Markus Weber über „Das späte Leben“

Markus Weber über „Das späte Leben“

Bernhard Schlink:

Das späte Leben

„Sein erster Gedanke war, dass er statt der Treppe den Aufzug hätte nehmen sollen, jetzt, wo ihm nicht mehr viel Zeit blieb.“ Martin kommt gerade vom Arzt, der ihm mitgeteilt hatte, dass ihm nur noch eine kurze Frist bis zum Tod bliebe. Er fragt sich, ob er sich „von jetzt an beeilen müsse“. Das ist die Ausgangssituation von Bernhard Schlinks neuem Roman.

Martin, emeritierter Jura-Professor, verheiratet mit einer deutlich jüngeren Frau und Vater eines sechsjährigen Sohnes, wird mit einer unheilbaren Krankheit konfrontiert und fragt sich, was ihm vom Leben und was danach von ihm selbst bleibt. Ausweichen geht nicht. Intensive Gespräche mit seiner Frau und der Alltag fordern ihn heraus. Auch der Sohn merkt, dass sein Vater „müdekrank“, zum Tode krank ist.

Ein langer Brief an seinen Sohn, den er ihm hinterlassen will, gerät hölzern und kopflastig, seltsam theoretisch und lebensfern. Die Erkenntnis, dass „nichts, was man schreibt, einen überdauert“, öffnet ihm Perspektiven: Bewusst die Zeit zu gestalten, den Sohn zum Kindergarten zu begleiten, ihm beim Zubettgehen vorzulesen, gemeinsam im Garten zu arbeiten. Sich am Schönen zu freuen und die gemeinsam verbleibende Zeit mit seiner Frau intensiv zu leben.

So ist die eigentliche Herausforderung das Loslassen: Vieles, was ihm zunächst wichtig erschien – alles noch in Ordnung zu bringen, seinem Sohn mehr mitgeben und hinterlassen – verliert sich schließlich. Der Roman führt vor Augen, was irgendwann jeden von uns trifft, und reizt zur Auseinandersetzung.

Bernhard Schlink: Das späte Leben. Roman, Diogenes 2023, ISBN 978-3257072716, 240 Seiten, 26,00 Euro.

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Petra Nietsch über „Neun Leben“

Petra Nietsch über „Neun Leben“

Peter Swanson:

Neun Leben

Nine Lives

Vermutlich der ungewöhnlichste und deshalb vielleicht beste Thriller, den ich in den letzten Jahren gelesen habe.

Neun Menschen, die in ganz unterschiedlichen Regionen der USA leben und ganz unterschiedliche Biografien haben, erhalten einen Brief ohne Absender, in dem sich eine Liste mit neun Namen befindet. Der einzige Name, den sie kennen, ist ihr eigener. Nach und nach verliert einer nach dem anderen sein Leben.

Alle Versuche, beim Lesen dem Rätsel auf die Spur zu kommen, misslingen, denn immer, wenn man glaubt, einen Hinweis gefunden zu haben, führt der Autor uns wieder in die Irre. Somit hält er die Spannung von Beginn an hoch und erst am Schluss erhalten wir die Auflösung.

Polizei und FBI ermitteln im Hintergrund, was für die Handlung aber kaum eine Rolle spielt. Vermutlich ein Grund, warum mich dieser Thriller so gefesselt hat.

Wer denkt, so eine Geschichte, nämlich „10 kleine Negerlein“ (inzwischen politisch korrekt in „Und dann gab’s keines mehr“ umbenannt) hat schon Agatha Christie geschrieben, liegt richtig, denn es werden auch immer wieder Bezüge hergestellt, aber trotzdem ist dieses Buch ganz anders.

Fazit: ein Muss für alle, die den traditionellen Krimi schätzen und die es lieben, spannend unterhalten zu werden.

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Peter Swanson: „Neun Leben“, Oktopus, 333 Seiten, ISBN 9783311300458, Preis: 18,90 Euro.