Petra Nietsch über „Das ferne Feuer“


Amy Waldman:

Das Ferne Feuer

Bereits nach dem Lesen des ersten Kapitels wusste ich, dass mir dieses Buch gefallen würde, und das hat es bis zum Schluss. Es ist vielschichtig und tiefgründig. Zudem führt es uns in eine andere Welt.

Parvin, eine junge amerikanische Studentin mit afghanischen Wurzeln beschließt, für ein paar Monate in ihr Heimatland zu gehen. Auslöser ist ein Buch, dass in den USA als Bestseller gilt, und in dem der Autor Gideon Crane erzählt, aus welchen Beweggründen er in einem abgelegenen Dorf in den Bergen eine Geburtsklinik hat bauen lassen.

Voller Enthusiasmus und mit großen Erwartungen vor allem den Frauen zeigen zu können, wie sie ein besseres und gesünderes Leben führen können, reist Parvin in dieses Dorf.  Mit dabei hat sie ihre Yoga-Matte, Energieriegel und Nagellack. Dort angekommen folgt sehr schnell die Ernüchterung, denn sie muss feststellen, dass Vorstellung und Wirklichkeit sehr weit auseinanderliegen.

Vieles, was in dem Buch erzählt wird, wurde geschönt und entspricht nicht den Tatsachen. Die hochmoderne Geburtsklinik wird kaum genutzt, denn lediglich einmal pro Woche kommt eine afghanische Ärztin über eine schlecht zu befahrende Straße in den Ort, um Frauen zu beraten und zu behandeln.

Obwohl Parvin Dari, eine der  Landessprachen, spricht, fühlt sie sich von den Dorfbewohnern abgelehnt und nicht dazugehörig. Im Laufe der Handlung wird zunehmend deutlich, wie monoperspektivisch jegliche Form der Hilfe ist, die Parvin oder die amerikanischen Soldaten anbieten. Einwände der Dorfbewohner werden nicht ernst genommen, denn man ist überzeugt, ihnen etwas Gutes zu tun. Diese Ignoranz führt zu einer tragischen Entwicklung.

Für mich thematisiert dieser Roman die jahrhundertalte arrogante und zugleich auch naive Vorstellung der westlichen Welt, fremden Völkern und Kulturen zu einem „besseren Leben“ verhelfen zu wollen. Dabei werden kulturelle Eigenarten ebenso missachtet wie mögliche Konsequenzen des eigenen Tuns und Handelns.

Als Parvin im Dorf ankommt, wirkt auch sie naiv und ein wenig überheblich, aber in den langen Monaten ihres Aufenthaltes lernt sie, Zusammenhänge zu verstehen, und erkennt, dass sie ihren Blick auf die Dinge ändern muss. Am Schluss stellt sie die Frage „Was wollen die?“ und meint dabei die Bevölkerung, in erster Linie aber die afghanischen Frauen.

Mir hat dieser Roman besonders deshalb gefallen, weil er Fragen aufwirft, Argumente für die Positionen beider Seiten liefert, aber mir als Leserin auch die Möglichkeit lässt, eine eigene Meinung zu bilden. Dadurch liefert er viele Diskussionsansätze, so dass er sich auch für Lesekreise anbietet.

Amy Waldman: „Das ferne Feuer“, btb Taschenbuch, 495 Seiten, ISBN 9783442772445, Preis: 14,00 Euro.

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