Markus Weber über „Blaupause“

Markus Weber über „Blaupause“

Theresia Enzensberger:

Blaupause

Voller Hoffnungen und Träume geht Luise Schilling 1921 ans Bauhaus in Weimar, um Architektin zu werden. „Ich will die Zukunft bauen und die Vergangenheit abreißen“ – so lautet ihr Lebensmotto. In Weimar begegnet sie den berühmten Künstlern, die das Bauhaus prägen: Gropius, Itten, Kandinsky, Klee. Schwärmerisch schließt sie sich der esoterisch angehauchten Studentengruppe um den Farbtheoretiker Johannes Itten an, die sich mit eigenen Regeln und Riten von anderen abgrenzen.

Doch sie merkt bald, dass sie mit ihren Vorstellungen an Grenzen stößt. Selbst am fortschrittlichen Bauhaus ist es für sie als Frau eigentlich nicht vorgesehen, die Holzwerkstatt und die Architektenklasse zu besuchen. Auch am Bauhaus herrschen die gesellschaftlichen Vorurteile gegen Frauen vor. So muss sie für ihre Vorstellungen kämpfen. Die Eltern beordern sie zurück nach Berlin. Erst nach einem Bruch mit der Familie kann Luise ihr Studium schließlich am Bauhaus in Dessau fortsetzen und das Diplom in Architektur machen.

Nicht nur die künstlerischen Ambitionen des Bauhauses und dessen Beschränkungen werden deutlich, auch grundsätzliche Fragen stellen sich: „Ein neuer Mensch, das war das Ziel. Bewegt und geprägt durch die neuen Formen, die ihm umgeben. Aber wie soll das möglich sein, wenn diese Formen doch immer nur von alten Menschen mit all ihren Fehlern und Mängeln geschaffen werden können?“ Das Zusammenleben der Studierenden ist zudem beeinflusst durch die Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik und die Skepsis der Gesellschaft gegen die Moderne: Freigeister, Kommunisten und Nationalsozialisten treffen aufeinander.

So ist Theresia Enzensberger mit ihrem Debut ein toller Roman gelungen, der nicht nur das Bauhaus in all seiner Vielschichtigkeit und die Leichtigkeit studentischen Lebens zeigt, sondern auch die politisch-gesellschaftliche Atmosphäre der Weimarer Republik mit ihren Widersprüchen lebendig werden lässt.

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Theresia Enzensberger, Blaupause. Roman, dtv Verlagsgesellschaft 2019, 256 Seiten, ISBN 978-3423146715, Preis: 12,00 Euro.

Eine kleine Zugabe für Bad Harzburger: Auf dem Cover-Foto aus dem Jahr 1927, das für das Buch koloriert wurde, ist in der oberen Reihe links Georg Gross, Bruder des Harzburger Textilhändlers Felix Gross, zu sehen, der am Bauhaus studierte und sich nach seiner Auswanderung nach Palästina Schlomo Ben-David nannte. Ein ausführlicher Text zur Familiengeschichte findet sich im Uhlenklippen-Spiegel Nr. 137 / Mai – August 2023.

Lena Scholz über „Hotel Magnifique“

Lena Scholz über „Hotel Magnifique“

Emily J. Taylor:

Hotel Magnifique – Eine magische Reise

Eine Reise zu den schönsten Orten der Welt. Hört sich für Jani an wie in einem Traum. Das Hotel Magnifique taucht plötzlich in ihrer Stadt auf. Jeder hat schon einmal davon gehört. Es reist nachts mit seinen Gästen an die unterschiedlichsten Orte über den Globus. Dabei wird getanzt, gefeiert, jede Suite hat ihr eigenes Motto und überall lauert die Fantasie des Hotelchefs, der dieses Hotel verzaubert hat und dessen Magie jeden verschlingt.

Jani ergreift ihre Chance aus ihrem harten Alltag als Gerberin zu entfliehen, mit dem sie sich und ihre Schwester ernährt. Sie schmuggeln sich in das Hotel mit einem falschen Angestellten-Vertrag, doch schon bald merkt Jani, dass der Schein trügt.

