Endlich ein neues Buch von der gehyptesten Krimi-Autorin der letzten Jahre. Wieder einmal werden die Leser nicht enttäuscht!
Dawn Shiff ist die Kollegin mit der niemand etwas anfangen kann. Sie ist jeden Tag zur exakt gleichen Zeit im Büro und liebt Schildkröten über alles. Das war auch schon alles, was man über sie weiß und wenn es nach Natalie geht, muss man auch nicht mehr wissen. Bis sie eines Tages einen anonymen Anruf bekommt, der sie dazu bewegt, in Dawns Leben einzudringen.
Auf was sie dort stößt, wird ihr Leben verändern und schon bald befindet sie sich selbst auf der Flucht vor der Polizei und den Schildkröten, die sie verfolgen.
Verrückt, fesselnd und mal wieder ein absoluter Garant für einen guten Krimi!
Mit Erich KÄSTNER bin ich aufgewachsen. Je nach Altersstufe gab es ihn irgendwie immer und immer passend.
Kästner schrieb als Seher und Mahner und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte er die Gefährdung der demokratischen Weimarer Republik besonders im Blick. Seine kritischen Gedanken lassen heute wieder aufhorchen: Wohin steuert die Welt diesmal in ihrer Unvernunft und der Gier nach Macht und Profit?
Geld ist sicher nicht alles, aber es erleichtert das Alltägliche und – sofern vernünftig eingesetzt – schenkt es Menschen ein gewisses Maß an Zufriedenheit und in Folge ein friedlicheres Miteinander.
So zumindest denkt Kästners „netter alter Herr“ im vorliegenden kleinen Märchen, der sich überhaupt sehr gerne vernünftige Sachen ausdenkt. Die stellt er regelmäßig den vielen Staatshäuptern und Staatsoberhäuptern der Welt vor.
Für diese ist sein Wort der Vernunft natürlich Blödsinn und Zeitverschwendung im eigenen Ringen um Geld und Macht. Aber um des ‚lieben Friedens willen‘ gewähren sie ihm die lästige Anhörung.
Eine einfache logische Berechnung des alten Herrn – dieses Mal zum Thema Frieden – zeigt: Krieg kostet viel Geld, Frieden genau so viel! Geht es euch Herrschenden wirklich um eure Völker und das Glück der einzelnen Menschen? Dann nehmt alle tatsächlich „richtig Geld in die Hand“! Und … also erläutert der kleine Herr den großen Herren seinen vernünftigen Plan.
Werden sie diesmal richtig zuhören?…
Ulrike Möltgen hat die kleine Geschichte verstörend gut illustriert. Ihre Bilder/Zeichnungen katapultieren Kästners Inhalte punktgenau auf die aktuell hochbrisante Politebene.
Wem ich dieses wunderbare Büchlein schenke, dem muss ich nicht mehr erklären, wo ich stehe 😉
Es ist schon zunächst ein befremdlicher Buchtitel – „Ein fröhliches Begräbnis“. Aber er bringt gut zusammen, worum es in dem Buch der russischen Autorin, die vom Sender Arte als das „unbequeme Gewissen Russlands“ bezeichnet wurde, geht.
Der Kunstmaler Alik hat nicht mehr lange zu leben, seine Lähmungen schreiten voran. Um ihn sammeln sich in seiner Wohnung alle seine Freundinnen und Freunde. Es wird geredet und viel getrunken. Wie selbstverständlich ist Alik der Mittelpunkt dieser bunten Gesellschaft, in der sich Mitte der 1990er Jahre russische Emigranten sehr unterschiedlicher Weltanschauungen, eine Mischung russischer und amerikanischer Kultur, Juden und Russisch-Orthodoxe oder Atheisten in New York sammeln. Eine verrückte Welt.
Ljudmilla Ultizkaja erzählt auf wunderbare Weise vom Zusammenleben in dieser Gesellschaft. Die Sprache ist teils recht derb, niemals aber vulgär; sie ist vom Leben gesättigt, so wie die Menschen, die dort mit den unterschiedlichsten Geschichten zusammenkommen. Nach und nach werden auch deren Geschichten erzählt, von der Ehefrau, seinen Geliebten, den Ärzten, Musikern und Künstlern, die sich mit der amerikanischen Lebenswelt arrangiert haben oder ihr immer noch fremd sind.
