Petra Nietsch über „Wir finden Mörder“

Petra Nietsch über „Wir finden Mörder“

Richard Osman:

Wir finden Mörder

Der erste Roman, den ich in 2025 gelesen habe, hat gleich gute Chancen mein Buch des Jahres zu werden. In jedem Fall kommt er auf die Nominierungsliste.

Crime und Comedy passen für mich eigentlich nicht zusammen, denn meist kommt eines von beiden zu kurz, aber Richard Osman, der bereits mit „Der Donnerstagsmordclub“ zum Bestseller-Autor geworden ist, ist es meisterhaft gelungen, beides miteinander zu verknüpfen.

Beim Lesen musste ich immer wieder laut lachen, so sehr habe ich mich amüsiert. Wortspiele und Situationskomik werden von Osman punktgenau gesetzt. Die Story ist von Beginn an spannend und enthält so viele überraschende Wendungen, dass einem manchmal schon fast schwindelig wird.

Das dreiköpfige Ermittler-Team könnte kaum unterschiedlicher sein. Da ist zum einen Rosie D’Antonio, die berühmte Krimiautorin, die über 60 Millionen Bücher verkauft hat, steinreich ist und von der niemand genau weiß, wie alt sie eigentlich ist. Amy Wheeler ist dagegen jung, arbeitet als Personenschützerin, hatte offensichtlich eine schwere Kindheit und ist mit einem Mann verheiratet, der ebenfalls beruflich durch die ganze Welt reist, so dass sie sich kaum sehen.

Dritter im Bunde ist Steve Wheeler, Amy’s Schwiegervater, Witwer und Polizist im Ruhestand. Er lebt in einem kleinen Dorf in England und liebt seine tägliche Routine. Gemeinsam versuchen sie drei Morde aufzuklären, einem Geldwäscher auf die Spur zu kommen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie selber am Leben bleiben.

Alle Charaktere sind von Osman hervorragend gezeichnet. Ich hatte immer Bilder vor meinem geistigen Auge. Sie sind liebenswert, haben Ängste und Sorgen, Hoffnungen, Wünsche und Ziele, sie sind also eigentlich normale Menschen so wie Du und Ich.

Ein High-Five für diesen wundervollen Roman.

Richard Osman: „Wir finden Mörder“, List Paul Verlag, 432 Seiten, ISBN 9783471360675, Preis: 22,99 Euro.


Petra Nietsch über „In der Kälte Alaskas“

Petra Nietsch über „In der Kälte Alaskas“

Dana Stabenow:

In der Kälte Alaskas

Dieser Kriminalroman erschien im Original bereits 1992 und wurde erstmals 1996 ins Deutsche übersetzt. Nun hat ihn der Kampa-Verlag in diesem Jahr neu aufgelegt. Der zweite Teil dieser Reihe erscheint im Februar 2025.

Wer auf Schießereien, blutige Morde und wilde Verfolgungsfahrten hofft, wird enttäuscht werden. Vielmehr dient die Handlung dazu, dem Leser die Landschaft und die Kultur Alaskas näher zu bringen.

Es ist tiefster Winter und in der Wildnis Alaskas wird ein Ranger seit sechs Wochen vermisst, ebenso verschwindet der FBI-Agent, der ihn suchen soll. Kate Shugak, ehemalige Ermittlerin für die Staatsanwaltschaft in Anchorage, kennt den Nationalpark besser als jeder andere und wird gebeten, den Fall zu übernehmen.

Aber sie kennt auch ihr Volk, die Aleuten, und weiß, dass insbesondere die Älteren wie ihre Großmutter die „Outsider“, die Touristen und Geschäftsleute, ablehnen. Sie wehren sich gegen die Erschließung von Ressourcen und wollen die Natur schützen. Somit liegt diesem Kriminalfall der immer wiederkehrende Konflikt der indigenen Kulturen zugrunde, den Spagat zwischen Tradition und Moderne zu schaffen.

Der Autorin gelingt es die Natur, die Atmosphäre und die Stimmung so zu beschreiben, dass der Leser das Gefühl hat, hinter Kate Shugak auf dem Motorschlitten zu sitzen und mit ihr durch die verschneite Landschaft zu fahren.

Dana Stabenow: „In der Kälte Alaskas“, Kampa Verlag, 206 Seiten, ISBN 9783311120919, Preis: 17,90 Euro.


