Hans Georg Ruhe über „Ein Hof und elf Geschwister“

Hans Georg Ruhe über „Ein Hof und elf Geschwister“

Ewald Frie:

„Ein Hof und elf Geschwister“

Ein berührendes Buch: Der Autor Ewald Frie lehrt in Tübingen Neuere Geschichte, stammt aus dem Münsterland und schildert die Geschichte seiner Familie. Er beschreibt den „stillen Abschied vom bäuerlichen Leben“.

Frie hat seine Geschwister interviewt und bringt deren Erleben als Bauerskinder in den Zusammenhang von Ende und Veränderung. Er zeigt die Brüche in den Dörfern auf, die Konfrontation unterschiedlicher Lebenswelten, das gegenseitige Unverständnis und das Verschwinden eines (katholischen) Milieus, das lange prägend für weite Teile Westfalens war.

Sein Stil ist lakonisch-melancholisch. Ihm gelingt es, im Biografischen das Kollektive zu spiegeln. Beim Lesen schaut man zu, wie eine Welt „still“ versinkt.

Frie regt meine Erinnerungen als Sohn eines Dorfschmiedes an. Und er löst so etwas wie „Spätscham“ aus: So wenig habe ich als Kind und Jugendlicher von der bäuerlichen Welt gewusst und so viel falsch verstanden.

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Ewald Frie: „Ein Hof und elf Geschwister – Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben“, C.H.Beck 2023, 191 Seiten, ISBN 9783406797170, Preis: 23,00 Euro.


Lena Schulz über „Ophelia Scale – die Welt wird brennen“

Lena Schulz über „Ophelia Scale – die Welt wird brennen“

Lena Kiefer:

Ophelia Scale – die Welt wird brennen

Ausgezeichnet mit dem Lovelybooks-Leserpreis 2019 ist diese Fantasy-Reihe vielen ein Begriff. Zur Abwechslung spielt die Geschichte in der Zukunft, doch entgegen allen Erwartungen gibt es keine Technik. Nein, sie wurde vollkommen abgeschafft vom König und dafür hasst Ophelia ihn. Alles muss seinen strengen Regeln folgen. Trotzdem hat sich Ophelia dem Widerstand angeschlossen. Plötzlich jedoch sucht der König höchstpersönlich nach Anwärtern für den königlichen Geheimdienst. Die Chance für Ophelia, sich in den königlichen Palast einzuschleusen und ein Attentat auf den König auszuüben, damit endlich alles wieder so wird, bevor der König die Herrschaft an sich riss.

Doch wird sie den Aufnahmetest bestehen? Und wenn ja, wird sie schlau genug sein, die Intrigen des Königs zu durchschauen? Und was ist mit dem jüngeren, gutaussehenden Bruder des Königs? Ophelia muss sich entscheiden zwischen Liebe, Verrat und Hass.

Ophelia Scale war das Buch, dass mich sofort in seinen Bann gezogen hat, weil es eine neue Idee ist und super spannend!

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Lena Kiefer: „Ophelia Scale – die Welt wird brennen“,  cbt, 461 Seiten, ISBN 9783570313831, Preis: 11,00 Euro.


Lena Scholz über „Nullzeit“

Lena Scholz über „Nullzeit“

Juli Zeh: „Nullzeit“

Eine kleine Insel im Meer, fernab von allem, was Sven in Deutschland verachtet hat. Er ist Tauchlehrer, zufrieden mit seiner Frau Anke, bis Theo und Jola auftauchen, die Tauchunterricht nehmen. Und plötzlich ist da eine Dreiecksbeziehung, die Sven irgendwie glücklich macht und auch wieder nicht. Er weiß nicht mehr, was Wahrheit und Lüge ist, und er weiß nicht mehr, was er tun soll und warum sich alles verändert, wenn er mit Theo und Jola zusammen ist.