Es ist trotz der Krankheit eine lebensfrohe Geschichte, die gerade auch durch den Humor von Alik geprägt wird. So ist es trotz des Themas ein sehr lebensbejahender Roman – ein „fröhliches Begräbnis“ eben.
Sommer 2006, Hitzerekord und mittendrin der 15-jährige Chris, der spürt, dass diesen Sommer alles anders wird.
Zum ersten Mal verliebt, rauchen, trinken, Auto fahren und das Leben spüren. Noch nie hat er sich so lebendig gefühlt wie jetzt. Umgeben von seiner größten Leidenschaft – dem Fußball, der ihm plötzlich den Laufpass gibt, muss er sich entscheiden, welchen Weg er in Zukunft gehen möchte.
Doch diesen Sommer interessiert ihn nichts mehr, außer cool zu sein und Debbie zu treffen. Das schönste Mädchen der Schule zeigt plötzlich Interesse.
So beginnt eine Achterbahn der Gefühle, zwischen jung, frei und wild sein und dem Erwachsen werden. Zwischen Liebe und Freundschaft.
Ex-Fußball-Nationalspieler und Weltmeister (2014) Christoph Kramer erzählt angenehm mit Charme über einen Sommer, der niemals endet.
Wer Primo Levi, jüdischer Partisan und Häftling in Auschwitz, „Ist das ein Mensch“ gelesen hat, wird bei Jozsef Debreczeni „Kaltes Krematorium“ eine Vertiefung des geschilderten Schreckens erleben: noch genauer, noch klarer, noch bildhafter – ohne Schonung der Geknechteten, die Opfer und häufig Täter in einem sind.
Debreczeni entfaltet präzise das ganze Spektrum der Alltagshölle. Man legt zwischendurch das Buch weg, weil man all den Dreck, den Ekel, die rohe Gewalt, nicht aushält.
Der Autor, vor dem Krieg ein angesehener Journalist in Ungarn, wird 1944 in das Zwangsarbeiterlager Dörnhau, einer Außenstelle des KZ Groß-Rosen, deportiert, entgeht knapp Fleckfieber- und Hungertod und überlebt das Gewirr der brutalen Selbstverwaltung.
In ihrem Nachwort schreibt Carolin Emcke: „Einmal ins Land der entgrenzten Gewalt verbracht, … (ist der ganze Mensch) aufs blanke, nackte Überleben ausgerichtet. Debreczeni beschreibt diese Zerstörung der Menschlichkeit ohne Hoffnung oder Trost.“
Anatol kommt im Gefolge seiner Freundin Sophie, die als Juristin im Auftrag einer international agierenden Kanzlei tätig ist, nach Budapest. Während Sophie ehrgeizig ist, ist Anatol wenig ambitioniert, bekommt aber als guter Kenner der englischen Sprache eine Stelle an einer „Akademie für Diplomatie der Republik Ungarn“ – quasi als „Zugabe“ für Sophie.
Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Mit dem Blick von außen wird die Vergangenheit erzählt, vor allem, wie verschiedene Protagonisten sich in England kennenlernen und anfreunden. Vor allem der aus Ungarn stammende, nur Castro genannte Freund, spielt eine zunächst undurchschaubare Rolle. Die Gegenwart wird aus der Perspektive von Anatol erzählt, der erst gleichgültig erscheint, aber zunehmend mit undurchsichtigen Machenschaften bekannt wird und sich darin verstrickt.
Dabei verweben sich private Beziehungen, Freundschaften, Liebesbeziehungen und -verrat mit dunklen Geschäften und Korruption. Anatol erfährt von politischen Manipulationen mit EU-Geldern; auf Nachfragen wird ihm aber immer wieder gesagt, er wisse eben nicht, wie das Leben in Ungarn funktioniert. Irgendwann muss er sich entscheiden, wie er mit seinem Wissen umgehen will, und gerät in Konflikte – mit sich, seiner Fteundin Sophie und auch seinem Freund Castro.
Über die Stadt Budapest erfährt man nicht viel, obwohl der Titel das ja nahelegen könnte. Dafür erfährt man aber einiges über die Mechanismen der Politik in der Zeit, bevor Viktor Orban an die Macht gekommen ist – und darüber, auf welche Weise Orban an die Macht kommen konnte.