Der schillernde Schein soll die Gäste davon abhalten hinter die Fassade zu blicken, hinter der die Dunkelheit lauert. Jani entdeckt längst verborgene und verloren geglaubte Hoffnungen und Geheimmisse, bis plötzlich ihre Schwester in Gefahr ist und Jani sich entscheiden muss. Will sie ihre Schwester retten oder das Hotel mit all den Gästen und Angestellten, die sie liebgewonnen hat und dessen verborgene Hoffnungen ihr Herz erfüllen?

Emily J. Taylor erschafft mit diesem Buch eine einzigartige Welt, die ich so noch nie in Büchern erlebt habe. Es ist etwas ganz Neues und wird jeden Leser verzaubern!

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Emily J. Taylor: Hotel Magnifique – Eine magische Reise, Heyne Verlag, 512 Seiten, ISBN 9783453321960, Preis: 22,00 Euro.


Petra Nietsch über „Demon Copperhead“

Petra Nietsch über „Demon Copperhead“

Barbara Kingsolver:

Demon Copperhead

Sprache: Englisch. Die deutsche Übersetzung erscheint im Frühjahr 2024 bei dtv.

Dieses Buch hat den Frauenpreis für Belletristik  2023 (Women’s Prize for Fiction) und während ich den Roman bereits las, auch den diesjährigen Pulitzer-Preis für Literatur gewonnen.

Barbara Kingsolver überträgt die Geschichte von David Copperfield in die Appalachen Ende des 20. Jahrhunderts. Alle im Roman von Charles Dickens für die Handlung relevanten Charaktere tauchen auf und sind an ihren nur leicht veränderten Namen gut wiederzuerkennen. Und auch die Thematik ist gleich, denn es geht um soziale Gerechtigkeit.

Demon, Protagonist und Erzähler, wird in eine Welt geboren, die von Armut, Drogen- bzw. Medikamentenmissbrauch geprägt ist. Schon früh lernt er, dass er für sich alleine die Verantwortung übernehmen muss, denn niemand bleibt lange genug in seinem Leben, als dass er sich auf irgendjemanden verlassen kann. Und nicht nur das, er fühlt sich auch für alle Menschen verantwortlich, die ihm nahestehen.

Nicht alle Entscheidungen, die er trifft, sind richtig, so gleicht sein Leben einer Achterbahn, denn es geht ständig bergauf und bergab. Auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit erlebt er immer wieder Rückschläge. „Ich habe nichts getan, um Glück zu verdienen und ich weiß, wie Menschen sind. Früher oder später wenden sie sich von dir ab“, sagt er an einer Stelle. Aber für den Leser wird immer wieder deutlich, dass er nicht nur ein Kämpfer ist, sondern auch sehr talentiert und intelligent, denn er erkennt u.a. die Faktoren, warum eigentlich niemand der Armut, dem Drogenmissbrauch und der Kriminalität entkommen kann.

Durch die Perspektive des erzählenden Demon entsteht ein Eindruck von dem Leben, das die Menschen in den Appalachen auch heute noch führen. Aber Demon hat auch Humor und trotz einer oftmals düsteren Stimmung, musste ich auch immer wieder schmunzeln, über seine Art Dinge zu erzählen.

Barbara Kingsolver hat eine Sprache gewählt, die mich sehr an den Stil von Charles Dickens erinnert hat.

Dieser Roman ist alleine wegen des literarischen Kniffs David Copperfield zu Demon Copperhead zu machen und dessen Geschichte in das ländliche Amerika zu transportieren, zu empfehlen,  trägt aber auch dazu bei, zumindest in Teilen zu verstehen, mit welchen Problemen die USA auf Grund ihrer geografischen und sozialen Diversität konfrontiert sind.