Petra Nietsch über „Mr. Wilder und ich“

Petra Nietsch über „Mr. Wilder und ich“

Jonathan Coe:

Mr. Wilder und ich

Cover Roman Mr. Wilder & ich

Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals ein Buch gelesen zu haben, dessen Titel und Buchumschlag so irreführend sind. Lediglich die Tatsache, dass Jonathan Coe mir als seriöser Schriftsteller bekannt war, hat mich dazu gebracht, den Klappentext zu lesen.

Um es gleich vorwegzusagen, der Roman hat mich begeistert. Mr. Wilder ist Billy Wilder, der berühmte Filmregisseur, über dessen Leben und dessen Filme wir viel erfahren. Historische und fiktive Elemente werden überzeugend miteinander verknüpft.

Die junge Griechin Calista lernt auf ihrer Reise durch die USA durch einen Zufall Billy Wilder kennen, von dem sie noch nie gehört hat und dessen Filme sie nicht gesehen hat. Ein Jahr später bietet er Calista einen Job als Dolmetscherin an, da er einen Film auf einer griechischen Insel dreht. Sie erfährt die schönen und weniger schönen Seiten des Filmgeschäfts. Eine der weiteren Drehorte ist München, wo sich Wilder unerwartet mit seiner eigenen Lebensgeschichte auseinandersetzen muss.

An dieser Stelle arbeitet Jonathan Coe mit einem überraschenden literarischen Kniff. Aus der erzählenden Handlung wird über die nächsten 60 Seiten ein Filmskript, in dem Wilder die Hauptrolle spielt. Anschließend kommt dann wieder Calista, die Ich-Erzählerin, zu Wort. Die Begegnung und die Arbeit mit Wilder prägt ihren weiteren Lebensweg und nichts anderes beinhaltet dieser Buchtitel.

Der Roman wird im nächsten Jahr unter der Regie von Stephen Frears verfilmt. Die Hauptrolle wird Christoph Waltz spielen. Alleine diese Tatsache zeigt, dass es sich lohnt, mit diesem Roman in die Welt des Films einzutauchen.

Ich habe ihn zu meinem Buch des Jahres 2024 gekürt.

Jonathan Coe: „Mr. Wilder und ich“, Folio Verlag, 276 Seiten, ISBN 9783852568331, Preis: 22,00 Euro (Taschenbuch: ISBN 9783453428690, Prei: 13,00 Euro).


Petra Nietsch über „Der Sommer zu Hause“

Petra Nietsch über „Der Sommer zu Hause“

Ann Patchett:

Der Sommer zu Hause

Tom Lake

Der Sommer zu Hause

Ann Patchett ist eine in Nordamerika sehr beliebte Autorin, deren Hörbücher u.a. von Meryl Streep und Tom Hanks gesprochen werden. Obwohl viele ihrer Bücher ins Deutsche übersetzt sind, ist sie bei uns kaum bekannt.

„Der Sommer zu Hause“ ist ihr jüngster Roman und spielt auf einer Obstplantage in Michigan während der Pandemie.

Die Kirschen sind reif, aber die Saisonarbeiter und ihre Familien, die seit Jahren bei der Ernte helfen, dürfen nicht kommen, stattdessen sind die drei Töchter Emily, Maisie und Nell, alle in den Zwanzigern, zu Hause und helfen ihren Eltern beim Pflücken der Früchte. Somit bietet sich endlich die Gelegenheit, ihre Mutter Lara zu der Episode in ihrem Leben auszufragen, von der sie bislang nur wenig wissen.

Als diese so alt war wie die jungen Frauen jetzt, verdiente sie sich ihr Geld als Theater- und Filmschauspielerin und hatte eine Liebesbeziehung mit Duke, der später Hollywood eroberte und sogar einen Oscar gewann. Es ist ihnen unverständlich, wie Lara eine möglicherweise erfolgreiche Schauspielkarriere aufgeben konnte, um einen Farmer zu heiraten.

Die Handlung spielt auf zwei sich abwechselnden Zeitebenen, was ein geschickter schriftstellerischer Schachzug ist, denn beim Leser baut sich regelmäßig Spannung auf, wie es wohl in dem jeweils anderen Erzählstrang weitergeht.

Laras Töchter glauben, sie hätten das Recht, alles über die Jugend der Mutter zu erfahren. Aber haben Kinder das wirklich?

