Christine Weber über „Aenne und ihre Brüder“

Christine Weber über „Aenne und ihre Brüder“

Reinhold Beckmann:

Aenne und ihre Brüder

Anfangs interessierte mich die Geschichte von Aenne und ihren Brüdern, weil sie im Osnabrücker Raum spielt. In der Nähe bin ich auch aufgewachsen, hierher stammen auch meine Eltern. Aenne und ihre Brüder sind etwa so alt wie meine Eltern, vielleicht etwas älter. So erzählt Beckmann eine Familiengeschichte, wie sie in vielen Familien gewesen sein könnte. Und Beckmann erzählt diese Geschichte seiner Mutter und seiner Onkel, die er nie kennenlernen konnte, wertschätzend und einfühlsam.

Die Erzählung beruht auf den Berichten der Mutter und zahlreichen Briefen ihrer Brüder, die die Mutter wie einen Schatz gehütet hat und die Beckmann häufig zitiert. Darüber hinaus hat Reinhold Beckmann offensichtlich gut recherchiert und konnte so Zusammenhänge aufzeigen, wie sich das Leben in der kleinen Gemeinde Wellingholzhausen in der Weimarer Republik und unter nationalsozialistischer Diktatur abgespielt hat – und wohl auch wahrscheinlich an vielen Orten und in Familien Realität war.

Die zahlreichen Briefe der Onkel an ihre Schwester in der Heimat geben einen Einblick in die Gefühlswelt, und wie sie sich im Laufe des Krieges gewandelt hat. Von der anfänglichen Begeisterung bleiben nur Angst und Hoffnungslosigkeit. Für die Brüder, von denen keiner den Krieg überlebt hat, bleibt der Briefkontakt zur Schwester der einzige Kontakt zur „Zivilisation“. Das Grauen des Krieges überwältigt.

Ich frage mich oft, wie es soweit kommen konnte, dass Menschen euphorisch in den Krieg zogen. Reinhold Beckmanns Buch gibt dazu einen Einblick. Und es ermuntert, heute wach zu sein, aufzupassen und den Anfängen zu wehren. So ist das Buch zugleich hoch aktuell

Reinhold Beckmann: Aenne und ihre Brüder. Die Geschichte meiner Mutter, Propyläen Verlag 2023, 352 Seiten, ISBN 978-3549100561, Preis: 26,00 Euro.


Lena Scholz über „Wilder wird’s nicht“

Lena Scholz über „Wilder wird’s nicht“

Andreas Winkelmann:

Wilder wird`s nicht

Was verstehen Sie unter wild? Die Antwort auf diese Frage suchen Andreas Winkelmann und Markus Knüfken in ihrem Buch „Wilder wird`s nicht“. Seit Jahren gehen sie zusammen wandern, aber nur dorthin, wo man bequem mit Zug oder Bulli hinkommt. Fliegen kommt für sie nicht in Frage. Auf einer Wanderung in den Alpen, die immer weniger wild erscheinen, durch die Massen an Touristen, die selbst in den scheinbar entlegensten Ecken auftauchen, beschließen sie, das sie mal wieder ein richtiges Abendteuer wagen möchten.

Doch wo fängt man da an? Erst gibt es kleine Streitigkeiten, was sie unter dem Wort wild und abseits jeder Zivilisation verstehen, deshalb geht es für ein Probeabendteuer in den Harz nach Ilsenburg und von dort zum Brocken. Und siehe da, selbst in Deutschlands nördlichstem Mittelgebirge erlebt man Einsamkeit und unberührte Natur.

Doch auf der Suche nach Europas letzten wilden Orten werden sie letzendlich in Schwedisch-Lappland fündig. Dort wo Wanderwege enden wie der Handyempfang, geht es auf eine unvergessliche Reise durch atemberaubende Landschaften und Einsamkeit.

Mit sehr viel geistreichem Humor und Charme habe ich mich mit Andreas Winkelmann und Markus Knüfken auf diese Reise begeben. Wer auf der Suche nach einer witzigen Lektüre ist, in die man abtauchen kann, um an einsame Orte zu entfliehen, ist hier genau richtig.