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Barbara Kingsolver: „Demon Copperhead“, Faber and Faber Ltd., 548 Seiten, ISBN 9780571376483, Preis: 12,50 Euro.


Bettina Luis über „Stay away from Gretchen“

Bettina Luis über „Stay away from Gretchen“

Susanne Abel:

Stay away from Gretchen – eine unmögliche Liebe

Dieser spannende und irgendwie leider auch aktuelle Roman hat mich beschämt zurückgelassen!

Tom, ein gefragter, perfekt aufgestellter und erfolgreicher Fernsehjournalist und Nachrichtensprecher arbeitet viel, zu viel. Er hat keine Zeit für ernsthafte Beziehungen, fordert von seinen MitarbeiterInnen absolute Ergebenheit, und Loyalität. Alles steht im Zeichen der persönlichen Karriere, er liebt den Stress internationaler Recherchen, die ihm viel Anerkennung bringen. Toms Mutter GRETA ist eine  verwitwete Seniorin, die ihre Sohn nur noch im täglichen Fernsehen begleitet, ihn dort bewundert, sich mehr Nähe wünscht, dies aber niemals offen aussprechen würde. GRETA/Gretchen wirkt nach außen sehr taff, eloquent und selbstständig. Sie hat es scheinbar nach allen Kriegswirren geschafft, ist beruflich und sozial aufgestiegen, hat eine vorteilhafte Ehe geschlossen und eben diesen wunderbaren TOM, ihren Sohn. TOM weiß und spürte wohl immer, dass seine Mutter emotional unerreichbar schien, sich depressiv verschlossen hielt. Lange und häufige Klinikaufenthalte der Mutter sind die Folge. Dass Kriegstraumata hierfür verantwortlich sein könnten, erscheinen ihm der nachvollziehbare Grund. Nie aber wurde gesprochen, nie wurden Details bekannt.

Dann erkrankt GRETA an Alzheimer Demenz und die Vergangenheit bricht auf. „Sie hat vergessen, dass sie vergessen wollte“, sagt TOM. Zunächst ist er extrem genervt und sieht sich außer Stande GRETA und Job zu vereinbaren. Dann wächst sein Interesse an der eigenen Familiengeschichte zunehmend und als er erfährt, dass er eine farbige Halbschwester hat, erwacht seine Neugier und er beginnt professionell zu recherchieren. Gretas Lebensgeschichte und Toms Gegenwart bewegen sich im Roman heilsam aufeinander zu.

 Am Ende berührt eines in diesem Roman zutiefst: Es gibt sie, die wirkliche, tiefe und „grenzenlose“ Liebe!! Die emotional ehrliche Liebe und Treue, zwischen Liebespaaren, zwischen Generationen, die mutige Liebe von Eltern zu ihren Kindern. Liebe ist langmütig, sie besteht und übersteht viele Krisen, Liebe ist aber auch verletzlich. Wird sie aggressiv zerstört, verstummen Menschen und verdrängen –  vergessen um zu überleben.

Darum bin ich beschämt: Ich gehöre einer durchaus interessierten Nachkriegsgeneration an und der Begriff der TRANSGENERATIONALEN WEITERGABE VON TRAUMATA im Zusammenhang mit den zumeist sprachlosen Kriegs- und Fluchterlebnissen auch meiner Eltern ist mir nicht fremd. Aber welches Leid in der Nachkriegszeit auch noch den farbigen afroamerikanischen GIs im eigenen Land und in dem fremden Besatzungsland (hier Deutschland) zugemutet wurde… welche Dramen sich innerhalb von Beziehungswirklichkeiten abspielten, wenn ihre verbotene Liebe zu weißen deutschen „Gretchens“  lebendige Folgen hatte und welches Leben diese BROWN BABIES erwartete … Ich hatte dies in d e r dramatischen Dimension bisher nicht wirklich als Thema im Blick.

