Der Zaunkönig zieht weite Kreise

Der Zaunkönig zieht weite Kreise
Vor dem Lesekreis des Landfrauenvereins Wolfenbüttel stellen Hartmut Frenk und Petra Nietsch das BÜCHER-HEIMAT-Projekt „Der Weg des Zaunkönigs“ vor. Fotos: Privat

Starke Nachfrage sorgt für zweite Auflage

Ein besonderes Kapitel in der Erfolgsgeschichte der BÜCHER-HEIMAT war dem kanadischen Roman „The Willow Wren“ von Philipp Schott schon mit dem Entschluss sicher, als die Mitmach-Buchhandlung die Rechte an der deutschen Ausgabe erwarb und mit 300 Exemplaren an den Start ging. Ein Projekt, das Ehrenamtliche umsetzten. Mit so großem Erfolg, dass „Der Weg des Zaunkönigs“ nun in einer zweiten Auflage mit wiederum 300 Exemplaren erscheint.

Auch in diesem Fall behält allerdings der Volksmund Recht, der seit jeher konstatiert: „Von Nichts kommt nichts“. Folgerichtig ist BÜCHER-HEIMAT-Teammitglied Petra Nietsch, die das Zaunkönig-Projekt initiierte und den Roman übersetzte, mittlerweile auch auf Lesereisen in der Region unterwegs. Gemeinsam mit Hartmut Frenk, der das Lektorat der deutschen Ausgabe übernommen hatte, machte sie jetzt beim Lesekreis des Landfrauenvereins Wolfenbüttel Station.

Der Roman basiert auf der wahren Geschichte eines neurodiversen Jungen, der im Nazi-Deutschland aufwächst, Bombenangriffe, die Hitlerjugend und die russische Besatzung überlebt, bevor er am Nordharz entlang in den Westen floh. Ein Thema, das offenkundig bei der Leserschaft in der Region gut ankommt, auch bei dem Lesekreis-Treffen in einer Gaststätte in Halchter hatten etliche Zuhörerinnen den Roman bereits gelesen.

Dies wiederum war auch deshalb von Vorteil, weil Petra Nietsch und Hartmut Frenk alles andere als eine „normale“ Lesung offerierten. Die Vorstellung des besonderen Konzepts der BÜCHER-HEIMAT sowie der außergewöhnliche Weg des kanadischen Romans auf den Verkaufstresen deutscher Buchhandlungen machten einen Großteil des Abends aus und sorgte für interessierte Nachfragen.

Damit war dann die Leselust auch bei jenen Besucherinnen geweckt, die den Roman „Der Weg des Zaunkönigs“ bislang nicht kannten. Weitere Exemplare wurden gleich vor Ort verkauft, besonders beliebt dabei die charakteristische Geschenk-Verpackung der Bücher-Heimat mit buntem Papier und schönen Papierschleifen.

So wurde zugleich auch Interesse an der Mitmach-Buchhandlung selbst geweckt, Handzettel zu kommenden Lesungen und Visitenkarten taten ein Übriges, um der BÜCHER-HEIMAT eventuell auch rund um Wolfenbüttel neue Kundinnen zu erschließen. Zumindest verkündeten etliche Mitglieder des Landfrauenverein-Lesekreises, sie würden der Buchhandlung beim nächsten Bad Harzburg-Besuch eine Stippvisite abstatten.

