Markus Weber über das Buch „Lotte Lenya und Bertolt Brecht“

Markus Weber über das Buch „Lotte Lenya und Bertolt Brecht“

Jürgen Hillesheim:

Lotte Lenya und Bertolt Brecht

Der Leiter der Brecht-Forschungsstelle in Augsburg, Jürgen Hillesheim, hat eine interessante und gut lesbare Doppelbiografie zweier einzigartiger Persönlichkeiten des Kulturlebens im 20. Jahrhundert vorgelegt. Der Autor verfolgt deren Lebensweg von ihrer Kindheit in Wien bzw. Augsburg bis zu ihrem Tod. Immer wieder begegnen sich beide im Laufe ihres Künstlerlebens, das einerseits von Konkurrenz geprägt ist, doch andererseits ist der Erfolg beider voneinander abhängig: „Nichts repräsentiert … die ‚Goldenen Zwanziger Jahre‘ besser und eindringlicher als diese Zusammenarbeit; trotz aller Bitterkeit, die sie von Anfang an bestimmte,“ schreibt Hillesheim resümierend.

Wir lernen beide in ihren privaten Umfeldern in einer Zeit des Wandels kennen, teils – wie bei Lotte Lenya – geprägt durch Armut und Gewalt in der Kindheit. Auch zahlreiche Liebschaften beider durchziehen deren Biografien. Und wir können das Leben über den Erfolg in der Weimarer Republik, die schwierigen und bedrohlichen Zeiten des Exils während der nationalsozialistischen Diktatur bis in die Nachkriegszeit verfolgen: Lotte Lenya, die sich für ein Leben in den USA entscheidet und Erfolge feiert, und Bert Brecht, der in der DDR sein eigenes Theater aufbauen kann. Gleichzeitig begegnen wir vielen weiteren bedeutenden Persönlichkeiten, die das Leben der beiden gekreuzt haben.

Die Widersprüchlichkeit der Protagonisten wird keineswegs ausgespart. So ließ die SED am Grab von Bert Brecht, der trotz seines zeitweise opportunistischen Verhaltens gegenüber der Politik zeitlebens seine pazifistische Grundhaltung bewahrt hat, Soldaten der Nationalen Volksarmee Spalier stehen – wie immer Brecht darüber gedacht hätte.

Wer spannende Entwicklungen im Kulturleben des 20. Jahrhunderts erlesen möchte, kann mit Gewinn zu diesem Buch greifen.

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Jürgen Hillesheim: „Lotte Lenya und Bertolt Brecht. Das wilde Leben zweier Aufsteiger“, Verlag: wbg Theiss 2022, ISBN 978-3806245356, 304 Seiten, Preis: 25,00 Euro.

Hans Georg Ruhe über „Kummer aller Art“

Hans Georg Ruhe über „Kummer aller Art“

Mariana Leky:

Kummer aller Art

Die Bestsellerautorin („Was man von hier aus sehen kann“) hat ihre literarischen Kolumnen, die zuerst in „Psychologie heute“ erschienen sind, überarbeitet und gesammelt veröffentlicht. Leky beschäftigt sich mit dem Alltag, mit den kleinen und großen Macken, dem scheinbar Nebensächlichen. Man merkt den kurzen Geschichten an, in welchem Umfeld sie zunächst erschienen sind: Psychos kommen auf ihre Kosten. Zwangshandlungen, Alltagsneurosen, soziale Defizite und liebenswerte Kummereien werden mit leichter Hand und viel Humor selbstironisch erzählt. Flach bleibt es selten. Meistens spielen die tatsächlichen oder fiktiven Nachbarn eine Rolle: Frau Wiese, Herr Schnepp oder der unsägliche namenlose Untermieter.

„Kummer aller Art“ ist ideal für den Nachttisch: Nach jeweils zweieinhalb Seiten wird man mit einem Lächeln einschlafen oder ratlos wachliegen, weil man sich ertappt fühlte.

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Mariana Leky: „Kummer aller Art“, Dumont Buchverlag, 170 Seiten, ISBN 9783832182168, Preis: 22,00 Euro.