Eben diese Unwissenheit beschämt mich heute, denn die Dramen spielten sich natürlich auch im Umfeld meiner Kindheit ab … Rassismus und Diskriminierung von „Fremden“, Verleumdung, Unterstellung Verachtung von Menschenrechten in  furchtbarsten Sanktionen, sowie staatlich legitimierter Adoptionshandel („Deportation“!) von dunkelhäutigen Kindern in das „Land ihrer Vorfahren“, das ihnen scheinbar die Integration „unter Gleichen“ erleichtern sollte…?! Ungerechtfertigte Entziehung von Sorgerecht, Zwangstrennungen, Sprengung intakter Familiensysteme, weil diese Menschen nicht ins Bild von der heilen Familie der 50/60er Jahre passten. Grausamkeiten, die den ohnehin schon von Krieg, Flucht und Ausgrenzung gezeichneten Opfern ein weiteres Trauma zumuteten.

Unerträgliche Zumutung auch für mich als Leserin? Ja und Nein, denn Susanne Abels Roman liest sich wie die literarische Verfilmung einer Familiensaga, die fasziniert und dank der exzellenten Recherche – bei aller Fiktion – wahre Fakten über die jeweiligen politisch und sozial relevanten historischen Ereignisse liefert. Und so bekomme ich als Leserin der ersten Nachkriegsgeneration immer wieder neue Einsichten in vergleichbare Familiengeschichten. Warum waren die Eltern so, wie sie waren, warum bin ich die, die ich bin… Und es bleibt viel Bewunderung ob der Stärke und Kraft, mit der unsere (Groß)Elterngeneration so viele Beschädigungen aber auch meisterten. Danke, Susanne Abel!

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Susanne Abel: „STAY AWAY FROM GRETCHEN, eine unmögliche Liebe“, dtv 2023, 544 Seiten, ISBN 9783423220149, Preis: 13,00 Euro.


Markus Weber über „Das Schloss der Schriftsteller“

Markus Weber über „Das Schloss der Schriftsteller“

Uwe Neumahr:

Das Schloss der Schriftsteller

Von November 1945 bis Oktober 1946 fand in Nürnberg gegen führende Repräsentanten des NS-Staates der Hauptkriegsverbrecherprozess statt. Die drei Siegermächte USA, Sowjetunion und Großbritannien wollten gemeinsam mit Frankreich diejenigen öffentlich anklagen und zur Verantwortung ziehen, die für den Weltkrieg und Verbrechen gegen die Menschheit verantwortlich waren.

Dieser Prozess wird aus einer interessanten Perspektive betrachtet, nämlich aus derjenigen der Journalisten, Reporterinnen und Schriftsteller, die hier zusammengekommen waren, um zu berichten. Untergebracht waren sie im Schloss der Schreibwarenfabrikanten Faber-Castell, das als „Press Center“ eingerichtet war. So kam hier eine illustre Schar auch international bekannter Persönlichkeiten zusammen – u.a. von Erika Mann über Erich Kästner, Alfred Döblin, John Don Passos, Martha Gelhorn bis hin zu Willy Brandt und Markus Wolf. Sehr einfühlsam ist der Wahrnehmung dieser Persönlichkeiten jeweils ein Kapitel gewidmet, wobei jeweils unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden.

So kommt ein sehr vielfältiges Bild zustande, das nicht nur von den jeweiligen politischen Standorten, sondern auch den nationalen Haltungen und Vorgaben geprägt ist. Man bekommt einen Eindruck von den beginnenden Spannungen zwischen den Siegermächten und dem Kalten Krieg.

Leider kommt die sowjetische Sicht nur recht kurz zum Tragen. Dennoch wird nicht nur der Prozess in aller widersprüchlichen Bewertung beleuchtet, sondern auch die Persönlichkeiten der Angeklagten – von Faszination bis Abscheu.

Und das Buch bietet ebenso einen Blick auf das zerstörte Nürnberg und auf Nachkriegsdeutschland. Die Kontroversen sind eindrücklich aufgezeigt, beispielhaft an den Geschwistern Mann: Während Erika nach der Exilszeit den Deutschen unversöhnlich gegenübersteht, setzt sich ihr Bruder Golo in den 80er Jahren für die Freilassung von Rudolf Hess, dem Stellvertreter Adolf Hitlers, ein.