Ob angesichts der Nachfrage und der großartigen Reaktion auf den Roman „Der Weg des Zaunkönigs“ dann noch Exemplare der zweiten Auflage vorhanden sind, bleibt abzuwarten. Leserinnen und Leser jedenfalls werden im Einband der neuen Ausgabe schwärmend zitiert:

  • „In vier Tagen ausgelesen. Ich war tief beeindruckt.“
  • „Es ist wirklich interessant, die Ereignisse der damaligen Zeit durch die Augen eines Kindes zu sehen. Außerdem ist es spannend, etwas über politische Einstellungen und Propaganda zuerfahren, wovon ich nur wenig wusste.“
  • „Ein sehr besonderes und lesenswertes Buch mit faszinierenden Perspektivwechseln, die neue Facetten in dem vermeintlich bekannten Thema offenbaren.“
  • „Respekt für die gelungene Übersetzung.“
  • „Ein wichtiges generationsübergreifendes Buch, das jede Generation gelesen haben sollte.“
  • „Ein historisches Dokument.“
  • „Ich habe den ZAUNKÖNIG mit viel Interesse gelesen. Kein ‚Spaziergang‘ auf dem Weg des  Zaunkönigs, darum ein ergreifendes Buch, das ich unbedingt weiterempfehle.“
  • „Ein ergreifender Einblick in das Leben und Überleben in jenen Jahren.“
  • „Das Buch liest sich ganz wundervoll. Herrlich dargestellt ist die Welt in ihren Widersprüchlichkeiten aus der Sicht des Kindes.“
  • „Wunderbar geschrieben.“

Petra Nietsch über „In der Kälte Alaskas“

Petra Nietsch über „In der Kälte Alaskas“

Dana Stabenow:

In der Kälte Alaskas

Dieser Kriminalroman erschien im Original bereits 1992 und wurde erstmals 1996 ins Deutsche übersetzt. Nun hat ihn der Kampa-Verlag in diesem Jahr neu aufgelegt. Der zweite Teil dieser Reihe erscheint im Februar 2025.

Wer auf Schießereien, blutige Morde und wilde Verfolgungsfahrten hofft, wird enttäuscht werden. Vielmehr dient die Handlung dazu, dem Leser die Landschaft und die Kultur Alaskas näher zu bringen.

Es ist tiefster Winter und in der Wildnis Alaskas wird ein Ranger seit sechs Wochen vermisst, ebenso verschwindet der FBI-Agent, der ihn suchen soll. Kate Shugak, ehemalige Ermittlerin für die Staatsanwaltschaft in Anchorage, kennt den Nationalpark besser als jeder andere und wird gebeten, den Fall zu übernehmen.

Aber sie kennt auch ihr Volk, die Aleuten, und weiß, dass insbesondere die Älteren wie ihre Großmutter die „Outsider“, die Touristen und Geschäftsleute, ablehnen. Sie wehren sich gegen die Erschließung von Ressourcen und wollen die Natur schützen. Somit liegt diesem Kriminalfall der immer wiederkehrende Konflikt der indigenen Kulturen zugrunde, den Spagat zwischen Tradition und Moderne zu schaffen.

Der Autorin gelingt es die Natur, die Atmosphäre und die Stimmung so zu beschreiben, dass der Leser das Gefühl hat, hinter Kate Shugak auf dem Motorschlitten zu sitzen und mit ihr durch die verschneite Landschaft zu fahren.

Dana Stabenow: „In der Kälte Alaskas“, Kampa Verlag, 206 Seiten, ISBN 9783311120919, Preis: 17,90 Euro.


Petra Nietsch über „Mr. Wilder und ich“

Petra Nietsch über „Mr. Wilder und ich“

Jonathan Coe:

Mr. Wilder und ich

Cover Roman Mr. Wilder & ich

Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals ein Buch gelesen zu haben, dessen Titel und Buchumschlag so irreführend sind. Lediglich die Tatsache, dass Jonathan Coe mir als seriöser Schriftsteller bekannt war, hat mich dazu gebracht, den Klappentext zu lesen.

Um es gleich vorwegzusagen, der Roman hat mich begeistert. Mr. Wilder ist Billy Wilder, der berühmte Filmregisseur, über dessen Leben und dessen Filme wir viel erfahren. Historische und fiktive Elemente werden überzeugend miteinander verknüpft.