Andreas Winkelmann: „Wilder wird’s nicht“, Rowohlt Taschenbuch, 192 Seiten, ISBN 9783499004599, Preis: 14,00 Euro.


Sonja Weber über „Gebrauchsanweisung für Pferde“

Sonja Weber über „Gebrauchsanweisung für Pferde“

Juli Zeh:

Gebrauchsanweisung für Pferde

Bislang wusste ich nicht, dass Juli Zeh schon immer ein Pferdemädchen war, ein Pferdemensch, um es heute korrekt zu sagen. 2019 ist ihr Titel „Gebrauchsanweisung für Pferde“ erschienen und inzwischen schon ein weiteres Mal aufgelegt worden. Ich habe wohl immer brav um dieses Werk herum gelesen, es irgendwie so gar nicht wahrgenommen. Es war nicht mein Thema, ist es das jetzt?

Nicht grundsätzlich, aber im Fall von Zehs Buch muss ich ganz klar sagen, ja, denn man hätte auch den Titel „Gebrauchsanweisung für Juli Zeh“ oder „Gebrauchsanweisung für Menschen“ wählen können. Kapitel um Kapitel berichtet die Autorin einer Biografie gleich über ihr Leben mit Pferden.

Erst Schulpferden, dann Pflegepferden und zuletzt auch eigenen. Sie erzählt von Tieren wie von Menschen, manche sind so gute Freunde gewesen, dass man sie nicht vergisst, andere nur lose Bekannte und einige sind halt Familie.

Ich empfinde es als ein sehr persönliches Buch, in dem es nicht um Karriere und Erfolge geht, sondern um den respekt- und liebevollen Umgang mit anderen Lebewesen, das Maß an Verantwortung, dass man trägt und das Vertrauen, dass einem entgegengebracht wird und man selbst in andere setzt. Was kann mehr über einen Menschen aussagen?

Juli Zeh: „Gebrauchsanweisung für Pferde“, 244 Seiten, Piper Verlag, ISBN 978-3-492-27762-4, Preis: 16,00 Euro.


Shortlist für Deutschen Kinderbuchpreis

Shortlist für Deutschen Kinderbuchpreis

Preisverdächtiges für den Nachwuchs

Wer sich mit dem Gedanken trägt, den Kindern oder Enkeln zum Start ins neue (oder erste) Schulfahr ein Buch zu schenken, macht schon mal per se nichts falsch. Und damit die Auswahl nicht zur Qual wird, könnte sich ein Blick auf preisverdächtige Lektüre auszahlen. Aktuell wurde die Shortlist zum Deutschen Kinderbuchpreis 2024 (Übersicht alle Bücher/ext.) veröffentlicht.

Die Auszeichnungen zahlen sich dabei auch für die Autorinnen und Autoren aus: Die Gewinner inklusive des Sonderpreises Illustration erhalten ein Gesamtpreisgeld in Höhe von 100.000 Euro. Auf der Shortlist 2024 stehen folgende Bücher:

Ach, das ist Familie?! (von Britta Kiwit)
Alle machen Sport (von Vale Weber und Liese Macher)
Annis wilde Tierabenteuer – Auf in den Dschungel! (von Annika Preil)
Bookmän – Alles Konfetti (von Rüdiger Bertram)
Die Tierwandler – Plötzlich Eule! (von Martina Baumbach)
Kater Chaos – Au Backe, ein Hamster! (von Katja Reider)
Lesen NERVT! – Bücher? Nein, danke! (von Jens Schumacher)
Rebellenzellen – Eine wilde Reise durch den Körper (von Dr. Johanna Klement)
Wir sind (die) Weltklasse (von Tanya Lieske)
Wo steckt Wuff? Auf wundersamen Wegen durch die Stadt (von Wiebke Rhodius).

Nach der Erwachsenenjury nimmt nun auch die Kinderjury, bestehend aus 32 Kindern im Alter von sechs bis zehn Jahren, ihre Arbeit für die Endauswahl auf. Der Siegertitel 2024 wird am 12. Oktober im Deutschen Sport- und Olympia-Museum in Köln bekannt gegeben.