Doch unter Wasser ist der einzige Ort, wo alles schwerelos, leicht, schwer, bedrückend und frei gleichzeitig ist. Wo Sven seinen Gedanken und Gefühlen entfliehen kann. Trotzdem bleibt die ganze Zeit über das Gefühl, dass am Ende etwas dramatisch schief geht…

Juli Zeh ist eine Autorin, die es schafft, ihren Leser*innen unsere Welt so nah zu bringen, dass wir nicht mehr wegsehen können und uns darauf besinnen, wer wir eigentlich sind.

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Juli Zeh: „Nullzeit“, btb Taschenbuch, 255 Seiten, ISBN 9783442745692, Preis 11,00 Euro.


Markus Weber über „Ombra“

Markus Weber über „Ombra“

Hanns-Josef Ortheil: Ombra

„Das zweite Leben ist eine komplett neue Erfahrung,“ so heißt es in einem neuen Buch von Hanns-Josef Ortheil. Viele seiner Bücher sind autobiografisch gefärbt. „Ombra“ (= Schatten) lässt den Leser noch direkter am Leben des Autors und seinem Kampf, wieder zurück ins Leben zu kommen, teilhaben.

Nach einer schweren Herzoperation, nach der er längere Zeit zwischen Tod und Leben schwebte, ist vieles infrage gestellt. Auch weil er grundlegende Fähigkeiten, die sein Leben bisher ausgemacht haben – wie das Schreiben und das Klavierspielen – verloren hat.

So zwingt ihn diese Situation, genau hinzuschauen: auf Kindheitstraumata, auf seinen Körper, insgesamt auf bisher Verdrängtes oder nur unzureichend Wahrgenommenes. Dabei helfen ihm die körperlichen Übungen in der Rehaklinik ebenso wie intensive Gespräche mit der Psychologin oder einem alten Freund ebenso wie Erkundungen der Orte seiner Kindheit.

Als Leser ist man dabei, auch bei den kontroversen Gesprächen Ortheils mit seinen verstorbenen Eltern und Sigmund Freud, die nicht esoterisch wirken, sondern sich organisch einfügen. So werden seine „Lebensgeister“ aktiviert.

Ich fand diese Suche nach dem, was im eigenen Leben wichtig ist, intensiv und anregend. „Vergiss aber nicht, das zweite Leben auch wirklich zu leben,“ schreibt Ortheil für sich selbst. Für mich als Leser bleibt: Auch das erste Leben will bewusst gelebt werden.

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Hanns-Josef Ortheil: Ombra. Roman einer Wiedergeburt, btb Taschenbuch 2022, 297 Seiten, ISBN 978-3442772698, Preis: 14,00 Euro

Lena Scholz über „Die Würde ist antastbar“

Lena Scholz über „Die Würde ist antastbar“

Ferdinand von Schirach:

Die Würde ist antastbar

Den meisten Lesern ist der Name von Schirach ein Begriff, unter anderem durch sein zuletzt veröffentlichtes Buch „Nachmittage“. Und auch das Buch über die Würde des Menschen, das 2017 veröffentlicht wurde, hat es in sich gehabt.

Ähnlich wie Juli Zeh deckt von Schirach die Schattenseiten von uns Menschen auf. Von dem System, in dem wir leben und warum alles so passiert, wie es passiert. Beim Lesen ist es, als würden einem die Scheuklappen entfernt werden und man sieht zum ersten Mal richtig hin. Denn in kurzen, präzisen Essays mit genug Hintergrundinformationen behandelt Ferdinand von Schirach aktuelle, politische und persönliche Themen.

Dabei wird man sehr zum Nachdenken und Hinterfragen angeregt, anstatt sofort zu beurteilen. Durch dieses Buch bin ich erst richtig auf diesen brillanten Schriftsteller aufmerksam geworden und kann jedem seine Bücher nur von Herzen empfehlen!

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Ferdinand von Schirach: „Die Würde ist antastbar“, btb Taschenbuch, 141 Seiten, ISBN 9783442715008, Preis: 10,00 Euro.