Die junge Griechin Calista lernt auf ihrer Reise durch die USA durch einen Zufall Billy Wilder kennen, von dem sie noch nie gehört hat und dessen Filme sie nicht gesehen hat. Ein Jahr später bietet er Calista einen Job als Dolmetscherin an, da er einen Film auf einer griechischen Insel dreht. Sie erfährt die schönen und weniger schönen Seiten des Filmgeschäfts. Eine der weiteren Drehorte ist München, wo sich Wilder unerwartet mit seiner eigenen Lebensgeschichte auseinandersetzen muss.

An dieser Stelle arbeitet Jonathan Coe mit einem überraschenden literarischen Kniff. Aus der erzählenden Handlung wird über die nächsten 60 Seiten ein Filmskript, in dem Wilder die Hauptrolle spielt. Anschließend kommt dann wieder Calista, die Ich-Erzählerin, zu Wort. Die Begegnung und die Arbeit mit Wilder prägt ihren weiteren Lebensweg und nichts anderes beinhaltet dieser Buchtitel.

Der Roman wird im nächsten Jahr unter der Regie von Stephen Frears verfilmt. Die Hauptrolle wird Christoph Waltz spielen. Alleine diese Tatsache zeigt, dass es sich lohnt, mit diesem Roman in die Welt des Films einzutauchen.

Ich habe ihn zu meinem Buch des Jahres 2024 gekürt.

Jonathan Coe: „Mr. Wilder und ich“, Folio Verlag, 276 Seiten, ISBN 9783852568331, Preis: 22,00 Euro (Taschenbuch: ISBN 9783453428690, Prei: 13,00 Euro).


Petra Nietsch über „Der Sommer zu Hause“

Petra Nietsch über „Der Sommer zu Hause“

Ann Patchett:

Der Sommer zu Hause

Tom Lake

Der Sommer zu Hause

Ann Patchett ist eine in Nordamerika sehr beliebte Autorin, deren Hörbücher u.a. von Meryl Streep und Tom Hanks gesprochen werden. Obwohl viele ihrer Bücher ins Deutsche übersetzt sind, ist sie bei uns kaum bekannt.

„Der Sommer zu Hause“ ist ihr jüngster Roman und spielt auf einer Obstplantage in Michigan während der Pandemie.

Die Kirschen sind reif, aber die Saisonarbeiter und ihre Familien, die seit Jahren bei der Ernte helfen, dürfen nicht kommen, stattdessen sind die drei Töchter Emily, Maisie und Nell, alle in den Zwanzigern, zu Hause und helfen ihren Eltern beim Pflücken der Früchte. Somit bietet sich endlich die Gelegenheit, ihre Mutter Lara zu der Episode in ihrem Leben auszufragen, von der sie bislang nur wenig wissen.

Als diese so alt war wie die jungen Frauen jetzt, verdiente sie sich ihr Geld als Theater- und Filmschauspielerin und hatte eine Liebesbeziehung mit Duke, der später Hollywood eroberte und sogar einen Oscar gewann. Es ist ihnen unverständlich, wie Lara eine möglicherweise erfolgreiche Schauspielkarriere aufgeben konnte, um einen Farmer zu heiraten.

Die Handlung spielt auf zwei sich abwechselnden Zeitebenen, was ein geschickter schriftstellerischer Schachzug ist, denn beim Leser baut sich regelmäßig Spannung auf, wie es wohl in dem jeweils anderen Erzählstrang weitergeht.

Laras Töchter glauben, sie hätten das Recht, alles über die Jugend der Mutter zu erfahren. Aber haben Kinder das wirklich?

Lara hatte den Mut, ihr Leben zu verändern, als sie in einer Sackgasse angekommen war. Diese Entscheidung hat ihr seitdem ein glückliches Leben beschert. Sie ist zufrieden, liebt ihren Mann, ihre Kinder und die Natur.

Ann Patchetts Art zu schreiben kommt ohne große sprachliche oder formale Schnörkeleien aus und ist dadurch sehr angenehm zu lesen. Unterschwellig spricht sie viele Themen an, überlässt es aber dem Leser, diese für sich zu entdecken.