Ein sehr lesenswertes Buch!

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Uwe Neumahr: Das Schloss der Schriftsteller. Nürnberg ’46. Treffen am Abgrund, Verlag C.H. Beck 2023, 304 Seiten, ISBN 9783406791451, Preis: 26,00 Euro.

Rebecca Spaunhorst über „A Good Girl’s Guide to Murder“

Rebecca Spaunhorst über „A Good Girl’s Guide to Murder“

Holly Jackson:

A Good Girl’s Guide to Murder

(Dreiteilige Reihe)

Fans von „Pretty Little Liars“ aufgepasst, hier kommt etwas Gutes! Die Serie rund um Pippa Fitz-Amobi und ihre Kleinstadt Little Kilton, fesselt in jedem Band. Die Charaktere bekommen dabei von Seite zu Seite und von Band zu Band mehr Tiefgang und man gerät schnell tief in den Sog der Detektivarbeit. Ich kann ihn in Band zwei förmlich hören, den True-Crime-Podcast!

Pippa verliert sich, findet sich, findet Mörder:innen, Entführer:innen, Lügner:innen.

Frei nach dem Motto „One of us is lying“, geht es hier richtig rund.

Das perfekte Buch, um sich darin zu verlieren. Wenn ihr also auf der Suche seid nach etwas, dass euch denken lässt „nur noch eine Seite. Okay, aber das ist wirklich die Letzte. Okay, aber diese jetzt WIRKLICH!“, nur um am Ende doch die halbe Nacht zu lesen, dann seid ihr hier richtig.

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Holly Jackson: “A Good Girl’s Guide to Murder”, One, 480 Seiten, ISBN 9783846601594, Preis: 14,00 Euro.

Holly Jackson: “Good Girl, Bad Blood”, One, 448 Seiten, ISBN 9783846601600, Preis: 14,00 Euro.

Holly Jackson: “As Good as Dead”, One, 512 Seiten, ISBN 9783846601730, Preis: 14,00 Euro.


Rebecca Spaunhorst über „Vergissmeinnicht – Was man bei Licht nicht sehen kann“

Rebecca Spaunhorst über „Vergissmeinnicht – Was man bei Licht nicht sehen kann“

Kerstin Gier:

Vergissmeinnicht – Was man bei Licht nicht sehen kann

Kerstin Gier schreibt meiner Meinung nach moderne Märchen. Sie erschafft fantastische Welten zum Träumen, Mitfiebern und Schmachten. Trotzdem haben wir hier keine klassische romantische Geschichte – zum Glück. Es geht um Magie, um erwachsen werden, Abgrenzung und um Freundschaft. Matilda und Quinn nehmen die Leser:innen mit auf eine Reise durch eine andere Welt, direkt neben unserer.

Die Geschichte liest sich sehr simpel. Es ist einfach zu folgen und der Schreibstil ist ganz klassisch Kerstin Gier. Ich freue mich so auf den zweiten Band und kann euch diese Geschichte für den Sommer nur ans Herz legen.

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Kerstin Gier: „Vergissmeinnicht – Was man bei Licht nicht sehen kann“, Verlag S. Fischer, 478 Seiten, ISBN 9783949465000, Preis: 20,00 Euro.


