Sonntag, 31. März: Sommerzeit!

Vor oder zurück? Die Frage des Tages

Sonntag, 31. März 2024. Sommerzeit. Das scheint meine Lebensgeister zu reaktivieren. Vielleicht wird es kein täglicher Blog, wie in den ersten anderthalb Jahren der BÜCHER-HEIMAT, aber ab und an…

Für all jene, die keine smarten Uhren haben, bei der Zeitumstellung selbst Hand anlegen müssen und (wie ich) immer vergessen, ob nun eine Stunde vor oder zurück, gibt es zum Glück „Eselsbrücken“: „Bei der Zeitumstellung ist es wie mit den Gartenmöbeln: Im Frühjahr kommen sie VOR die Tür, im Herbst ZURÜCK in den Schuppen.

Eher für Zahlenmenschen ist die „2-3-2-Regel“: Im Frühjahr wird die Uhr von 2 auf 3 Uhr gestellt, im Winter wieder von 3 auf 2 Uhr. Also: Jetzt die Uhr eine Stunde vorstellen.  Damit sollte man dann nicht länger „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ sein (von Nicolas Mahler umgesetztes Graphic Novel) sein.

Kleiner Hinweis noch an alle, die für die Abschaffung der Zeitumstellung plädieren: Die Festlegung innerhalb der EU beispielsweise auf eine durchgängige Sommerzeit wäre heftig. So bliebe es in Spanien im Winter bis kurz vor 10 Uhr dunkel. Und würden sich alle auf dauerhafte Winterzeit verständigen, würde es in Warschau im Sommer schon um 3.00 Uhr morgens hell.

Raus aus den Federn müssen heute auch die Fledermäuse. Zumindest endet in Deutschland die Schutzzeit für Fledermäuse in ihren Überwinterungsquartieren. Wer sich für einen Höhlenmenschen hält, kann jetzt wieder in die Schlafzimmer der Flugkünstler: „Entdecke die Fledermäuse“.

Da wir gerade bei Zahlen und Daten sind: Heute absolvieren wir den 90. Tag des Jahres 2024. Womit nach Adam Riese noch 275 Tage bis zu Jahreswechsel vor uns liegen. Pack mers!

(Und wer jetzt ebenfalls über die korrekte Schreibweise des Ausdrucks grübelt, sollte zu„Ringseis Bayerisches Wörterbuch“greifen. Auch damit kann man sich den Ostersonntag vertreiben…)

Markus Weber über „Gegen die Gleichgültigkeit“

Markus Weber über „Gegen die Gleichgültigkeit“

Rafik Schami:

Gegen die Gleichgültigkeit

Von dem wunderbaren Erzähler Rafik Schami, der 1971 aus Syrien nach Deutschland kam, kannte ich bisher nur literarische Werke. Doch auch der Essay-Band „Gegen die Gleichgültigkeit“ ist ein lohnendes kleines Büchlein, in dem Schami über seine genauen Beobachtungen der gegenwärtigen politisch-gesellschaftlichen Situation in Deutschland schreibt. Er drückt darin seine Besorgnis über die Zerbrechlichkeit der Demokratie aus. So ist das Buch eine wichtige Einmischung in unserer Zeit.

Rassismus und allgemeine Vorurteile über die sog. „Orientalen“ hat Schami auch am eigenen Leib erfahren müssen. Er schreibt nicht nur gegen die Gleichgültigkeit an, er analysiert auch gegenwärtigen Rassismus, Antisemitismus, Feindschaft gegen Muslime und Stimmungen unter Intellektuellen, die sich mit ihren öffentlichen Äußerungen zur Abkehr vom sicher geglaubten demokratischen Konsens abwenden und so zum Rechtsruck der Republik beitragen. Einigen bescheinigt er – gut belegt – eine „Demenz des Gewissens“.