In meinem Buchclub waren wir einhellig der Meinung, dass es ein wundervoller lesenswerter Roman ist. Lediglich über sein Ende gab es unterschiedliche Auffassungen.

Ann Patchett: „Der Sommer zu Hause“, Berlin Verlag, 398 Seiten, ISBN 9783827015037, Preis: 26,00 Euro.


Petra Nietsch über „So weit der Fluss und trägt“

Petra Nietsch über „So weit der Fluss und trägt“

Shelley Read:

So weit der Fluss uns trägt

Go as a River

Es hat lange gedauert, bis ich in Worte fassen konnte, was mich an diesem Roman so begeistert hat. Eine bewegende Handlung, wiedergegeben in kraftvoller Sprache und Botschaften, die zum Nachdenken anregen, zeichnen ihn aus.

Die Autorin hat viele richtige Entscheidungen getroffen. Eine davon ist, dass die Protagonistin ihre eigene Geschichte erzählt. So sind wir ganz nah dran. Wir lieben, wir leiden, und wir hoffen mit ihr.

Viktoria, von allen nur Torie gerufen, wächst auf der familieneigenen Pfirsichplantage am Gunnison River in Colorado auf. Nach dem Unfalltod ihrer Mutter muss sie sich schon in jungen Jahren um Haus und Garten kümmern und Vater, Onkel und Bruder versorgen. Niemand fragt sie, wie es ihr geht. Ihr weiteres Leben scheint vorbestimmt. Doch dann, mit siebzehn, trifft sie Will Moon, und plötzlich ist alles anders. Aber diese erste große Liebe endet tragisch. Ab jetzt muss Viktoria immer wieder Entscheidungen treffen, und jedes Mal nimmt ihr Leben eine neue Wendung.

              “Just as a single rainstorm can erode the banks and change the course of a river,
              so can a single circumstance of a girl’s life erase who she was before.” *

Dieses Zitat bezieht sich darauf, dass es manchmal nur zufälliger Begegnungen bedarf, die uns dazu bewegen, von dem Pfad abzuweichen, von dem wir glaubten, dass er für uns bestimmt war. Diese Tatsache ist ein wesentliches Element dieses Romans. Weitere Themen sind Rassismus, der Umgang des Menschen mit der Natur und wie diese unser Leben formt.

Viktoria steht im Mittelpunkt der Geschichte. Alle anderen Charaktere sind nur Randfiguren, denen sie im Laufe ihres Lebens begegnet.

Shelley Read ist eine großartige Schriftstellerin. Mit ihren Worten zeichnet sie beeindruckende Bilder. Das raue Leben und die raue Landschaft Colorados erscheinen vor dem geistigen Auge. Manche Sätze sind schon fast philosophisch, und es lohnt sich, für einen Moment über sie nachzudenken.

Wie in so vielen anderen Werken auch hat der Fluss, der bereits im Titel und auf dem Umschlag erscheint, eine symbolhafte Bedeutung, die sich durch den gesamten Roman zieht.

Shelley Read: „So weit der Fluss uns trägt“, Bertelsmann Verlag, 368 Seiten, ISBN 9783570105139, Preis: 24,00 Euro.


* So wie ein einziger Regensturm die Ufer erodieren und den Lauf eines Flusses verändern kann, so kann ein einziger Umstand im Leben eines Mädchens auslöschen, wer sie vorher war.

Petra Nietsch über „Das ferne Feuer“

Petra Nietsch über „Das ferne Feuer“

Amy Waldman:

Das Ferne Feuer

Bereits nach dem Lesen des ersten Kapitels wusste ich, dass mir dieses Buch gefallen würde, und das hat es bis zum Schluss. Es ist vielschichtig und tiefgründig. Zudem führt es uns in eine andere Welt.