Dies ist der erste Band einer neuen Krimi-Reihe, und man kann nur hoffen, dass auch die weiteren Bände ins Deutsche übersetzt werden. Schauplatz ist Oxford und allein diese Tatsache hat mich dazu bewogen, das Buch in die Hand zu nehmen. Und tatsächlich gelingt es dem Autor, die Stadt mit all ihren Traditionen und ihrem Charme für den Leser zum Leben zu erwecken.
Wir lernen ein Ermittlungsteam kennen, das unterschiedlicher nicht sein kann.
Ray stammt aus einer reichen nigerianischen Familie, ist in einem Nobelviertel in London aufgewachsen und hat seinen Studienabschluss am berühmten Balliol-College in Oxford gemacht. Er liebt es, sich gut zu kleiden.
Ryan hingegen trägt am liebsten Trainingshosen, eine Bomberjacke und ein Baseball-Cap. Er wuchs in ärmlichsten Verhältnissen in einem Trailer-Park am Stadtrand auf und litt unter seinem alkoholkranken Vater, der die Familie regelmäßig verprügelte. Ryan’s Wortwahl ist nicht immer druckreif und bei Befragungen verstößt er regelmäßig gegen den Polizei-Kodex.
Ray und Ryan haben jedoch zwei Gemeinsamkeiten: den gleichen Nachnamen, was immer wieder zu Verwechslungen führt und trotz unterschiedlicher Vorgehensweisen das gleiche Ziel, nämlich einen brutalen Mörder zu finden.
Ein junges Mädchen wird erwürgt im Arbeitszimmer von Sir James, dem Leiter von Barnabas Hall, einem der vielen Colleges in Oxford, gefunden. Die Identität des Opfers bleibt lange im Dunkeln, was die Arbeit der beiden Ermittler erschwert und zu immer neuen Wendungen führt. So wird die Spannung für den Leser die ganze Zeit aufrechterhalten. Syrische Flüchtlinge und ein verschwundener Koran verleihen der Handlung zusätzlich eine gewisse politische Aktualität.
Aber jeder Roman lebt von seinen Charakteren. Und Ryan und Ray machen wirklich Spaß. Ryan hält Ray für einen Snob und Ray Ryan für einen Proll, aber trotz allem müssen sie zusammenarbeiten und so nach und nach kommen sie sich auch menschlich näher.
Mich hat dieser Krimi so in den Bann gezogen, dass ich ihn in wenigen Tagen verschlungen habe.
Ein Video, das alles verändert. Eine Straftat, die gefilmt und veröffentlicht wird, teilt das Internet in politische Lager.
Gesellschaftliche Keile graben sich tief in die Menschen und ruft radikale Gruppen hervor.
BKA-Hauptkommissarin Yasira Saad soll den politischen brisanten Fall aufklären. Das sie dabei ihr Leben und das ihrer Tochter gefährdet, wird erst klar, als es fast zu spät ist.
Denn zu unterscheiden, was Fake und was echt ist, wird immer schwerer in Zeiten von künstlicher Intelligenz.
Wem kann man noch glauben? Wem nicht?
Ein erschreckend realistischer Gesellschaftsthriller, der aufklärt und Abgründe ersichtlich macht.
Einige wenige Seiten habe ich mit dem Stil des Autors ein wenig gefremdelt. Recht bald war ich aber froh, dass ich mich doch nicht habe abschrecken lassen. Schließlich ist es eins seiner sprachlichen Mittel, russische Begriffe zum Teil auch in kyrillischer Schrift im Text zu verwenden, um eine gewisse Fremdheit des Milieus und der beschriebenen Personen bestehen zu lassen. Dimitrij Kapitelmann ist als Kind mit seiner Familie, die Anfang der 1990er Jahre als „jüdische Kontingentflüchtlinge“ aus der Ukraine kam, in Leipzig gelandet.
Dort baut die Familie sich eine neue Existenz auf und verkauft im eigenen Laden russische Spezialitäten, die sie selbst importiert. Man bleibt der russischen Kultur und Sprache verbunden: „Heimat ist der Ort, der einem nie egal wird“, heißt es an einer Stelle über Kiew, im Roman konsequent Kyjiw geschrieben. Auch der junge Dimitrij liebt bei all seiner Unzulänglichkeit die russische Sprache. Ironisch, humor- und liebevoll beschreibt Kapitelman seine Familie und die Eigenheiten des Milieus. Auch die Bedrohungen durch Rechtsextreme in Leipzig scheinen ebenso auf wie die Untätigkeit des Staates.