Lara hatte den Mut, ihr Leben zu verändern, als sie in einer Sackgasse angekommen war. Diese Entscheidung hat ihr seitdem ein glückliches Leben beschert. Sie ist zufrieden, liebt ihren Mann, ihre Kinder und die Natur.

Ann Patchetts Art zu schreiben kommt ohne große sprachliche oder formale Schnörkeleien aus und ist dadurch sehr angenehm zu lesen. Unterschwellig spricht sie viele Themen an, überlässt es aber dem Leser, diese für sich zu entdecken.

In meinem Buchclub waren wir einhellig der Meinung, dass es ein wundervoller lesenswerter Roman ist. Lediglich über sein Ende gab es unterschiedliche Auffassungen.

Ann Patchett: „Der Sommer zu Hause“, Berlin Verlag, 398 Seiten, ISBN 9783827015037, Preis: 26,00 Euro.


Petra Nietsch über „So weit der Fluss und trägt“

Petra Nietsch über „So weit der Fluss und trägt“

Shelley Read:

So weit der Fluss uns trägt

Go as a River

Es hat lange gedauert, bis ich in Worte fassen konnte, was mich an diesem Roman so begeistert hat. Eine bewegende Handlung, wiedergegeben in kraftvoller Sprache und Botschaften, die zum Nachdenken anregen, zeichnen ihn aus.

Die Autorin hat viele richtige Entscheidungen getroffen. Eine davon ist, dass die Protagonistin ihre eigene Geschichte erzählt. So sind wir ganz nah dran. Wir lieben, wir leiden, und wir hoffen mit ihr.

Viktoria, von allen nur Torie gerufen, wächst auf der familieneigenen Pfirsichplantage am Gunnison River in Colorado auf. Nach dem Unfalltod ihrer Mutter muss sie sich schon in jungen Jahren um Haus und Garten kümmern und Vater, Onkel und Bruder versorgen. Niemand fragt sie, wie es ihr geht. Ihr weiteres Leben scheint vorbestimmt. Doch dann, mit siebzehn, trifft sie Will Moon, und plötzlich ist alles anders. Aber diese erste große Liebe endet tragisch. Ab jetzt muss Viktoria immer wieder Entscheidungen treffen, und jedes Mal nimmt ihr Leben eine neue Wendung.

              “Just as a single rainstorm can erode the banks and change the course of a river,
              so can a single circumstance of a girl’s life erase who she was before.” *

Dieses Zitat bezieht sich darauf, dass es manchmal nur zufälliger Begegnungen bedarf, die uns dazu bewegen, von dem Pfad abzuweichen, von dem wir glaubten, dass er für uns bestimmt war. Diese Tatsache ist ein wesentliches Element dieses Romans. Weitere Themen sind Rassismus, der Umgang des Menschen mit der Natur und wie diese unser Leben formt.

Viktoria steht im Mittelpunkt der Geschichte. Alle anderen Charaktere sind nur Randfiguren, denen sie im Laufe ihres Lebens begegnet.

Shelley Read ist eine großartige Schriftstellerin. Mit ihren Worten zeichnet sie beeindruckende Bilder. Das raue Leben und die raue Landschaft Colorados erscheinen vor dem geistigen Auge. Manche Sätze sind schon fast philosophisch, und es lohnt sich, für einen Moment über sie nachzudenken.

Wie in so vielen anderen Werken auch hat der Fluss, der bereits im Titel und auf dem Umschlag erscheint, eine symbolhafte Bedeutung, die sich durch den gesamten Roman zieht.

Shelley Read: „So weit der Fluss uns trägt“, Bertelsmann Verlag, 368 Seiten, ISBN 9783570105139, Preis: 24,00 Euro.


* So wie ein einziger Regensturm die Ufer erodieren und den Lauf eines Flusses verändern kann, so kann ein einziger Umstand im Leben eines Mädchens auslöschen, wer sie vorher war.

Petra Nietsch über “One For The Rock”

Petra Nietsch über “One For The Rock”

Kevin Major:

One For The Rock

Neufundlandkrimi

Auf der Suche nach einem Reiseführer über Neufundland, den es nicht gibt, bot mir die Website der BÜCHER-HEIMAT als Alternative dieses Buch an. „One For The Rock“ ist der erste Band einer bislang fünfteiligen Krimi-Reihe, wovon bereits drei ins Deutsche übersetzt wurden.

