Petra Nietsch über „Neun Leben“

Petra Nietsch über „Neun Leben“

Peter Swanson:

Neun Leben

Nine Lives

Vermutlich der ungewöhnlichste und deshalb vielleicht beste Thriller, den ich in den letzten Jahren gelesen habe.

Neun Menschen, die in ganz unterschiedlichen Regionen der USA leben und ganz unterschiedliche Biografien haben, erhalten einen Brief ohne Absender, in dem sich eine Liste mit neun Namen befindet. Der einzige Name, den sie kennen, ist ihr eigener. Nach und nach verliert einer nach dem anderen sein Leben.

Alle Versuche, beim Lesen dem Rätsel auf die Spur zu kommen, misslingen, denn immer, wenn man glaubt, einen Hinweis gefunden zu haben, führt der Autor uns wieder in die Irre. Somit hält er die Spannung von Beginn an hoch und erst am Schluss erhalten wir die Auflösung.

Polizei und FBI ermitteln im Hintergrund, was für die Handlung aber kaum eine Rolle spielt. Vermutlich ein Grund, warum mich dieser Thriller so gefesselt hat.

Wer denkt, so eine Geschichte, nämlich „10 kleine Negerlein“ (inzwischen politisch korrekt in „Und dann gab’s keines mehr“ umbenannt) hat schon Agatha Christie geschrieben, liegt richtig, denn es werden auch immer wieder Bezüge hergestellt, aber trotzdem ist dieses Buch ganz anders.

Fazit: ein Muss für alle, die den traditionellen Krimi schätzen und die es lieben, spannend unterhalten zu werden.

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Peter Swanson: „Neun Leben“, Oktopus, 333 Seiten, ISBN 9783311300458, Preis: 18,90 Euro.


Petra Nietsch über „Kleine Dinge wie diese“

Petra Nietsch über „Kleine Dinge wie diese“

Claire Keegan:

Kleine Dinge wie diese

Small things like these

Dieser Roman der irischen Autorin Claire Keegan ist mit seinen 112 Seiten so kurz, dass er sich ohne Unterbrechung lesen lässt. Wie in einem Spielfilm taucht der Leser immer mehr in die Handlung ein und baut zunehmend eine Verbindung zu dem Protagonisten und Erzähler Bill Furlough auf.

Schauplatz ist der kleine Ort New Ross im County Wicklow. Die Geschichte spielt 1985 kurz vor Weihnachten. Zu der Zeit ging es Irland wirtschaftlich sehr schlecht, und viele Menschen lebten in großer Armut.

Wie viele andere auch arbeitet Bill Furlough hart, um seine Familie zu ernähren und seinen fünf Töchter eine angemessene Bildung zu ermöglichen. Da bleibt keine Zeit sich über das eigene Leben oder Dinge, die im Ort passieren, Gedanken zu machen. Aber dann macht Bill eine Entdeckung, die ihn nicht mehr loslässt, und er entscheidet sich als Christ zu handeln, auch auf die Gefahr hin, dass ihn dies seine Existenz und Familie kostet.

Claire Keegan hat einen beeindruckenden Schreibstil. In wenigen Worten sagt sie nicht nur sehr viel, sondern vieles nur unterschwellig, so dass der Leser immer wieder gefordert ist, zwischen den Zeilen zu lesen.

Der Roman geht unter die Haut, nicht nur weil er ein dunkles Kapitel irischer Geschichte ans Licht holt.

Das Buch war zurecht für den Booker Prize 2022 nominiert. Es hat gute Chancen, mein Lieblingsbuch 2023 zu werden.

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Claire Keegan: „Kleine Dinge wie diese“, Steidl, 112 Seiten, ISBN 9783969990650, Preis: 20,00 Euro.


Petra Nietsch über „Schicksal und Gerechtigkeit“

Petra Nietsch über „Schicksal und Gerechtigkeit“

Jeffrey Archer:

Schicksal und Gerechtigkeit

Nothing Ventured

Jeffrey Archer ist ein Vielschreiber und der einzige Schriftsteller, der die Bestsellerlisten in den Kategorien Roman, Kurzgeschichten und Sachbuch angeführt hat. Durch seine eigene Biografie hat er sich in vielen Lebensbereichen große Kenntnisse angeeignet, so dass seine Erzählungen immer sehr lebensnah wirken.

Die siebenbändige Clifton-Saga habe ich verschlungen und auch Kain und Abel haben mich begeistert. Nun bin ich durch Zufall auf die William-Warwick-Reihe gestoßen, die Archer 2019 begonnen hat. Den ersten Band habe ich in nur wenigen Tagen ausgelesen.