Bettina Luis über „Eine Frage der Chemie“

Bettina Luis über „Eine Frage der Chemie“

Bonnie Garmus:

Eine Frage der Chemie

Frühjahr 1956 – Elizabeth Zott ist eine ausnehmend vielversprechende begabte Chemikerin in einem wissenschaftlichen Institut in Südkalifornien. Elizabeth „brennt“ für die Chemie, ihre Leidenschaft für die Erforschung der CHEMISCHEN EVOLUTIONSTHEORIE (ABIOGENESE) zeigt bemerkenswerte Erfolge. Intelligente starke und zielstrebige Frauen aber erkennt die Männerwelt der damaligen Nachkriegszeit nicht an. So wird Elizabeth in ihrem Tun nicht nur öffentlich degradiert, beleidigt und verachtet, ihre Vorgesetzten, alles Männer, eignen sich wie selbstverständlich ihre Forschungsergebnisse im Sinne der eigenen Karriere an und schrecken angesichts ihres „frechen unverschämten“ Widerstandes auch nicht vor sexuellen Übergriffigkeiten bis hin zur Vergewaltigung zurück, um sie „eindringlich“ ihres Platzes zu verweisen- und der ist maximal im dienenden Bereich eines Sekretariats oder Labors, bestenfalls aber zu Hause am Herd zu besetzen.

Sie trifft den Chemiker Calvin Evans, nominierter Nobelpreisträger und so ganz „anders“ – eben wie sie selbst. Eine vertraute und tiefe – in ihrem Verständnis – „kovalente“ Bindung/Beziehung entsteht: Eine wirklich befreiende Liebe, auf Augenhöhe, im Privaten wie in der Zusammenarbeit lebendig, erfolgreich und gleichberechtigt. Für zu kurze Zeit.

Calvin stirbt durch einen Unfall, Elizabeth ist unehelich schwanger, wird fristlos gekündigt. Mit Hilfe einer Vertrauten erzieht sie ihre Tochter Mad allein und nach ihren Maßstäben einer emanzipierten Mutter – d.h. auch ihr Erziehungsstil ist provokant und unehrenhaft zur damaligen Zeit, was auch die kleine Tochter früh zu spüren bekommt.

Nach weiteren beruflichen Demütigungen als Wissenschaftlerin – in tiefer Sehnsucht trauernd nach der verlorenen Liebe – übernimmt Elizabeth schließlich die Moderation einer täglichen Kochshow in den Anfängen der damals gern „weichspülenden“ Fernsehprogramme. Hier verbindet sich ihr progressives Frauenbild explosiv mit dem gängigen Klischee der frühen 60er, wonach Frauen als minder intelligent gesehen werden, abhängig vom zumeist autoritären „Ernährer“ bleiben sollen und selbstlos die eigenen Interessen zugunsten d e r  „heilen Familie“ zurückzustecken haben.

Elizabeth stört, rüttelt auf, klärt auf, bildet ihr Publikum fort, weckt Interesse nicht nur für Naturwissenschaften und allgemeine Zeitfragen… sie „kocht und brennt “ tatsächlich – innerlich wie äußerlich für die Chancengleichheit von Frauen.

Sie lässt sich auch hier nicht in Rollenklischees drängen, wird wieder „bestraft“, d.h. verachtet, diskreditiert, erlebt sexuelle Bedrohung und Machtmissbrauch – diesmal in der Medienwelt.

Aber sie wird sehr berühmt – und bleibt sich auch jetzt doch immer treu.

So passieren märchenhafte Veränderungen in ihrem Leben, die unerwartete neue Entwicklungen, Entdeckungen, Bewegungen mit sich bringen. „Wahlverwandtschaften“ formen das andere, neue Familienbild. Daran beteiligt sind nicht nur die kluge Mad und andere „aufgeweckte Frauen“, auch einige Männer zeigen sich mutig genug, ihr eigenes Männerbild zu überdenken. Und selbst ein Hund findet menschliche Sprache, beginnt mitzudenken.