Laut Beschreibung erfährt der Leser viel über Land und Leute, vor deren Hintergrund sich ein Mord ereignet. Der Roman hat mich tatsächlich auf viele Orte und Sehenswürdigkeiten vorbereitet, die ich bei meinem Aufenthalt auch besucht habe. Selbst die Stelle, an der das Opfer von einer Klippe stürzt, haben wir entdecken können. Trotzdem ist das Buch nicht nur für Touristen empfehlenswert, die irgendwann einmal diese wunderschöne Gegend besuchen möchten.

Tatort Signal Hill. Foto: Nietsch

Sebastian Synard, ehemaliger Lehrer an einer High-School, ist ein sympathischer Mann, der gerne Bücher liest und regelmäßig einen Whisky-Blog schreibt. Er hat sich mit einem Outdoor-Unternehmen selbständig gemacht und bietet Touren überall auf der Insel an. Dieser erste Band spielt in St. Johns, der Hauptstadt der östlichsten Provinz Kanadas.Gleich am ersten Tag, als er die sechsköpfige Gruppe zum Signal Hill führt (ein historisch bedeutsamer Ort, da dort das erste Telegrafensignal aus Europa empfangen wurde), kommt es zu besagtem Todesfall. Von hier aus nehmen die Dinge ihren Lauf…

Sebastian Synard ist aber auch ein von seiner Frau getrenntlebender Vater, der sich liebevoll um seinen pubertierenden Sohn kümmert. Dieser wiederum wünscht sich sehnlichst einen Hund, wovon seine Mutter überhaupt nicht begeistert ist.

Das Buch ist äußerst amüsant geschrieben und voller Humor. Ich empfehle es jedem, der etwas über Neufundland erfahren möchte, und/oder sich einfach nur gerne unterhalten lässt. Eingefleischte Krimifans könnten allerdings enttäuscht werden, denn die Aufklärung des Verbrechens gerät gelegentlich ein wenig zur Nebensache.

Ich habe nach meiner Rückkehr den zweiten Band Two for the Tablelands gelesen, der mir fast noch besser gefallen hat, da ich die Charaktere bereits gut kannte. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich viele der Orte, die darin erwähnt werden, auf meiner Reise bereits kennengelernt hatte.

Der dritte Teil Three for Trinity liegt bereits auf meinem Nachttisch.

Kevin Major: „One For The Rock – Neufundlandkrimi“, 248 Seiten, ISBN 9783865328595, Preis: 18,00 Euro.


Petra Nietsch über „Das ferne Feuer“

Petra Nietsch über „Das ferne Feuer“

Amy Waldman:

Das Ferne Feuer

Bereits nach dem Lesen des ersten Kapitels wusste ich, dass mir dieses Buch gefallen würde, und das hat es bis zum Schluss. Es ist vielschichtig und tiefgründig. Zudem führt es uns in eine andere Welt.

Parvin, eine junge amerikanische Studentin mit afghanischen Wurzeln beschließt, für ein paar Monate in ihr Heimatland zu gehen. Auslöser ist ein Buch, dass in den USA als Bestseller gilt, und in dem der Autor Gideon Crane erzählt, aus welchen Beweggründen er in einem abgelegenen Dorf in den Bergen eine Geburtsklinik hat bauen lassen.

Voller Enthusiasmus und mit großen Erwartungen vor allem den Frauen zeigen zu können, wie sie ein besseres und gesünderes Leben führen können, reist Parvin in dieses Dorf.  Mit dabei hat sie ihre Yoga-Matte, Energieriegel und Nagellack. Dort angekommen folgt sehr schnell die Ernüchterung, denn sie muss feststellen, dass Vorstellung und Wirklichkeit sehr weit auseinanderliegen.

Vieles, was in dem Buch erzählt wird, wurde geschönt und entspricht nicht den Tatsachen. Die hochmoderne Geburtsklinik wird kaum genutzt, denn lediglich einmal pro Woche kommt eine afghanische Ärztin über eine schlecht zu befahrende Straße in den Ort, um Frauen zu beraten und zu behandeln.

Obwohl Parvin Dari, eine der  Landessprachen, spricht, fühlt sie sich von den Dorfbewohnern abgelehnt und nicht dazugehörig. Im Laufe der Handlung wird zunehmend deutlich, wie monoperspektivisch jegliche Form der Hilfe ist, die Parvin oder die amerikanischen Soldaten anbieten. Einwände der Dorfbewohner werden nicht ernst genommen, denn man ist überzeugt, ihnen etwas Gutes zu tun. Diese Ignoranz führt zu einer tragischen Entwicklung.