Warum geht es? Entgegen des Wunsches seines Vaters Sir Julian Warwick, einem einflussreichen und erfolgreichen Anwalt, sehnt sich William nach einer Laufbahn bei der Londoner Polizei. Diese durchläuft er in den aufeinander aufbauenden Bänden vom einfachen Polizisten bis hin zum Polizeipräsidenten. Dabei lässt er seine Leserinnen und Leser an seiner Arbeit auf der Straße, bei Festnahmen, im Gerichtssaal ebenso teilhaben wie an seinem Familienleben.

Jeffrey Archer sagt: „dies ist keine Kriminalgeschichte, sondern die Geschichte über einen Kriminalbeamten.“ Seine Kritiker sagen, die Geschichte sei flott erzählt, fesselnd, unterhaltsam und enthielte unerwartete Wendungen, zudem sei Archer ein großartiger Erzähler. All dem kann ich vorbehaltlos zustimmen.

Auch den zweiten Band habe ich schon so gut wie ausgelesen – fünf Bände sind bereits erschienen, vier davon ins Deutsche übersetzt.

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Jeffrey Archer: „Schicksal und Gerechtigkeit“, Heyne Taschenbuch, 460 Seiten, ISBN 9783453426610, Preis: 12,00 Euro.


Petra Nietsch über „Denen man vergibt“

Lawrence Osborne: Denen man vergibt

Lawrence Osborne:

Denen man vergibt

The Forgiven

Lawrence Osborne: Denen man vergibt

Ein wohlhabendes britisches Ehepaar ist auf dem Weg zu einer Party der Reichen und Schönen in der marokkanischen Wüste. Durch einen Streit abgelenkt und zudem angetrunken kommt es zu einem Verkehrsunfall, bei dem ein junger Einheimischer, der Fossilien an Touristen verkauft, tödlich verletzt wird.

Diese Situation nutzt der Autor als Ausgangspunkt für einen Roman, der äußerst facettenreich ist. Osborne thematisiert die Frage von Schuld ebenso wie das Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen, was zwangsläufig zu kulturellen Missverständnissen führt, und ein immer noch vorhandenes koloniales Verhalten der westlichen Zivilisation.

Durch den regelmäßigen Wechsel der Erzählperspektive schaut der Leser durch die Köpfe unterschiedlicher Charaktere auf die Ereignisse, so dass sich dieser sein eigenes Bild machen kann.

Alle diejenigen, für die sich gute Literatur auch durch ausdrucksstarke Sprache definiert, kommen in diesem Roman ganz auf ihre Kosten. Es ist ein Lesen mit allen Sinnen.

“This is a lean book that moves like a panther.” (Zitat aus der Rezension in der New York Times)

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Lawrence Osborne: „Denen man vergibt“, dtv Verlagsgesellschaft, 272 Seiten, ISBN 978-3-423-14699-9, Preis: 13,00 Euro.

Das Buch „Denen man vergibt“ hat aus dem BÜCHER-HEIMAT-Team auch Sonja Weber schon einmal besprochen.


Petra Nietsch über „Das Café am Rande der Stadt“

Petra Nietsch über „Das Café am Rande der Stadt“

John Strelecky:

Das Café am Rande der Welt

The Why Are You Here Café

Nachdem ich festgestellt hatte, wie häufig wir dieses Buch in der BÜCHER-HEIMAT verkaufen, erweckte es auch mein Interesse. Und dann fiel es mir an Weihnachten zufällig in die Hände. Und nach ca. zwei Stunden und 126 Seiten wusste ich, warum es so populär ist. Es ist ein Lebensratgeber, in dem in einer nett geschriebenen Erzählung, Fragen gestellt und so weit möglich auch beantwortet werden, mit denen sicher jeder von uns sich hoffentlich früher oder später einmal auseinandersetzt. Viele in diesem Buch enthaltenen Anregungen und Empfehlungen waren mir nicht fremd, hatte ich mich doch im Sommer 2022 auf dem Jakobsweg mit ähnlichen Fragen beschäftigt.

Dieses kleine Büchlein ist empfehlenswert, weil es amüsant geschrieben ist und auf den erhobenen Zeigefinger verzichtet.

Es ist auch als Mitbringsel gut geeignet.

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John Strelecky: „Das Café am Rande der Welt“, dtv, 128 Seiten, ISBN 9783423209694, Preis: 9,95 Euro.


Petra Nietsch über „The Rose Code“

Petra Nietsch über „The Rose Code“

Kate Quinn:

The Rose Code

Kate Quinn hält mich weiterhin in ihrem Bann.