Petra Nietsch über „Das Café am Rande der Stadt“

Petra Nietsch über „Das Café am Rande der Stadt“

John Strelecky:

Das Café am Rande der Welt

The Why Are You Here Café

Nachdem ich festgestellt hatte, wie häufig wir dieses Buch in der BÜCHER-HEIMAT verkaufen, erweckte es auch mein Interesse. Und dann fiel es mir an Weihnachten zufällig in die Hände. Und nach ca. zwei Stunden und 126 Seiten wusste ich, warum es so populär ist. Es ist ein Lebensratgeber, in dem in einer nett geschriebenen Erzählung, Fragen gestellt und so weit möglich auch beantwortet werden, mit denen sicher jeder von uns sich hoffentlich früher oder später einmal auseinandersetzt. Viele in diesem Buch enthaltenen Anregungen und Empfehlungen waren mir nicht fremd, hatte ich mich doch im Sommer 2022 auf dem Jakobsweg mit ähnlichen Fragen beschäftigt.

Dieses kleine Büchlein ist empfehlenswert, weil es amüsant geschrieben ist und auf den erhobenen Zeigefinger verzichtet.

Es ist auch als Mitbringsel gut geeignet.

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John Strelecky: „Das Café am Rande der Welt“, dtv, 128 Seiten, ISBN 9783423209694, Preis: 9,95 Euro.


Hans Georg Ruhe über „Die Flamme der Freiheit“

Hans Georg Ruhe über „Die Flamme der Freiheit“

Jörg Bong:

Die Flamme der Freiheit

1848 wird in Frankreich zum dritten Mal gegen den Feudalismus revoltiert und endlich springt der Funke auch auf Deutschland über. Deutschland ist zu diesem Zeitpunkt ein Flickenteppich vieler Fürstentümer, voller Kleinstaaterei, zerschnitten von Zollgrenzen. Der „Deutsche Bund“ signalisiert Nationales, sichert aber nur die reaktionäre Macht des Adels.

Jörg Bong, langjähriger Verleger des S. Fischer Verlages, hat den ersten, fulminanten Band der „deutschen Revolution 1848/49“ vorgelegt. Sprachmächtig beschreibt er die Auflehnung des Bürgertums, der Bauern- und Arbeiterschaft vor allem im südwestlichen Deutschland. Er zeigt die frühe Spaltung der Bewegung, die Hinterhältigkeit der Fürsten, die Gnadenlosigkeit Preußens und die Unfähigkeit zur Einheit.

Bong erzählt wie ein Reporter – als habe er mit Mikrofon und Kamera dokumentieren können. Und er erzählt sorgfältig. Präzise schildert er z.B. die Rollen herausragender Frauen – die von Emma Herwegh oder Amalie Struve.

Der erste der drei geplanten Bände endet mit dem Frankfurter „Vorparlament“. Die beiden Folgebände erscheinen Herbst 2023 bzw. 2024.

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Jörg Bong: „Die Flamme der Freiheit – Die deutsche Revolution 1848/1849“, Kiepenheuer & Witsch, 553 Seiten, ISBN 9783462003130, Preis: 29,90 Euro.


Markus Weber über „Klassenfoto mit Massenmörder“

Markus Weber über „Klassenfoto mit Massenmörder“

Jürgen Gückel:

Klassenfoto mit Massenmörder

Der Journalist Jürgen Gückel hat ein in mehrfacher Hinsicht beeindruckendes Buch vorgelegt. Ausgangspunkt des Buches ist ein Klassenfoto seiner ersten Volksschulklasse in Steterdorf bei Peine mit dem Lehrer Artur Wilke, dessen wahre Identität sich erst später herausstellen sollte.

Da Gückel bei der Beschäftigung mit seinem Lehrer merkt, dass weder den eigenen Erinnerungen noch den Erzählungen im Dorf zu trauen ist, beginnt er eine außergewöhnlich akribische Spurensuche in Archiven, so durchforscht Gückel u.a. zehntausende Seiten Gerichtsakten, um Artur Wilke auf die Spur zu kommen. Geschickt verbindet der Autor die verschiedenen zeitlichen Ebenen, sodass die Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart bewusst wird. So wird aus der Spurensuche nicht nur ein Buch über einen Täter, der für grauenhafte Verbrechen im Zweiten Weltkrieg verantwortlich zeichnet, aber bis zum Schluss seine eigene Verantwortung leugnet. Auch die Opfer nehmen Gestalt an – Massenmorde an der jüdischen Bevölkerung, Auslöschung ganzer Dörfer mitsamt aller Einwohner. Gleichzeitig ist es eine Geschichte des Verschweigens in der deutschen Nachkriegsgesellschaft und des Versagens der Justiz. Umso bedeutsamer ist es, dass gelegentlich auch die wichtige Erinnerungsarbeit durchscheint.