Einen Bruch gibt es in der Familie mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Die Mutter schaut die Welt weiterhin aus der „totalitären fernsehrussischen Sicht“ an, was den Sohn zur Verzweiflung bringt und seine Liebe zur Mutter auf eine harte Probe stellt. In dieser Situation reist er gegen alle Vernunft in die Ukraine und besucht dort alte Freunde. Er will sich selbst ein Bild vom Krieg machen und die ideologisch verbohrte Sicht seiner Mutter widerlegen.
Er sieht, wie der Krieg die Ukraine und das Zusammenleben verändert hat. Angst, Misstrauen, zerstörte Städte: „Das blanke Grauen, das im Fernsehen zu sehen war, bleibt auch das blanke Grauen im Nahsehen.“ Die Brutalität des Krieges macht auch vor der ukrainischen Gesellschaft nicht Halt. Irgendwie versuchen die Menschen dennoch zu überleben. Die eigene Identität steht auf dem Spiel – bei den Menschen in der Ukraine, aber auch für den Autor selbst.
Bei aller Ernsthaftigkeit und Schwere des Themas gelingt Dimitrij Kapitelman ein wunderbares Buch.
Edgar Isermann: Die Holz- und Pappenindustrie im Harzburger Radautal 1865 – 1961
Schon im vergangenen Jahr hat der Bad Harzburger Geschichtsverein das Buch herausgegeben, das leider bisher zu wenig Beachtung gefunden hat. Immerhin erzählt der Autor, Edgar Isermann, ein bedeutendes Kapitel der Harzburger Wirtschaftsgeschichte, deren Spuren zum Teil heute noch zu sehen sind.
Der Autor war zum Schreiben motiviert, weil seine Familiengeschichte mit der Holzindustrie im Radautal verbunden ist: Sein Großvater und sein Onkel haben eine der ehemaligen Fabriken lange Zeit geleitet. So kann Edgar Isermann nicht nur auf amtliche Dokumente zurückgreifen, sondern auch auf die Überlieferung der Familie. Und er hebt einen Teil der Harzer Industriegeschichte hervor, der nicht vergessen werden sollte und der im Buch anschaulich dargestellt wird. Dabei beschränkt der Autor sich nicht auf die eigene Familie, sondern blickt darüber hinaus auf andere Firmen.
Die Geschichte beginnt in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Aufstieg der Holzindustrie – Holz und Wasser waren ja durch die Natur reichlich vorhanden. Gleichzeitig war zunehmender Bedarf in der Papierindustrie vorhanden, für den die Unternehmen im Radautal die Vorprodukte lieferten.
Am bekanntesten ist sicher die Zusammenarbeit mit dem Henkel-Konzern, für deren Ata-Dosen Material geliefert wurde. Angesichts der Eingriffe in die Natur und den Wasserbedarf der Stadt blieben Konflikte nicht aus, die ebenso geschildert werden wie die Erfolge.
Das Buch ist großformatig aufgemacht, sodass die Gestaltung viel Raum für zahlreiche Abbildungen – Fotos, alte Ansichtskarten, Dokumente – hatte. Dadurch lädt es auch ein zum Blättern und Verweilen an der ein oder anderen Stelle. Man kann es selbstverständlich wie jedes Buch von vorne bis hinten lesen, aber man kann sich auch von Bildern oder Überschriften verleiten lassen und herausgreifen, was gerade attraktiv erscheint. Ich wünsche dem Buch, dass es in vielen Bad Harzburger Haushalten – und darüber hinaus – vorhanden ist.
Edgar Isermann: Die Holz- und Pappenindustrie im Harzburger Radautal 1865 – 1961. Vom Epochenwandel in der Harzer Holzwirtschaft, hrsg. Harzburger Geschichtsverein, Harzdruckerei GmbH Wernigerode 2024, 149 Seiten, ISBN 978-3-00-076561-2, 25,00 Euro. Das Buch ist in der BÜCHER-HEIMAT vorrätig.