Sonja Weber über „Ohne Dich, das geht doch nicht!“

Sonja Weber über „Ohne Dich, das geht doch nicht!“

Smriti Halls/Steve Small:

Ohne Dich, das geht doch nicht!

In diesem Bilderbuch für Kinder ab zwei Jahren geht es um Hörnchen und Bär, im ersten Moment zwei ziemlich gegensätzlichen Charaktere, die aber bei allen Unterschieden nicht ohne einander sein können, jedenfalls nicht lange.

Klar, man geht sich schon auch mal auf den Geist, streitet, missversteht sich und ab und an nimmt Bär vielleicht ein bisschen viel Platz ein und Hörnchen ist womöglich nicht immer ganz feinfühlig. Trotzdem halten sie zusammen und „tun, was zu tun ist, (…) stopfen das Loch. Erst ist es schwierig, aber dann geht es doch. (…) gehören zusammen wie Bade und Wanne, wie Hosen und Träger, wie Kaffee und Kanne.“

Nun ist die Idee des Zusammengehörens keine neue Erkenntnis und in Büchern eh ein geläufiges Thema. Aber selten habe ich die Bedeutung von der Stärke des Wir-Gefühls so simpel, klar, witzig und, ja einfach reizend dargestellt gesehen wie in den Illustrationen von Steve Small. Die gereimten kurzen Texte von Smriti Halls hat übrigens Paul Maar (einer der Helden meiner Kindheit) ins Deutsche übersetzt.

Mir persönlich gefällt dabei, das neben all der Zweisamkeit klar wird, dass ein „Wir“ aus mindestens zwei „Ichs“ besteht, die Ecken und Kanten haben, manchmal blöd sind, durchaus persönlichen Freiraum benötigen und, dass sich entschuldigen, sowie nicht nachtragend sein dazu gehört, damit „Wo immer du hingehst, ich lass dich nicht los. Was immer du machst, zu zweit sind wir groß“ auch klappen kann.

Smriti Halls/Steve Small: „Ohne Dich, das geht doch nicht!“, Oetinger Verlag, ISBN 978-3-7512-0528-3, Preis: 10,00 € (Pappe, 30 Seiten) oder 15,00 € (gebunden, 40 Seiten, ISBN 978-3-7512-0000-4).


Petra Nietsch über „So weit der Fluss und trägt“

Petra Nietsch über „So weit der Fluss und trägt“

Shelley Read:

So weit der Fluss uns trägt

Go as a River

Es hat lange gedauert, bis ich in Worte fassen konnte, was mich an diesem Roman so begeistert hat. Eine bewegende Handlung, wiedergegeben in kraftvoller Sprache und Botschaften, die zum Nachdenken anregen, zeichnen ihn aus.

Die Autorin hat viele richtige Entscheidungen getroffen. Eine davon ist, dass die Protagonistin ihre eigene Geschichte erzählt. So sind wir ganz nah dran. Wir lieben, wir leiden, und wir hoffen mit ihr.

Viktoria, von allen nur Torie gerufen, wächst auf der familieneigenen Pfirsichplantage am Gunnison River in Colorado auf. Nach dem Unfalltod ihrer Mutter muss sie sich schon in jungen Jahren um Haus und Garten kümmern und Vater, Onkel und Bruder versorgen. Niemand fragt sie, wie es ihr geht. Ihr weiteres Leben scheint vorbestimmt. Doch dann, mit siebzehn, trifft sie Will Moon, und plötzlich ist alles anders. Aber diese erste große Liebe endet tragisch. Ab jetzt muss Viktoria immer wieder Entscheidungen treffen, und jedes Mal nimmt ihr Leben eine neue Wendung.

              “Just as a single rainstorm can erode the banks and change the course of a river,
              so can a single circumstance of a girl’s life erase who she was before.” *

Dieses Zitat bezieht sich darauf, dass es manchmal nur zufälliger Begegnungen bedarf, die uns dazu bewegen, von dem Pfad abzuweichen, von dem wir glaubten, dass er für uns bestimmt war. Diese Tatsache ist ein wesentliches Element dieses Romans. Weitere Themen sind Rassismus, der Umgang des Menschen mit der Natur und wie diese unser Leben formt.