Trotz der guten Lesbarkeit des Buches musste ich immer wieder Pausen einlegen, um die Ungeheuerlichkeiten der dokumentierten Verbrechen auszuhalten. Gerade angesichts des gegenwärtigen Krieges in der Ukraine lohnt es, sich dieses Buch zuzumuten.

Jürgen Gückel: „Klassenfoto mit Massenmörder. Das Doppelleben des Artur Wilke“, Vandenhoeck und Ruprecht 2. Aufl. 2020, 295 Seiten, ISBN 978-3525311141, Preis: 25,00 Euro.

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Petra Nietsch über „The Rose Code“

Petra Nietsch über „The Rose Code“

Kate Quinn:

The Rose Code

Kate Quinn hält mich weiterhin in ihrem Bann.

Wer den Film „Imitation Game – ein streng geheimes Leben“ gesehen hat, wird sich an Bletchley Park erinnern, den Ort, an dem Alan Turing die mit der Enigma verschlüsselten Nachrichten der deutschen Wehrmacht decodiert hat.

Und der Ort  ist auch Hauptschauplatz dieses Romans. Drei Frauen, deren Herkunft nicht verschiedener sein kann, sind mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten daran beteiligt, Codes der Kriegsgegner zu entschlüsseln. Sie werden zu Freundinnen, aber diese Freundschaft wird durch verschiedene Ereignisse immer wieder auf die Probe gestellt, bis es schließlich zum Bruch kommt. Doch nach Kriegsende sind sie gezwungen, sich noch einmal zusammenzuraufen, denn sie müssen ein letztes Mal einen Code entschlüsseln, um einen Verräter zu enttarnen.

Auch dieser Roman verknüpft historische Fakten und Personen mit fiktiver Handlung, wobei selbst die zentralen Charaktere fast ausschließlich auf realen Persönlichkeiten basieren, so dass ich nicht nur einen spannenden Roman gelesen habe, sondern auch viele Erkenntnisse über die damalige Zeit gewonnen habe.

Leider ist dieses Buch noch nicht in deutscher Sprache erschienen, aber ich freue mich schon auf ihr neuestes Buch „The Diamond Eye“.

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Kate Quinn: „The Rose Code“ (engl.), Harper Collins Publ., 624 Seiten, ISBN 9780062943477, Preis: 18,50 Euro.


Lena Scholz über „Bis ans Ende aller Tage“

Lena Scholz über „Bis ans Ende aller Tage“

Jodi Picoult:

„Bis ans Ende aller Tage“

Man findet Chris neben Emily liegen. Sie ist tot. Er bewusstlos. Chris hat sie erschossen, weil sie es wollte und er nicht anders konnte, als seiner großen Liebe diesen Wunsch zu erfüllen, weil er die Emily hinter der Fassade kannte, wo es nur sie beide gab. Emily, die unbedingt sterben wollte und er, der es nicht wollte, aber wusste, dass er keine Wahl hatte. Denn wenn man jemand jemanden liebt, tut man alles für diese Person. Doch Emilys Eltern haben ihre geliebte Tochter verloren und beschuldigen Chris des Mordes. Wer hat in so einem Fall Recht? Gibt es das überhaupt und wie kann man diese Entscheidung treffen, wenn nur zwei Menschen die Wahrheit wissen und eine der Beiden tot ist?

Höchst spannend!

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Jodi Picoult: „Bis ans Ende aller Tage“, Piper Verlag GmbH, 640 Seiten, ISBN 9783492974172, Preis: 11,99 Euro.