Dieser lesenswerte aktuelle Debütroman von BONNIE GARMUS ist bittersüße Lektüre – denn VORSICHT: Wer glaubt, Elizabeth sei ja eine wunderbar vorbildhafte erwachsene Pippi Langstrumpf, deren märchenhafte Stärke, Mut und Kampfbereitschaft man für ein paar nette Lesestunden ganz sorglos (weil längst „abgearbeitet“) genießen dürfe … den belehrt das Leben von Frauen im Hier und Jetzt bekanntermaßen gnadenlos:

März 2023 – PLAN INTERNATIONAL befragt jeweils 1000 Männer und Frauen zwischen 18 und 35 Jahren zum Thema MÄNNLICHKEIT. Ein Ergebnis: 34% geben an, gegenüber Frauen „schon mal handgreiflich zu werden, um ihnen Respekt einzuflößen“. Mehr als 50% der Männer sehen sich als „Ernährer“ der Familie – die Frau soll sich – bitteschön – lieber um Haushalt und Kinder kümmern …!

Und da schwelt leider ja noch viel mehr an biochemischen Reaktionen…

Erinnerungen an die Zukunft!? Bittersüß!

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Bonnie Garmus: Eine Frage der Chemie, Piper Verlag GmbH, 464 Seiten, ISBN 9783492071093, Preis 24,00 Euro.

Eine Zweitmeinung zu Bonnie Garmus Bestseller ist gefragt? Auch Petra Nietsch hat das Buch in den BÜCHER-HEIMAT-Lesetipps besprochen.


Lena Scholz über „Was wir dachten, was wir taten“

Lena Scholz über „Was wir dachten, was wir taten“

Lea-Lina Oppermann:

Was wir dachten, was wir taten

Es ist ein ganz normaler Schultag, als die Durchsage kommt, dass ein Amokläufer durch das Schulgebäude läuft und an Türen klopft.

Die Klasse von Herrn Filler, Mark und Fiona schreibt gerade eine Mathe-Arbeit, bis es an ihrer Tür klopft. Mark, der direkt an der Tür sitzt, hört, dass ein kleines Mädchen Schutz in einem der Klassenräume sucht, weil sie auf der Toilette war, als die Durchsage kam. Sie wird reingelassen, doch sie ist in der Gewalt von dem Amokläufer.

Damit beginnen 146 Minuten, in denen alle den Spielchen des Fremden folgen, um nicht zu sterben. Es sind perfide Aufgaben, doch sie offenbaren auch, wie sehr wir leben wollen, wenn uns aufgezeigt wird, dass wir nur ein Leben haben.

Mir hat dieses Buch persönlich vor Augen geführt, was es für eine Situation ist, in die man dort gerät. Wie banal und einfach die Motive sind, mit denen man versucht, Gründe zu finden und Schuld zu suchen. Jedoch ist es genau diese Banalität des Motivs, dass so eine Tat so unglaubwürdig und erschreckend macht.

Ein faszinierendes Buch, das mir die Augen geöffnet hat.

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Lea-Lina Opperman: „Was wir dachten, was wir taten“, Beltzt GmbH, 179 Seiten, ISBN 9783407749635, Preis: 7,95 Euro.


Rebecca Spaunhorst über „Black Bird Academy“

Rebecca Spaunhorst über „Black Bird Academy“

Stella Tack:

Black Bird Academy – Töte die Dunkelheit

Ein ansteckender Tik Tok-Trend.

Die Black Bird Academy ist ein dunkler Ort. Wenn man Leaf Young fragt. Wenn man Falco fragt, ist sie ein Ort zum Leben und Trainieren. Denn Falco ist ein ausgebildeter Exorzist und lebt mit anderen Exorzisten in der Academy. Leaf, gerät mehr oder weniger unerwartet in seine Welt – an die sie vorher kein bisschen geglaubt hat. Aber plötzlich, ist sie mittendrin. Besser gesagt, ein Teil dieser Welt ist in ihr drin.

Ein fantastisches Abenteuer, bei dem ich am Ende froh war, dass ich den anfänglichen Antagonisten die ganze Zeit mochte. Tack schreibt ein sarkastisches Wortgefecht nach dem anderen.

Teil 2 kann ich kaum erwarten!

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Stella Tack: “Black Bird Academy – Töte die Dunkelheit“, Penhaligon, 607 Seiten, ISBN 9783764532826, Preis: 16,00 Euro.