Für mich thematisiert dieser Roman die jahrhundertalte arrogante und zugleich auch naive Vorstellung der westlichen Welt, fremden Völkern und Kulturen zu einem „besseren Leben“ verhelfen zu wollen. Dabei werden kulturelle Eigenarten ebenso missachtet wie mögliche Konsequenzen des eigenen Tuns und Handelns.

Als Parvin im Dorf ankommt, wirkt auch sie naiv und ein wenig überheblich, aber in den langen Monaten ihres Aufenthaltes lernt sie, Zusammenhänge zu verstehen, und erkennt, dass sie ihren Blick auf die Dinge ändern muss. Am Schluss stellt sie die Frage „Was wollen die?“ und meint dabei die Bevölkerung, in erster Linie aber die afghanischen Frauen.

Mir hat dieser Roman besonders deshalb gefallen, weil er Fragen aufwirft, Argumente für die Positionen beider Seiten liefert, aber mir als Leserin auch die Möglichkeit lässt, eine eigene Meinung zu bilden. Dadurch liefert er viele Diskussionsansätze, so dass er sich auch für Lesekreise anbietet.

Amy Waldman: „Das ferne Feuer“, btb Taschenbuch, 495 Seiten, ISBN 9783442772445, Preis: 14,00 Euro.

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Petra Nietsch über „Was der Fluss erzählt“

Petra Nietsch über „Was der Fluss erzählt“



Diane Setterfield:

Was derFluss erzählt

Once Upon a River

Schon lange hat mich kein Buch mehr so in den Bann gezogen wie dieses. Es handelt sich um einen Roman mit märchenhaften Elementen. Immer wieder habe ich mich gefragt, ob das, was erzählt wird, auch so hätte geschehen können oder nicht. Und das macht diese Geschichte so besonders, denn trotz einer schlüssigen Handlung bewegt sie sich immer am Rande von Sage und Legende.

Dazu bei trägt auch der Schauplatz, denn bei allem, was geschieht, spielt die Themse eine Rolle, denn es gelingt Diane Setterfield die Mystik, die diesen Fluss umgibt, mit wunderbaren Worten wiederzugeben. Alles beginnt in dem ehrwürdigen Gasthaus „The Swan“, das seit Jahrhunderten dafür berühmt ist, dass sich dort die Einheimischen bei Kaminfeuer Geschichten erzählen.

Am Abend der Wintersonnenwende 1887 schleppt sich ein völlig durchnässter, schwer verletzter Mann mit einem Kind auf dem Arm in die Gaststube. Alle Anwesenden sind davon überzeugt, dass es tot ist. Wie durch ein Wunder erwacht es plötzlich wieder, bleibt aber stumm.

Wer ist dieses Kind? Woher kommt es und zu wem gehört es? Um diese Fragen spinnt sich die folgende Handlung, mit wundervollen, glaubwürdig beschriebenen Charakteren. 

Für mich war es ein besonderer Lesegenuss, denn auf meiner Themsewanderung im letzten Jahr bin ich durch all die Orte gekommen, die im Roman eine Rolle spielen. Ich habe sogar eine Rast in dem Pub „The Swan“ gemacht!

Aber auch ohne diese Erfahrung, wird jeder, der eine gute Geschichte mag und sich gerne einmal verzaubern lässt, Freude an diesem auch sprachlich gelungenem Roman Freude haben.

Diane Setterfield: „Was der Fluss erzählt“, Heyne Taschenbuch, 576 Seiten, ISBN 9783453426306, Preis: 13,00 Euro.

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Petra Nietsch über „Der Pfad“

Petra Nietsch über „Der Pfad“

Megan Miranda:

Der Pfad

(The Last To Vanish)

Auf dieses Buch bin ich durch die Kolumne von Sonja Weber gestoßen. Der Schauplatz, Cutter’s Pass , ein kleiner Ort in North Carolina und  die Tatsache, dass es sich nicht um einen klassischen Krimi handelt, haben mich angesprochen, und ich wurde nicht enttäuscht.

Es gibt keinen ermittelnden Kommissar oder Detektiv und augenscheinlich auch keinen Mord, lediglich sieben Menschen, die innerhalb der letzten fünfundzwanzig Jahre in diesem beschaulichen Ort, von dem aus Wanderer den Appalachian Trail erreichen können, verschollen sind. Niemand weiß, was mit ihnen passiert ist und ob diese unterschiedlichen Fälle in irgendeinem Zusammenhang stehen.

