

Schnell stellt sich heraus, dass viele verschiedene Personen als Verdächtige infrage kommen, denn sie haben alle ein Motiv. Mit seiner guten Beobachtungsgabe, seiner Fähigkeit Spuren richtig zu deuten und logische Zusammenhänge zu erkennen, gelingt es Sir Gabriel, die richtigen Schlüsse zu ziehen und den Mord schließlich aufzuklären.

Die Geschichte mag auf den ersten Blick etwas simpel wirken, aber die vielen Verwicklungen lassen den Leser bis zum Schluss rätseln, wer von den vielen Verdächtigen wohl den Mord begangen hat.

Die Autorin Sally Smith hat jahrelang als Rechtsanwältin im Temple gearbeitet und vermittelt dem Leser dementsprechend einen guten Einblick in das englische Rechtssystem. Ihr Roman zeigt aber auch, wie sehr es damals davon abhing, in welche soziale Klasse man geboren wurde, um eine gerechte Gerichtsverhandlung zu bekommen.

Ein „Whodunit“, wie es ihn nur in der englischen Literatur gibt, unterhaltsam und witzig geschrieben.

Sally Smith: „Der Tote in der Crown Row“, Goldmann Verlag, 400 Seiten, ISBN 9783442317929, Preis: 22,00 Euro.


Eine Tour auf Lessings Spuren

Eine Tour auf Lessings Spuren

Das Schatzkästlein Wolfenbüttel erkundet

Nach einem schwierigen Anlauf wurde es am Ende vielleicht ein „Vorauskommando“ der BÜCHER-HEIMAT, das unter Führung von Hans Kolmsee Wolfenbüttel erkundete. Ursprünglich war einmal eine größere literarische Reise in die Lessingstadt geplant, der plötzliche Tod des bereits gebuchten Stadtführers ließ die Realisierung scheitern.

Mit Hans Kolmsee fand Monika Runge jetzt einen kompetenten Kenner Wolfenbüttels, denn der heutige Bad Harzburger ging dort einst zu Schule. Spontan wurde für den 8. August 2025 eine Tour angesetzt, an der alles in allem sechs Freunde und Freundinnen der BÜCHER-HEIMAT teilnahmen.

Das Wetter hat mitgespielt und es war, so Monika Runge, ein interessanter Gang durch die Stadt, mit vielen geschichtlichen Daten und Anekdoten von „Volkes Stimme“. Mit Texten von Raabe und Lessing, zweier literarischer Größen, die sich in Wolfenbüttel aufgehalten und dort gewirkt haben, wurde der Rundgang angereichert.

Damit wurde auch die Literatur abgedeckt, die mit dem Besuch des Zeughauses, das ja Teil der Bibliothek ist, außerdem präsent war. Die Hauptkirche Wolfenbüttels, Beatae Mariae Virginis am Kornmarkt, war ein besonderes Erlebnis, die Innenausstattung mit dem Orgelprospekt eine wahre Pracht.

Der Rundgang durch die malerische Altstadt begeisterte die kleine Reisegesellschaft der BÜCHER-HEIMAT. Sollten sich – auch nach Ansicht der kleinen Bildergalerie – Interessenten finden, könnte der Ausflug in die Lessingstadt ein weiteres Mal angeboten werden. Wer mit der „BÜCHER-HEIMAT on Tour“ und unter Führung von Hans Kolmsee Wolfenbüttel genauer neu entdecken möchte, kann sein Interesse per Mail an Monika Runge (monika.runge@die-buecherheimat.de) bekunden.

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Katja Nordmann-Mörike – Zeitgeschichte miterlebt

Katja Nordmann-Mörike hat die Erinnerungen an die historische Moskau-Fahrt Adenauers minutiös festgehalten.

70 Jahre „Heimkehr der 10.000“

Bad Harzburgerin Katja Nordmann-Mörike gehörte zu Adenauers Delegation in Moskau

Manchmal gibt es diese Glücksfälle: eines der letzten noch lebenden Delegationsmitglieder, Katja Nordmann-Mörike, kam auf die BÜCHER-HEIMAT zu, um als Zeitzeugin von ihrer außergewöhnlichen Arbeit in Moskau zu erzählen. Realisiert wird der Gesprächsabend mit Katja Nordmann-Mörike und Interviewer Michael Bartsch am Mittwoch, 8. Oktober 2025.