Parvin, eine junge amerikanische Studentin mit afghanischen Wurzeln beschließt, für ein paar Monate in ihr Heimatland zu gehen. Auslöser ist ein Buch, dass in den USA als Bestseller gilt, und in dem der Autor Gideon Crane erzählt, aus welchen Beweggründen er in einem abgelegenen Dorf in den Bergen eine Geburtsklinik hat bauen lassen.

Voller Enthusiasmus und mit großen Erwartungen vor allem den Frauen zeigen zu können, wie sie ein besseres und gesünderes Leben führen können, reist Parvin in dieses Dorf.  Mit dabei hat sie ihre Yoga-Matte, Energieriegel und Nagellack. Dort angekommen folgt sehr schnell die Ernüchterung, denn sie muss feststellen, dass Vorstellung und Wirklichkeit sehr weit auseinanderliegen.

Vieles, was in dem Buch erzählt wird, wurde geschönt und entspricht nicht den Tatsachen. Die hochmoderne Geburtsklinik wird kaum genutzt, denn lediglich einmal pro Woche kommt eine afghanische Ärztin über eine schlecht zu befahrende Straße in den Ort, um Frauen zu beraten und zu behandeln.

Obwohl Parvin Dari, eine der  Landessprachen, spricht, fühlt sie sich von den Dorfbewohnern abgelehnt und nicht dazugehörig. Im Laufe der Handlung wird zunehmend deutlich, wie monoperspektivisch jegliche Form der Hilfe ist, die Parvin oder die amerikanischen Soldaten anbieten. Einwände der Dorfbewohner werden nicht ernst genommen, denn man ist überzeugt, ihnen etwas Gutes zu tun. Diese Ignoranz führt zu einer tragischen Entwicklung.

Für mich thematisiert dieser Roman die jahrhundertalte arrogante und zugleich auch naive Vorstellung der westlichen Welt, fremden Völkern und Kulturen zu einem „besseren Leben“ verhelfen zu wollen. Dabei werden kulturelle Eigenarten ebenso missachtet wie mögliche Konsequenzen des eigenen Tuns und Handelns.

Als Parvin im Dorf ankommt, wirkt auch sie naiv und ein wenig überheblich, aber in den langen Monaten ihres Aufenthaltes lernt sie, Zusammenhänge zu verstehen, und erkennt, dass sie ihren Blick auf die Dinge ändern muss. Am Schluss stellt sie die Frage „Was wollen die?“ und meint dabei die Bevölkerung, in erster Linie aber die afghanischen Frauen.

Mir hat dieser Roman besonders deshalb gefallen, weil er Fragen aufwirft, Argumente für die Positionen beider Seiten liefert, aber mir als Leserin auch die Möglichkeit lässt, eine eigene Meinung zu bilden. Dadurch liefert er viele Diskussionsansätze, so dass er sich auch für Lesekreise anbietet.

Amy Waldman: „Das ferne Feuer“, btb Taschenbuch, 495 Seiten, ISBN 9783442772445, Preis: 14,00 Euro.

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Petra Nietsch über „Alte Wege“

Petra Nietsch über „Alte Wege“

Robert MacFarlane:

Alte Wege

The Old Ways

„Alte Wege ist kein Sachbuch und keine Prosa, kein Wanderführer, kein Lyrikband und keine Lebenshilfe, doch von allem etwas und vor allem ein Werk, das beim Lesen Anstöße gibt.“
Christian Mückl, Nürnberger Zeitung

Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Wenn ich dieses Buch nicht geschenkt bekommen hätte, hätte ich es vermutlich niemals gelesen, was sehr schade gewesen wäre.

Der Autor, Robert MacFarlane wandert auf alten Pfaden meist in England, Schottland, aber auch Palästina, Nepal und Spanien. Und diese erweckt er zum Leben, denn er beschreibt, wieviel Geschichte oder Geschichten in ihnen stecken.