Petra Nietsch über „Der Aufstieg“

Petra Nietsch über „Der Aufstieg“

Amy McCulloch:

Der Aufstieg

Breathless

Die britische Buchhandlung Waterstones hat dieses Buch zum Thriller des Monats November gekürt und Sonja Weber hat es bereits in der Goslarschen Zeitung empfohlen.

Der Roman handelt vom Aufstieg auf den Manaslu, den mit 8163 Metern achthöchsten Berg der Erde. Dies allein wäre für jeden schon eine Herausforderung, aber die Expedition wird auch immer wieder von mysteriösen Todesfällen überschattet.

Unglück oder Mord?  Das ist die Frage, die die Journalistin Cecily Wong nicht zur Ruhe kommen lässt. Dabei will sie doch nur den Berg bezwingen, damit sie Charles Veigh, die Bergsteigerikone, interviewen kann. Denn dies war seine Bedingung, als er sie einlud, an der Expedition teilzunehmen: Exklusivinterview, aber nur beim Erreichen des Gipfels.

Der Reiz dieses Buches liegt in der Darstellung des Aufstiegs wie z.B. den extremen Wetterbedingungen, den außergewöhnlichen Leistungen der Sherpas, den körperlichen Herausforderungen, den unterschiedlichen Charakteren im Team, die Konflikte unvermeidbar machen, denn die kanadische Autorin hat 2019 den Manaslu selbst bestiegen und durch ihre Erfahrungen wirken ihre Erzählungen authentisch und glaubhaft.

Ich habe beim Lesen das Gefühl gehabt, mit auf dem Berg zu sein, habe die atemberaubenden Ausblicke ebenso genossen wie im Schneesturm erbärmlich gefroren.

Sowohl der englische Titel „Breathless“ als auch der deutsche Untertitel „In eisiger Höhe wartet der Tod“ sind gut gewählt, da mehrdeutig. Mehrfach wurde ich an das Buch von Jon Krakauer „In eisigen Höhen“ erinnert.

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Amy McCulloch: „Der Aufstieg – In eisiger Höhe wartet der Tod“, Piper Verlag, 496 Seiten, ISBN 9783492063432, Preis: 17,00 Euro.


Lena Scholz über „Das Gegenteil von Hasen“

Lena Scholz über „Das Gegenteil von Hasen“

Anne Freytag:

„Das Gegenteil von Hasen“

Julia, Marlene und Leonard sind in derselben Jahrgangsstufe. Um sie dreht sich die Welt, bis ein Blog online geht und Julias privateste Gedanken für alle sichtbar werden. Ab da ist nichts mehr wie früher. Nun ist Julia Gesprächsthema. Sie und der mysteriöse Unbekannte, der ihren Laptop geklaut hat und all diese Dinge in unregelmäßigen Abschnitten unaufhaltsam veröffentlicht. Keine Person bleibt unberührt, denn über fast jeden hat Julia nackte Wahrheiten aufgeschrieben, die nun jeder weiß.

Ein herausragendes Beispiel dafür, was mit uns passieren würde, wenn wir alle ehrlich zueinander wären…

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Anne Freytag: „Das Gegenteil von Hasen“, Heyne Verlag, 415 Seiten, ISBN 9783453272804, Preis: 17,00 Euro.


Lena Scholz über „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“

Lena Scholz über „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“

John Green:

„Das Schicksal ist ein mieser Verräter“

Dieses Buch hat mich wirklich mitgenommen, denn niemand kann so sensibel, direkt und poetisch schreiben, wie John Green. Es ist die Geschichte von Hazel und Augustus, die sich in einer Selbsthilfegruppe für Krebspatienten kennenlernen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt zu dem Buch: „Das ist kein Jugendbuch, sondern Literatur für alle – anmutig, komisch und kostbar“. Dem kann ich bedingungslos zustimmen.

Kostbar war die Zeit mit Hazel und Augustus, kostbar war ihre Geschichte und kostbar ist die Zeit, die wir haben, aber die Beiden nicht mehr. Eine aufweckende Erinnerung, warum es auch in schlechten Zeiten Gutes gibt und warum wir nie aufgeben dürfen, zu glauben und zu hoffen.

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John Green: „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“, dtv Verlagsgesellschaft, 336 Seiten, ISBN 9783423625838, Preis: 9,95 Euro.