Julia Steinmann über „Ihr glücklichen Augen

Julia Steinmann über „Ihr glücklichen Augen

Elke Heidenreich:

Ihr glücklichen Augen

Elke Heidenreich war in ihrem Leben immer wieder auf Reisen. Sie folgte der Musik, ihren Freunden, der Liebe, der Literatur. Und immer brachte sie unverwechselbare Geschichten mit…

Mit jeder Kurzgeschichte an einem anderen Ort auf der Welt. Das Buch macht Lust, endlich mal wieder auf Reisen zu gehen.

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Elke Heidenreich: „Ihr glücklichen Augen“, Hanser-Verlag, 256 Seiten, ISBN 9783446273955, Preis: 26,00 Euro.


Lena Scholz über „Das Glück hat acht Arme“

Lena Scholz über „Das Glück hat acht Arme“

Shelby Van Pelt:

Das Glück hat acht Arme

Wussten Sie, dass Oktopoden nur vier Jahre alt werden können, drei Herzen haben und 40 Minuten ohne Wasser sein können? Marcellus weiß das und noch viel mehr, denn er ist ein Oktopus in Gefangenschaft im städtischen Aquarium von Sowell Bay.

Dort arbeitet Tova als Putzfrau, die eigentlich schon ihren Ruhestand genießen sollte, doch sie glaubt, dass niemand so gut putzen kann wie sie. Tova lebt allein, seit ihr Mann vor zwei Jahren starb. Ihr Sohn wird seit 30 Jahren vermisst. Als Tova einen Unfall erleidet, muss ein junger Mann ihren Job übernehmen.

Cameron ist dreißig und hatte keinen Job, weswegen er von seiner Freundin aus der Wohnung geschmissen wurde. Mit dem Geld seiner Tante macht er sich auf die Suche nach seinem leiblichen Vater, den er nie kennengelernt hat. Dabei kommt er nach Sowell Bay und lernt Tova kennen.

Ein wunderschöner, leichter Roman mit natürlichen, sympathischen Protagonisten und dem Funken, der das Buch irgendwie zu etwas Besonderem macht.

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Shelby Van Pelt: „Das Glück hat acht Arme“, Fischer Krüger, 462 Seiten, ISBN 9783810530820, Preis: 22,00 Euro.


Markus Weber über „Nachtlichter“

Markus Weber über „Nachtlichter“

Amy Liptrot:

Nachtlichter

In „Nachtlichter“ verbinden sich wunderbare Naturbeschreibungen der vor Schottland gelegenen Orkney-Inseln mit dem Ringen der Autorin um die Befreiung von ihrer Alkoholsucht. Mit 18 Jahren wollte Amy Liptrot der Inselwelt entfliehen und suchte im Großstadtleben Londons neue Erfahrungen und Freiheit. Sie fühlte sich wild und lebendig.

Doch schließlich landete sie mit etwa 30 Jahren in Arbeitslosigkeit, wurde verlassen von ihrem Freund. Alle Versuche, mit Alkoholexzessen ihrem Jammer und ihren Ängsten zu entkommen, scheiterten. Nach einer überstandenen Entziehungskur kehrt sie für einige Zeit zurück auf die Orkneys. Im Erkunden der Inseln, der Tier-, vor allem der Vogelwelt, der Geologie, des nächtlichen Himmels und des Meeres, erkennt Amy sich selbst Stück für Stück neu.

Es bleibt jedoch immer ein Ringen mit der Sucht. „Seit ich trocken wurde, fühle ich mich mitunter überrascht und beglückt vom ganz normalen Leben. … Das Leben kann größer und reicher sein, als ich gedacht habe.“

Das Schöne an Büchern ist ja auch, dass man in fremde und faszinierende Welten eintauchen und diese gemeinsam mit den Autoren entdecken kann. Zur Erkundung der Orte kann man dorthin fahren, man muss es aber nicht unbedingt, sondern man kann den kalten Wind der Orkneys auch im warmen Zuhause spüren. Wunderbar.