Wer ist diesen Weg vor vielleicht 5000 Jahren gelaufen und warum? Wie haben Wind und Wetter diese möglicherweise verändert? Wie haben sie das Leben der Menschen geprägt und, und, und. Er betrachtet den Begriff „Weg“ unter ganz verschiedenen Aspekten, manchmal philosophisch, spirituell oder literarisch.

Das Buch hat sechzehn Kapitel, die inhaltlich mehr oder weniger abgeschlossen sind. Mehr als eins habe ich an einem Tag meistens nicht geschafft, denn jedes regt zum Nachdenken an.

Immer mal wieder wird es auch sehr detailliert und wissenschaftlich, worüber ich dann gerne mal hinweggelesen habe, aber an diesen Stellen kann jeder für sich selbst entscheiden, wie sehr er sich mit dem Thema auseinandersetzen möchte. Trotz dieser gelegentlichen intellektuellen Hürden, wollte ich  das Buch nie aus der Hand legen, sondern war im Gegenteil immer neugierig auf das, was als Nächstes kommt.

In jedem Fall ist das Buch gut lesbar, denn als Literaturprofessor in Cambridge ist MacFarlane mit Worten vertraut, auch zitiert er regelmäßig Schriftsteller, die mit der Natur verbunden waren. So auch Robert Frost und sein berühmtes Gedicht: „The Road Not Taken“ .

Ein Buch, aus dem verschiedenste Einzelheiten noch lange in Erinnerung bleiben werden, dass meines Erachtens ganz unterschiedliche Menschen anspricht und dass in jedem Fall nachhallt.

Robert MacFarlane: „Alte Wege”, Matthes & Seitz Verlag, 346 Seiten, ISBN 9783957572431, Preis: 38,00 Euro.

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Petra Nietsch über „Der Wind in den Weiden“

Petra Nietsch über „Der Wind in den Weiden“

Kenneth Grahame:

Der Wind in den Weiden

(OT: The Wind in the Willows

In meinem Bücherschrank schlummern einige Bücher, die ich irgendwann einmal gekauft, aber nie gelesen habe. „Der Wind in den Weiden“ gehört dazu. Während der Vorbereitung auf meine Themse-Wanderung las ich im Reiseführer, dass dieses Buch eins von zweien sei, die am stärksten mit der Themse assoziiert werden. Dies war der Anlass, es aus dem Schrank zu holen. Und es hat sich mehr als gelohnt.

Der in England als Kultbuch geltende Kinderbuchklassiker wurde 1908 veröffentlicht und basiert auf Gute-Nacht-Geschichten, die Kenneth Grahame seinem Sohn Alastair erzählt hat. Als dieser ins Internat kam, schickte er ihm weitere in Briefform.

Vier Tiere leben am Ufer der Themse. Dies sind die freundliche Wasserratte, der sanftmütige Maulwurf, der weise Dachs und der eingebildete Kröterich. Abenteuerlust, Fernweh, und Idylle im trauten Heim spielen ebenso eine Rolle wie Loyalität, Respekt und Zuneigung.

Obwohl wenn meist nur von einem Kinderbuchklassiker gesprochen wird, ist diese Erzählung auch für Erwachsene geeignet, denn sie kann auf unterschiedlichen Ebenen gelesen werden. Zudem hat Grahame eine wunderbare Sprache geschaffen, die durch eine ausdrucksstarke Wortwahl, eine Vielzahl rhetorischer Mittel und wechselnder Dynamik schon fast an lyrische Prosa erinnert.

Ein letzter Hinweis: es lohnt sich in jedem Fall eine illustrierte Ausgabe, denn sie verstärkt den Lesegenuss.

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Kenneth Grahame: „Der Wind in den Weiden“, Kein + Aber, 240 Seiten, ISBN 9783036951232, Preis: 28,00 Euro.