Viktoria steht im Mittelpunkt der Geschichte. Alle anderen Charaktere sind nur Randfiguren, denen sie im Laufe ihres Lebens begegnet.

Shelley Read ist eine großartige Schriftstellerin. Mit ihren Worten zeichnet sie beeindruckende Bilder. Das raue Leben und die raue Landschaft Colorados erscheinen vor dem geistigen Auge. Manche Sätze sind schon fast philosophisch, und es lohnt sich, für einen Moment über sie nachzudenken.

Wie in so vielen anderen Werken auch hat der Fluss, der bereits im Titel und auf dem Umschlag erscheint, eine symbolhafte Bedeutung, die sich durch den gesamten Roman zieht.

Shelley Read: „So weit der Fluss uns trägt“, Bertelsmann Verlag, 368 Seiten, ISBN 9783570105139, Preis: 24,00 Euro.


* So wie ein einziger Regensturm die Ufer erodieren und den Lauf eines Flusses verändern kann, so kann ein einziger Umstand im Leben eines Mädchens auslöschen, wer sie vorher war.

Anfeuerung für Öfi

Anfeuerung für Öfi

Wir denken olympisch

Eine Woche lang hat zum 144. Mal die Galopprennwoche die Szenerie in Bad Harzburg bestimmt. Unmittelbar beteiligt ist die BÜCHER-HEIMAT zwar (noch) nicht, aber Werbung haben wir für die Woche stets eifrig gemacht. Selbstverständlich waren viele von uns auch als Fans und Unterstützer auf der Galopprennbahn am Weißen Stein unterwegs. Dass gehört sich für Bad Harzburgerinnen und Bad Harzburg ja sozusagen.

Anfeuern und unterstützen konnten wir am letzten Rennwochenende auch einen unserer besten Partner: Beim Maskottchenrennen schickte auch die Öffentliche Versicherung Braunschweig ihren Sympathieträger Öfi ins Rennen – wobei natürlich insbesondere in diesen Tagen das olympische Motto gilt: Dabeisein ist alles! Der Sieg im Maskottchenrennen ging an Bultinchen von der Neuen Bult in Hannover. Für ein tolles Rennen gratulierte Sonja Weber dem ausgelaugten Öfi nach dem Rennen im Namen des ganzen BÜCHER-HEIMAT-Teams.

Autorenduo lädt zu modernen „Eulenspiegeleien“ ein

Bäckerklint in Braunschweig 1906 mit Eulenspiegelbrunnen, Mummehaus und Eulenspiegelhaus. Ausschnitt aus einem Aquarell von Emil Limmer. Foto: Wikipedia (gemeinfrei)

„Eulenspiegels Rückkehr“ führt auch nach Bad Harzburg

Einem Narren, der gewitzt gerade auch die Region um Braunschweig und Schöppenstedt zum Narren hielt, widmen sich der Sprachwissenschaftler Prof. Alexander Schwarz und der Braunschweiger Historiker Prof. Matthias Steinbach bei einer Lesung am Mittwoch, 13. November 2024, in der BÜCHER-HEIMAT in Bad Harzburg. Das Autorenduo widmet sich in dem im Herbst erscheinenden Buch „Eulenspiegels Rückkehr – ungefähr 96 Seiltänze“.

Worum es im Buch und an dem Abend in der BÜCHER-HEIMAT geht, beschreiben die Eulenspiegel-Experten in der „Vorrede“ zu ihrem Werk, dem sie ein Karl Valentin-Zitat voran stellen: „Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative und eine komische“:

„Eigentlich wollten wir Eulenspiegel zu neuem Leben erwecken. Doch hat sich der Narr, man hätte es wissen können, diesem Anliegen durch strikte Verweigerung entzogen. Er verwandelte sich, wie er wollte. Entstanden ist so eine Anthologie, die aus heutiger Sicht Gestalten, Bilder, Texte und Orte eulenspiegelesker Formen und Praktiken präsentiert. Die Widersprüchlichkeit zwischen den einzelnen Kapiteln soll jeden Eindruck des sich Festlegens oder Sagenwollens, wie es wirklich gewesen ist, verhindern. Eulenspiegel gibt es nicht, aber er hat viele Kinder. So zumindest sagen es die Möllner. Er und seinesgleichen existieren eher im Status des Wahrscheinlichen. Sie leben mehr im Geist als in der Wirklichkeit. Nur so erklärt sich ihre Unsterblichkeit, nur so wird ihr immer neues, anderes Auftreten angesichts fragwürdiger Zustände verständlich.