Das Schicksal der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion beschäftigte die Menschen in der jungen Bundesrepublik, wie auch viele Beiträge des Pressefotografen Herbert Ahrens belegen.
Foto: Ahrens-Archiv

Zehn Jahre nach Kriegsende – mitten im Kalten Krieg – entschloss sich die Bundesregierung unter Bundeskanzler Adenauer, Verhandlungen mit der Sowjetunion aufzunehmen. Ziel der Bundesrepublik war es, die letzten ca. 10.000 Kriegsgefangenen zurückzuholen; die Sowjetunion verlangte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, an deren Ende die Botschaft in Bonn eröffnet werden sollte.

Mehrfach drohten die Verhandlungen zu scheitern. Als der Kanzler zurückkehrte und von einer alten Dame kniend einen Handkuss bekam, brannte sich das Bild in das kollektive Gedächtnis der jungen Bundesrepublik ein, die Sensation war perfekt: Die Kriegsgefangenen kamen über Friedland in ihre Heimat zurück.

Die damals 24-jährige Katja Mörike betrat am 4. September 1955 den Zug nach Moskau. Als Übersetzerin des Auswärtigen Amtes gehörte sie zur Delegation. Und es war eine der Reisen ihres Lebens.

Warum sie mit Carlo Schmid über den Roten Platz spazierte, warum Adenauer nicht wollte, dass sie wichtige Unterlagen zu Molotow bringen sollte, warum Adenauer sich – entgegen der Ratschläge seiner Top-Diplomaten – entschied, auf das Wort von Chruschtschow zu vertrauen, all diese und noch viel mehr Fragen wird Katja Nordmann-Mörike beantworten.

Schnell wurde der BÜCHER-HEIMAT das Besondere dieser Zeitzeugin klar, und sie entschied sich dazu, Katja Nordmann-Mörike im Rahmen eines Interviews zu Wort kommen zu lassen. Als Interviewer konnte der Altstipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, Michael Bartsch, gewonnen werden.

Mittwoch, 8. Oktober 2025, 19.00 Uhr, BÜCHER-HEIMAT
Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten
Anmeldung in der BÜCHER-HEIMAT,
Telefon  (05322) 9059599 | Mail: info@die-buecherheimat.de

Sonja Weber über „Nincshof“

Sonja Weber über „Nincshof“

Johanna Sebauer: Nincshof

Vergessen werden, das wollen einige Bewohner des Dorfes Nincshof im gleichnamigen Roman von Johanna Sebauer, denn sie wollen ihre Ruhe. Das fiktive Örtchen im Burgenland an der Österreichisch-Ungarischen Grenze soll einst gänzlich unbekannt gewesen sein, lag verborgen im Schilf in einem Sumpf und niemand verirrte sich je dorthin. Die Bewohner konnten tun und lassen, was sie wollten.

So jedenfalls lautet die Legende, die sich um den Flecken rankt. Sollte es je so gewesen sein, ist das lange her. Inzwischen ist Nincshof beliebt bei Radtouristen und Stadtmenschen, die es aufs Land zieht. Sogar einen eigenen Bürgermeister, eine Partnergemeinde in den Niederlanden und einen Züchter für seltene Irrziegen hat man inzwischen.

Doch es gibt einige Nincshofer, die gerne wieder in Vergessenheit geraten würden. Nur wie stellt man das an? Wie schafft man es, dass die Welt denkt, es gäbe einen nicht, hätte einen nie gegeben, wo man doch heute alles im Internet recherchieren kann? So finden sich also im Geheimen drei Herren zusammen, nennen sich Oblivisten, was einfach professioneller klingt als „Vergesser“, und tun ihr Möglichstes, dass niemand mehr nach Nincshof findet.

Ganz gegen dieses Bestreben und wie zum Trotz hat sich gerade eine Filmemacherin im Dorf angesiedelt und interessiert sich nun ausgerechnet für die alten Geschichten von Erna Rohdiebl, eine alte Dame, deren Vorfahrinnen und Vorfahren schon immer hier gelebt haben. Die gerät damit, ohne es zunächst zu wissen und somit unfreiwillig, in eine Verschwörung und dann zwischen die Fronten. Dabei wollte sie doch nur nachts heimlich im neuen Pool der Nachbarin baden.

Johanna Sebauer: „Nincshof“, Dumont Verlag, 366 Seiten, ISBN 978-3-7558-0509-0, Preis: 14,00 Euro.


Petra Nietsch über „James“

Petra Nietsch über „James“

Percival Everett: James

„Die gesamte moderne amerikanische Literatur geht auf ein einziges Buch von Mark Twain mit dem Titel Huck Finn zurück.“ Dieses Zitat, das von niemand anderem als Ernest Hemingway stammt, unterstreicht die Bedeutung dieses Romans, der weit mehr ist als eine Abenteuergeschichte.