Wer den Film „Imitation Game – ein streng geheimes Leben“ gesehen hat, wird sich an Bletchley Park erinnern, den Ort, an dem Alan Turing die mit der Enigma verschlüsselten Nachrichten der deutschen Wehrmacht decodiert hat.

Und der Ort  ist auch Hauptschauplatz dieses Romans. Drei Frauen, deren Herkunft nicht verschiedener sein kann, sind mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten daran beteiligt, Codes der Kriegsgegner zu entschlüsseln. Sie werden zu Freundinnen, aber diese Freundschaft wird durch verschiedene Ereignisse immer wieder auf die Probe gestellt, bis es schließlich zum Bruch kommt. Doch nach Kriegsende sind sie gezwungen, sich noch einmal zusammenzuraufen, denn sie müssen ein letztes Mal einen Code entschlüsseln, um einen Verräter zu enttarnen.

Auch dieser Roman verknüpft historische Fakten und Personen mit fiktiver Handlung, wobei selbst die zentralen Charaktere fast ausschließlich auf realen Persönlichkeiten basieren, so dass ich nicht nur einen spannenden Roman gelesen habe, sondern auch viele Erkenntnisse über die damalige Zeit gewonnen habe.

Leider ist dieses Buch noch nicht in deutscher Sprache erschienen, aber ich freue mich schon auf ihr neuestes Buch „The Diamond Eye“.

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Kate Quinn: „The Rose Code“ (engl.), Harper Collins Publ., 624 Seiten, ISBN 9780062943477, Preis: 18,50 Euro.


Petra Nietsch über „Der Aufstieg“

Petra Nietsch über „Der Aufstieg“

Amy McCulloch:

Der Aufstieg

Breathless

Die britische Buchhandlung Waterstones hat dieses Buch zum Thriller des Monats November gekürt und Sonja Weber hat es bereits in der Goslarschen Zeitung empfohlen.

Der Roman handelt vom Aufstieg auf den Manaslu, den mit 8163 Metern achthöchsten Berg der Erde. Dies allein wäre für jeden schon eine Herausforderung, aber die Expedition wird auch immer wieder von mysteriösen Todesfällen überschattet.

Unglück oder Mord?  Das ist die Frage, die die Journalistin Cecily Wong nicht zur Ruhe kommen lässt. Dabei will sie doch nur den Berg bezwingen, damit sie Charles Veigh, die Bergsteigerikone, interviewen kann. Denn dies war seine Bedingung, als er sie einlud, an der Expedition teilzunehmen: Exklusivinterview, aber nur beim Erreichen des Gipfels.

Der Reiz dieses Buches liegt in der Darstellung des Aufstiegs wie z.B. den extremen Wetterbedingungen, den außergewöhnlichen Leistungen der Sherpas, den körperlichen Herausforderungen, den unterschiedlichen Charakteren im Team, die Konflikte unvermeidbar machen, denn die kanadische Autorin hat 2019 den Manaslu selbst bestiegen und durch ihre Erfahrungen wirken ihre Erzählungen authentisch und glaubhaft.

Ich habe beim Lesen das Gefühl gehabt, mit auf dem Berg zu sein, habe die atemberaubenden Ausblicke ebenso genossen wie im Schneesturm erbärmlich gefroren.

Sowohl der englische Titel „Breathless“ als auch der deutsche Untertitel „In eisiger Höhe wartet der Tod“ sind gut gewählt, da mehrdeutig. Mehrfach wurde ich an das Buch von Jon Krakauer „In eisigen Höhen“ erinnert.

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Amy McCulloch: „Der Aufstieg – In eisiger Höhe wartet der Tod“, Piper Verlag, 496 Seiten, ISBN 9783492063432, Preis: 17,00 Euro.


Petra Nietsch über „Morgen gehört den Mutigen“

Petra Nietsch über „Morgen gehört den Mutigen“

Kate Quinn:

„Morgen gehört den Mutigen“

„Alice’s Network“

Wer historische Romane mag, ist bei Kate Quinn richtig aufgehoben. Sie verbindet eine fesselnde Geschichte mit gründlich recherchierten realen Ereignissen und entwickelt überzeugende Charaktere. Unterschiedliche Handlungsstränge, die aber immer verbindende Elemente enthalten, sorgen für Spannung bis zum Schluss.