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Amy Liptrot: Nachtlichter, btb Verlag 2019, 352 Seiten, ISBN 978-3442718412, Preis: 10,00 Euro

Lena Scholz über „Dark Ivy – Wenn ich falle“

Lena Scholz über „Dark Ivy – Wenn ich falle“

Nicola Hotel:

Dark Ivy – Wenn ich falle

Irgendwie war Dark Ivy das Buch, von dem niemand wirklich dachte, dass es so viele Menschen begeistern wird. Erst war ich skeptisch, doch nachdem ich von so vielen gehört hatte, wie gut es doch sei, musste ich es auch lesen.

Zum Inhalt: Edin Collins hat vor ziemlich genau elf Monaten ihren besten Freund durch Suizid verloren. Seitdem gibt sie sich die Schuld dafür, schließlich hätte sie es verhindern können. Nun ist sie auf der Suche nach einem Neuanfang, den sie auf der Woodfort Academy finden möchte. Und vor allem möchte sie Menschen kennenlernen, die sie so akzeptieren wie sie ist. Und das klappt auch.

Vor allem zu William entwickelt sie eine enge Beziehung, doch nach seiner Geburtstagsfeier passiert es: Ein Unwetter, sechs junge Erwachsene, zwei Boote und einer stirbt. Von diesem Tag an ist nichts mehr zu spüren, von dem Neuanfang, den Edin wollte.

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Nicola Hotel: „Dark Ivy – Wenn ich falle“, Rowohlt Taschenbuch, 416 Seiten, ISBN 9783499008740, Preis: 15,00 Euro.


Petra Nietsch über „Schicksal und Gerechtigkeit“

Petra Nietsch über „Schicksal und Gerechtigkeit“

Jeffrey Archer:

Schicksal und Gerechtigkeit

Nothing Ventured

Jeffrey Archer ist ein Vielschreiber und der einzige Schriftsteller, der die Bestsellerlisten in den Kategorien Roman, Kurzgeschichten und Sachbuch angeführt hat. Durch seine eigene Biografie hat er sich in vielen Lebensbereichen große Kenntnisse angeeignet, so dass seine Erzählungen immer sehr lebensnah wirken.

Die siebenbändige Clifton-Saga habe ich verschlungen und auch Kain und Abel haben mich begeistert. Nun bin ich durch Zufall auf die William-Warwick-Reihe gestoßen, die Archer 2019 begonnen hat. Den ersten Band habe ich in nur wenigen Tagen ausgelesen.

Warum geht es? Entgegen des Wunsches seines Vaters Sir Julian Warwick, einem einflussreichen und erfolgreichen Anwalt, sehnt sich William nach einer Laufbahn bei der Londoner Polizei. Diese durchläuft er in den aufeinander aufbauenden Bänden vom einfachen Polizisten bis hin zum Polizeipräsidenten. Dabei lässt er seine Leserinnen und Leser an seiner Arbeit auf der Straße, bei Festnahmen, im Gerichtssaal ebenso teilhaben wie an seinem Familienleben.

Jeffrey Archer sagt: „dies ist keine Kriminalgeschichte, sondern die Geschichte über einen Kriminalbeamten.“ Seine Kritiker sagen, die Geschichte sei flott erzählt, fesselnd, unterhaltsam und enthielte unerwartete Wendungen, zudem sei Archer ein großartiger Erzähler. All dem kann ich vorbehaltlos zustimmen.

Auch den zweiten Band habe ich schon so gut wie ausgelesen – fünf Bände sind bereits erschienen, vier davon ins Deutsche übersetzt.

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Jeffrey Archer: „Schicksal und Gerechtigkeit“, Heyne Taschenbuch, 460 Seiten, ISBN 9783453426610, Preis: 12,00 Euro.