Percival Everett hat diesen Literaturklassiker als Grundlage genommen, um eine eigene und in großen Teilen andere Geschichte zu schreiben.

Er nimmt einen Perspektivwechsel vor, so dass nicht Huck Finn, sondern den Sklave Jim  zum Ich-Erzähler wird. Sehr bald stellt sich heraus, dass James, wie er sich selbst nennt, nicht nur klug ist, sondern auch sehr viel weiß. Er durchschaut die weiße Gesellschaft, erkennt ihre Schwächen und nutzt sie zu seinem Vorteil. „Es zahlt sich immer aus, den weißen Menschen das zu geben, was sie wollen …“ sagt Jim zu Beginn des ersten Kapitels.

Als Jim nach New Orleans verkauft werden soll, läuft er davon und gemeinsam mit Huck, der vor seinem trunksüchtigen Vater geflohen ist, fährt er auf einem selbstgebauten Floss den Mississippi hinunter. Das Entkommen und die Flucht stellen für ihn einen ständigen Kampf ums Überleben dar. Er ist niemals sicher, wem er trauen kann und wem nicht. Hier wird der Unterschied zum kindlichen Erzähler Huck deutlich. Es ist eben kein Abenteuer.

Jim hat sich selbst Lesen und Schreiben beigebracht und untereinander unterhalten sich die Sklaven in fehlerfreiem Englisch. Nur in der Gegenwart von Weißen sprechen sie so, wie es von ihnen erwartet wird – fehlerhaft und nicht immer verständlich.

Die Geschichte ist natürlich vollständig erfunden und erscheint an manchen Stellen unlogisch und konstruiert. Aber das ist genau so gewollt, denn sie ist gleichzeitig auch als Satire zu verstehen, ebenso wie „Die Abenteuer des Huck Finn“ satirische Elemente enthält.

„James“ gibt allen Menschen, die für ihre Freiheit kämpfen, eine Stimme. Somit ist es ein Roman, der zwar in der Vergangenheit spielt, aber große Bedeutung für unsere Gegenwart und Zukunft hat.

Das Buch ist ein literarisches Meisterwerk, denn es ist vielschichtig, mal lustig, mal klug, mal beängstigend und mal zum Nachdenken anregend. Es ist zu Recht mit dem Pulitzer Preis 2025 ausgezeichnet worden.

Percival Everett: „James“, Blessing Karl Verlag, 336 Seiten, ISBN 9783446279483, Preis: 26,00 Euro.

Die Taschenbuchausgabe (ISBN 9783896677730) für 14,00 Euro wird vom Verlag für den 10. September 2025 angekündigt.


Bilderbogen: Der Sommerabend im Gestüt

Bilderbogen: Der Sommerabend im Gestüt

Außergewöhnliches Konzept beschert tollen Abend

Ein außergewöhnliches Veranstaltungskonzept, eine außergewöhnliche „Location“ – was manch einem einst als Risiko erschien, wurde zu einer außergewöhnlichen Erfolgsgeschichte: Der literarisch-musikalische Sommerabend der BÜCHER-HEIMAT im Gestüt Bad Harzburg wurde auch in der zweiten Auflage zu einem großen Erfolg. Und für den dritten Sommerabend im Jahr 2026 laufen damit die Planungen quasi schon an.

Die Begeisterung um den BÜCHER-HEIMAT-Sommerabend konnte in diesem Jahr auch das Wetter nicht abkühlen. Trotz Nieselregen und so gar nicht sommerlich frischem Wind kamen rund 200 Besucher. Sie profitierten ebenso wie die Künstler vom Veranstaltungsort, denn das Gestüt Bad Harzburg hat neben den malerischen Hofanlagen auch noch eine große Scheune als Unterschlupf bei schlechtem Wetter anzubieten.

Das Publikum nutzte dies, um dem „singING TUC Rock-, Pop- und Jazz-Chor der TU Clausthal“ unter der Leitung von André Wenauer und dem Duo Olaf Honig und Olaf Serbent, aka „The Beautifools“, im Trockenen begeistert zu lauschen. Aber auch, um in literarische Welten entführt zu werden, was Monika Runge und Sonja Weber vom Bücher-Heimat-Team sowie Ex-Praktikantin Eliana McArthur als Überraschungsgast aus Kanada übernahmen.

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Fotos: Privat/Weber