In ihrem Roman „Morgen gehört den Mutigen“ ist Eve Gardiner das verbindende Glied. Sie hat im ersten Weltkrieg als Spionin für das Netzwerk Alice gearbeitet und im von der deutschen Wehrmacht besetzten Lille als Kellnerin getarnt in einem Restaurant Informationen gesammelt und weitergegeben. 1947 erklärt sie sich, wenn auch nur äußerst widerwillig, bereit, der jungen, unkonventionellen, aus gutem Hause stammenden Amerikanerin Charlie bei der Suche nach ihrer während des zweiten Weltkriegs verschollenen Cousine zu helfen. So reisen sie gemeinsam mit Eve‘s schottischem Chauffeur Finn durch Frankreich. Trotz ihrer sehr unterschiedlichen Charaktere und Biografien raufen sich die drei zusammen und verfolgen am Ende das gleiche Ziel.

Hervorragend geschrieben würdigt Kate Quinn wie in dem von mir bereits besprochenem Roman „Die unbekannte Jägerin“ den Mut und die Leistungen von Frauen in beiden Weltkriegen.

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Kate Quinn: „Morgen gehört den Mutigen“, Ullstein Taschenbuchverlag, 560 Seiten, ISBN 9783548060316, Preis: 9,99 Euro.


Petra Nietsch über „Amsterdam“

Petra Nietsch über „Amsterdam“

Ian McEwan:

Amsterdam

Ian McEwan, einer der wichtigsten zeitgenössischen britischen Schriftsteller und Autor von „Abbitte“ (verfilmt mit Keira Knightley und Benedict Cumberbatch) sowie „Lektionen“ (erschienen im September 2022), erhielt 1998 den Booker Prize für „Amsterdam“. Und das war richtig!!! Denn das Buch hat Stärken auf mehreren Ebenen.

Der Aufbau ähnelt dem des klassischen Dramas. Die Erzählperspektive wechselt zwischen den beiden Protagonisten, was durch einen sich unterscheidenden Schreibstil verdeutlicht wird. Sprache dient somit auch als Mittel der Charakterisierung.

Zentrale Themen sind Freundschaft, Doppelmoral, Verrat und Rache. Der Roman ist herausfordernd, denn wer auch immer ihn liest, muss vielfach eigene Antworten und Interpretationen finden. Aber auch das macht ein gutes Buch aus.

Und wer jetzt noch einen Anreiz braucht – wegen seiner Kürze braucht man nur wenige Stunden, um es durchzulesen.

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Ian McEwan: „Amsterdam“, Diogenes Verlag, 224 Seiten, ISBN 9783257232844, Preis: 12,00 Euro.


Petra Nietsch über „Ich wünschte, du wärst hier“

Petra Nietsch über „Ich wünschte, du wärst hier“

Jodi Picoult:

Ich wünschte, du wärst hier

I wish you were here

Diana O’Toole, Kunstexpertin bei Sotheby’s, hat seit Jahren einen genauen Plan, wie ihr Leben beruflich und privat verlaufen soll. Und dazu gehört auch, dass Finn ihr auf der anstehenden 14-tägigen Reise zu den Galapagos-Inseln einen Heiratsantrag machen wird. Aber dann kommt alles ganz anders, denn Finn ist Arzt, und wegen der sich im März 2020 auch in New York ausbreitenden Pandemie hat sein Krankenhaus eine Urlaubssperre verhängt.

Er überzeugt Diana alleine zu fliegen, aber als sie auf Isabela Island ankommt, erfährt sie, dass sie die Insel in nächster Zeit nicht mehr verlassen kann, da diese sich vollständig von der Außenwelt isoliert. Und es kommt noch schlimmer, denn es gibt auch keinen Internetempfang. Zum ersten Mal in ihrem Leben hat Diana keinen Plan und muss sich in einer ihr unbekannten Situation zurechtfinden. Sie steht vor vielfältigen Herausforderungen und das verändert sie.

Jodi Picoult hat einen Roman vorgelegt, der sich wie die zwei Seiten einer Münze liest, denn in der Mitte des Buches überrascht sie uns durch eine völlig unerwartete Wendung, die noch einmal eine besondere Spannung erzeugt. Wie in all ihren anderen Büchern auch, verknüpft sie eine fiktive Geschichte mit gesellschaftlich relevanten Themen.

Der Roman „Ich wünschte, du wärst hier“ erscheint am 23. November 2022 in deutscher Sprache. Wer die Zeit bis dahin überbrücken möchte und die Autorin Jodi Picoult noch nicht kennt, dem kann ich ihre beiden Romane „My Sister’s Keeper/ Beim Leben meiner Schwester“ und „Small Great Things/ Kleine große Schritte“ uneingeschränkt empfehlen.

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Jodi Picoult: „Ich wünschte, du wärst hier“, Bertelsmann Verlag, 416 Seiten, ISBN 9783570104163, Preis: 22,00 Euro.