Das Ursprungsmotiv ist ein Buch, das zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Straßburg erscheint: Ein kurtzweilig lesen von Dyl Vlenspiegel geboren vß dem land zů Brunßwick. Wie er sein leben volbracht hatt. 96 seiner geschichten. Verfasst „nur allein, um ein fröhlich Gemüt zu machen in schweren Zeiten“, wird es rasch zum internationalen Erfolg, der bis heute anhält. Sicher haben mindestens 96 Schriftsteller, Zeichner, Maler, Bildhauer, Komponisten, Tänzer und Forscher jeglichen Geschlechtes Eulenspiegel als Inkarnation sozialer wie methaphysischer Clownerie und Narretei weitergegeben und mit immer neuen Deutungen ausgestattet. Diese sagen viel über die Interpreten selbst und spiegeln den jeweiligen Zeitgeist. Oft knüpfen sie an die alten Historien an, an Orte, wo Till immer schon sein Unwesen getrieben hat und die bis heute sein Andenken pflegen. Selbstverständlich ist Eulenspiegel nicht der einzige Vertreter seiner Art oder Unart: In vielen Gegenden der Welt und zu allen Zeiten gab es reale oder erfundene menschliche, tierische und dämonische Verwandte archetypischen Andersseins – freche Geister, die der großen Geschichte mit subtiler Geringschätzung und feiner Ironie begegneten.

Aus alledem ist die Idee entstanden, ungefähr 96 Personen zu einem kurzen Beitrag – das war die einzige Bedingung – über eine derartige Verkörperung einzuladen. Wir haben uns über jeden Text gefreut und nichts wegzensiert. Denn stellen Sie sich vor, Eulenspiegel selbst hätte offen oder versteckt an diesem Unternehmen teilgenommen? Wie bei dessen unsichtbarem Gemälde bleiben einige mögliche Kapitel leer. Nur wo wir ein Fehlen gar nicht aushalten konnten, haben wir das Eine oder Andere selbst nachgeliefert, bitten Eulenspiegel dafür um Entschuldigung und hoffen jetzt heimlich auf seine Rache.“

Bis zu ihrer Lesung in der BÜCHER-HEIMAT jedoch mögen Alexander Schwarz und Matthias Steinbach von allen Rachegelüsten verschont bleiben.

Mittwoch, 13. November 2024, 19.00 Uhr, BÜCHER-HEIMAT
Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten
Anmeldung in der BÜCHER-HEIMAT,
Telefon  (05322) 9059599 | Mail: info@die-buecherheimat.de

Gert Deppe stellt Debütroman vor: „Kein Ankommen, nirgendwo“

Gert Deppe stellt seinen Debütroman „Kein Ankommen, nirgendwo“ im Februar 2025 in der BÜCHER-HEIMAT vor. Foto: Zu Klampen Verlag

Außergewöhnlich intensiv erzählt

Seinen Debütroman „Kein Ankommen, nirgendwo“ stellt Gert Deppe am Donnerstag, 6. Februar 2025 in der BÜCHER-HEIMAT in Bad Harzburg vor.

Zum Inhalt: Es ist Jahre her, dass Anne den Kontakt zu ihrem Vater abgebrochen hat. Mittlerweile ist sie eine junge Frau, angekommen in ihrem Leben aber – abgesehen von einem Musikstudium – ist sie nicht.

Als sie ihren Vater plötzlich mitten in der Nacht anruft, versteht er kaum, was sie von ihm will. Sie scheint das Gespräch genau geplant zu haben, bewegt sich auf einem Grat zwischen Vorwurf und Unergründlichkeit. Und endlich kommt alles zur Sprache: die Trennung ihrer Eltern, seine sonntäglichen Besuche. Die Geheimnisse, die die beiden teilten. Und das Unvorstellbare, das er ihr damals antat.