Petra Nietsch über „Simply Lies“

Petra Nietsch über „Simply Lies“

David Baldacci:

Simply Lies

Gefährliches Komplott

Die deutsche Fassung erscheint am 28. Juni 2024, ist über die BÜCHER-HEIMAT aber bereits vorbestellbar

David Baldacci ist ein Meister der Spannung. Dieser Thriller hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt, da nur nach und nach einzelne Puzzleteile verraten werden, die am Ende zu dem eigentlichen Verbrechen und den Tätern führen.

Mickey Gibson, ehemalige Polizistin und alleinerziehende Mutter, wird in eine Falle gelockt und findet einen Toten. Schnell wird ihr klar, dass sie den Fall lösen muss, um sich und ihre Familie zu beschützen. Es beginnt ein Katz-und Maus-Spiel zwischen ihr und einer Frau, die soziopathische Züge zeigt und deren Namen und Identität immer wieder zu wechseln scheinen.

Neben der Spannung, die in diesem Thriller steckt, hat mir die Tatsache gefallen, dass die beiden Gegenspielerinnen Frauen sind und dass Baldacci sich offensichtlich intensiv mit der  Cyberwelt auseinandergesetzt hat und schonungslos nachweist, wie sehr diese bereits für kriminelle Machenschaften genutzt wird.

David Baldacci: „Gefährliches Komplott“, Lübbe, 496 Seiten, ISBN 9783757700416, Preis: 23,00 Euro | Erscheint in deutscher Sprache am 28.06.2024.


Petra Nietsch über „Die Sammlerin der verlorenen Wörter“

Petra Nietsch über „Die Sammlerin der verlorenen Wörter“

Pip Williams:

Die Sammlerin der verlorenen Wörter

The Dictionary of Lost Words

Dieses Buch habe ich gekauft, weil mich der englische Titel sofort neugierig gemacht hat. Und ich habe es nicht einen Moment lang bereut, denn es ist ein fantastisches Buch.

Der Roman spielt in Oxford in der Zeit zwischen 1886 und 1928. Im Mittelpunkt steht die Erstellung des ersten Oxford English Dictionary, vergleichbar mit dem Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm.

Vor diesem historischen Hintergrund erzählt Pip Williams eine Geschichte, in der sowohl reale Personen als auch fiktive Charaktere für die Handlung eine bedeutende Rolle spielen. Alleine diese Verknüpfung von Wahrheit und Fiktion ist hervorragend gelungen.

Esme, die Protagonistin, ist die Tochter eines der Lexikografen und wächst dementsprechend mit Wörtern und ihren Bedeutungen auf. Im Laufe der Zeit muss sie jedoch erkennen, dass nicht alle Wörter einen Eintrag in das Lexikon erhalten, denn dieses wird von gebildeten Männern erstellt und Umgangssprache, mündlicher Sprachgebrauch aber auch Wörter, die insbesondere Frauen betreffen werden, werden ausgeschlossen.

„Einige Wörter sind wichtiger als andere“, sagt Esme, „aber es hat eine lange Zeit gedauert, bis ich begriffen habe warum“. Diese Tatsache nimmt sie zum Anlass, mit Frauen vor allem aus den unteren sozialen Klassen zu sprechen und deren Wörter samt Beispielsatz aufzuschreiben. Damit legt sie den Grundstein für ihr Lexikon der verlorenen Wörter.

In dieser Zeit kommt sie auch mit der vielfach radikalen Bewegung der Suffragetten in Berührung, zögert aber sich dieser anzuschließen. Doch es gibt viele Wege für die Gleichberechtigung der Frauen einzutreten und dazu gehört auch der ihre.

Ich habe diesen Roman als sehr vielschichtig empfunden, denn die Arbeit an der Erstellung des Oxford English Dictionary schafft nur den Ausgangspunkt für viele andere Themen, über die es sich lohnt nachzudenken. Mein Buch des Jahres 2023. 

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Pip Williams: „Die Sammlerin der verlorenen Wörter“,  Heyne Taschenbuch, 543 Seiten, ISBN 9783453428591, Preis: 13,00 Euro.