Und niemand in dem Dorf hat irgendein Interesse daran, der Sache auf den Grund zu gehen. Keiner außer Abby, der Ich-Erzählerin. Nachdem vor einigen Monaten Landon West, der ein Buch über die mysteriösen Vorgänge schreiben wollte, ebenfalls verschwunden ist und sein Bruder auftaucht, um Nachforschungen anzustellen, will auch sie herausfinden, was dahintersteckt.

Je genauer sie hinschaut, desto mehr unerklärliche Dinge geschehen. Die Telefonanlage im Passage Inn, wo sie arbeitet, fällt ständig aus und irgendjemand hat in ihrem Namen ein Schließfach angemietet, in dem sie Gegenstände findet, die den Vermissten gehören. Von den Einheimischen erhält sie keine Antworten, und sie muss erkennen, dass sie auch zehn Jahre nach ihrer Ankunft im Ort noch immer eine Außenseiterin ist.

Aber ist Abby glaubwürdig? Kann man ihr als Erzählerin vertrauen? Auch sie scheint ein Geheimnis zu haben.

Die Autorin hält die Spannung bis zum Schluss hoch und legt immer wieder Spuren, die mich in die Irre geführt haben.

Eine unterhaltsame Lektüre, mit ein wenig Nervenkitzel, gut erzählt. Durch die Erzählperspektive befindet sich der Leser immer mitten im Geschehen und fürchtet gelegentlich auch, dass Abby etwas zustoßen könnte.

Megan Miranda: „Der Pfad”, Penguin TB Verlag, 377 Seiten, ISBN 9783328109082, Preis: 16,00 Euro.

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Petra Nietsch über „Alte Wege“

Petra Nietsch über „Alte Wege“

Robert MacFarlane:

Alte Wege

The Old Ways

„Alte Wege ist kein Sachbuch und keine Prosa, kein Wanderführer, kein Lyrikband und keine Lebenshilfe, doch von allem etwas und vor allem ein Werk, das beim Lesen Anstöße gibt.“
Christian Mückl, Nürnberger Zeitung

Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Wenn ich dieses Buch nicht geschenkt bekommen hätte, hätte ich es vermutlich niemals gelesen, was sehr schade gewesen wäre.

Der Autor, Robert MacFarlane wandert auf alten Pfaden meist in England, Schottland, aber auch Palästina, Nepal und Spanien. Und diese erweckt er zum Leben, denn er beschreibt, wieviel Geschichte oder Geschichten in ihnen stecken.

Wer ist diesen Weg vor vielleicht 5000 Jahren gelaufen und warum? Wie haben Wind und Wetter diese möglicherweise verändert? Wie haben sie das Leben der Menschen geprägt und, und, und. Er betrachtet den Begriff „Weg“ unter ganz verschiedenen Aspekten, manchmal philosophisch, spirituell oder literarisch.

Das Buch hat sechzehn Kapitel, die inhaltlich mehr oder weniger abgeschlossen sind. Mehr als eins habe ich an einem Tag meistens nicht geschafft, denn jedes regt zum Nachdenken an.

Immer mal wieder wird es auch sehr detailliert und wissenschaftlich, worüber ich dann gerne mal hinweggelesen habe, aber an diesen Stellen kann jeder für sich selbst entscheiden, wie sehr er sich mit dem Thema auseinandersetzen möchte. Trotz dieser gelegentlichen intellektuellen Hürden, wollte ich  das Buch nie aus der Hand legen, sondern war im Gegenteil immer neugierig auf das, was als Nächstes kommt.

In jedem Fall ist das Buch gut lesbar, denn als Literaturprofessor in Cambridge ist MacFarlane mit Worten vertraut, auch zitiert er regelmäßig Schriftsteller, die mit der Natur verbunden waren. So auch Robert Frost und sein berühmtes Gedicht: „The Road Not Taken“ .

Ein Buch, aus dem verschiedenste Einzelheiten noch lange in Erinnerung bleiben werden, dass meines Erachtens ganz unterschiedliche Menschen anspricht und dass in jedem Fall nachhallt.

Robert MacFarlane: „Alte Wege”, Matthes & Seitz Verlag, 346 Seiten, ISBN 9783957572431, Preis: 38,00 Euro.

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