In seinem Roman „Kein Ankommen, nirgendwo“ thematisiert der Autor Gert Deppe einen sexuellen Missbrauch im familiären Umfeld. Der Missbrauch selber steht dabei nicht im Vordergrund, es geht dem Autor vielmehr um die atmosphärische Schilderung des familiären/sozialen Umfelds, in dem diese Tat geschieht – und so auch jederzeit allerorten geschehen kann – sowie um die Folgen für das Opfer. Eine außergewöhnlich intensiv erzählte Geschichte über eine seelische Verletzung, für die es keine Heilung gibt.

In seiner Lesung vermittelt Gert Deppe einen Eindruck von der Machart seines eher unkonventionellen Textes sowie von der zeitlichen und sozialpsychologischen Umgebung des sexuellen Übergriffs, der selbst nicht im Fokus des Romans steht.

Zum Autor:

Gert Deppe, *1964, studierte zunächst Musik in Hannover. Nach einem Jahrzehnt reger Konzerttätigkeit widmete er sich seiner zweiten Leidenschaft, dem Schreiben. Von 1999 bis 2001 absolvierte er ein Volontariat bei der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung« und arbeitet seitdem als freier Journalist und Autor für zahlreiche Medien. „Kein Ankommen, nirgendwo“ (2022) ist sein literarisches Debüt.

Donnerstag, 6. Februar 2025, 19.00 Uhr, BÜCHER-HEIMAT
Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten
Anmeldung in der BÜCHER-HEIMAT,
Telefon  (05322) 9059599 | Mail: info@die-buecherheimat.de

Gert Deppe: „Kein Ankommen, nirgendwo“, Zu Klampen Verlag, 248 Seiten, ISBN 9783866748293, Preis: 18,00 Euro.

Sonja Weber über „Gentleman über Bord“

Sonja Weber über „Gentleman über Bord“

Herbert Clyde Lewis:

Gentleman über Bord

Henry Preston Standish, aus dessen Sicht Lewis seine Geschichte erzählt, ist ein Gentleman. Der Protagonist ist einerseits alles, was der Autor nicht ist, vielmehr in den 1930er Jahren, als er das Buch schrieb, nicht war: Erfolgreich, wohlhabend, mit einer verständnisvollen Lady verheiratet und mit wohlgeratenem Nachwuchs gesegnet.

Andererseits lässt Lewis die eigenen Existenzängste, Selbstzweifel und Fragen nach dem Sinn des Lebens einfließen, denn die Idee für den Roman sei ihm auf dem Dach des Apartments in Greenwich Village beim Blick in die Tiefe und dem Gedanken des Absturzes gekommen. Sein Protagonist Standish ist eigentlich von jeglichem Absturz weit entfernt, aber in seinem gesellschaftlich geordneten Leben unzufrieden.

Von Midlife-Crisis und der Sehnsucht nach Veränderung getrieben, verlässt er New York auf dem Seeweg. Die als kurze Erholungspause vom Alltag gedachte Auszeit wird allerdings länger und länger, die Heimkehr Tag um Tag verschoben, bis das Schicksal ihn auf die „Arabella“ führt, einem Ozeandampfer, der ihn und diverse andere Passagiere über den Atlantik zurück nach New York bringen soll.

Inzwischen malt sich Standish auch in den schillerndsten Farben aus, was er zu Hause alles von seiner Reise erzählen kann, bis ihm ein Missgeschick widerfährt. Er stürzt von Bord ins Meer. Ungeheuerlich, denn eigentlich darf einem Gentleman doch so etwas nicht passieren. Der Umstand ist gleichermaßen peinlich wie ein Abenteuer, dass ihm bei der Heimkehr natürlich Aufmerksam sichern würde. So im Wasser treibend, heldenhaft darauf wartend, dass die „Arabella“ wendet und ihn, den stoisch Ausharrenden einsammelt, wandern seine Gedanken am bisherigen Leben entlang und nur das Meer und alle, die dieses großartige Buch lesen, bekommen seine Geschichte erzählt.

Herbert Clyde Lewis: „Gentleman über Bord“, 171 Seiten, Mare Verlag, ISBN 978-3-86648-696-6, Preis: 28,00 Euro.