Am Ende des Buches gibt der Autor Hinweise, wie die Gesellschaft und jede/r Einzelne zum „Aufstehen gegen die Gleichgültigkeit“ beitragen kann. Deutlich wird auch Rafik Schamis Dankbarkeit, dass er aus Syrien in ein demokratisches Land, in dem die Würde aller Menschen geachtet wird, kommen konnte: „Mein Prinzip ist sehr klar: Solange Geflüchtete, welcher Religion oder Ethnie sie auch angehören, angegriffen werden, werde ich sie und ihr Recht auf Schutz verteidigen und ihre Angreifer entlarven. Und das tue ich, um der Freiheit würdig zu sein, die ich in diesem Land genieße.“

Rafik Schami: „Gegen die Gleichgültigkeit“, Essay, Schiller & Mücke 2. Aufl. 2023, 96 Seiten, ISBN 978-3899304435, Preis: 10,00 Euro.

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Silke Schaudienst und ihr Wolfenbüttel-Roman

Der Okermühle verpflichtet

Silke Schaudienst hat im Dezember 2021 Ihr Buch „Das Siegel der Treue – Der Okermühle verpflichtet“ herausgebracht. Es handelt sich dabei um die Entstehungsgeschichte Wolfenbüttels. Sie selbst ist Wolfenbüttelerin und hat die historischen Hintergründe im Niedersächsischen Staatsarchiv und in der Bibliothek ihrer Stadt recherchiert.

Die Autorin nimmt in ihrem Roman die Leserschaft tief in die Historie Ihrer Heimatstadt mit. Es ist eine spannende Familiengeschichte zwischen dem 10. und 18. Jahrhundert, die aber ihren Ursprung durch einen spektakulären Fund in der Gegenwart hat.

Silke Schaudienst hat für viele Leser und Leserinnen unbekannte oder fast vergessene Geschehnisse und Persönlichkeiten in ihrem Buch wieder zum Leben erweckt. Da sie nicht nur die historisch interssierierte Leserschaft ansprechen wollte, hat sie ihren Protagonisten einen großen Raum gegeben und lässt die geschichtlichen Ereignisse dezent im Hintergrund mitlaufen.

„Wolfenbüttel hat so viel Geschichte zu bieten! Sie beginnt nicht erst mit der Residenz und den Herzögen.  Zudem wollte ich einen durchgängigen zeitlichen Ablauf unserer Stadtgeschichte aufzeigen. Oft fällt einem nur etwas Themenbezogenes in die Hände“ , so die Autorin.

Sie ist seitdem mit ihrem Roman auf den unterschiedlichsten Veranstaltungen und Orten sehr erfolgreich unterwegs. Die vielen positiven Resonanzen, die sie erhält, sowie mehrfach ausgebuchten großen Lesungen sprechen für sich.

Zum Inhalt: Es sollte nur ein kurzes Nachforschen im Keller seines Hauses sein, um die aufgeworfene Frage seiner Frau zu beantworten. Doch durch einen schaurigen Fund wurde daraus für Georg ein Hinterfragen seiner Familiengeschichte. Gab es unter seinen Ahnen jemanden der Täter oder Opfer war? Was würde das für ihn selbst heute bedeuten? Um das zu beantworten, muss Georg tief in die Geschichte seiner Vorfahren und Stadt eintauchen. Es beginnt eine unbekannte Reise voller Gefahren für seine Ahnen und mit ungewissem Ausgang für ihn selbst.

Mittwoch, 26. Juni 2024, 19.00 Uhr, BÜCHER-HEIMAT
Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten
Anmeldung in der BÜCHER-HEIMAT,
Telefon  (05322) 9059599 | Mail: info@die-buecherheimat.de

Lena Scholz über „Like Snow we fall“

Lena Scholz über „Like Snow we fall“

Ayla Dade:

Like snow we fall

Eine wunderschöne Reihe im winterlichen Aspen voller besonderer Menschen. Paisley hat keine Ahnung, was auf sie zukommt, als sie nur mit Schlittschuhen im Gepäck und einem Vertrag an der renommiertesten Eiskunstlaufschule des Landes sich auf den Weg macht.

Dabei stolpert sie über Knox, der Snowbordstar schlechthin, doch sieht man niemand an, dass er ein Schicksal mit sich herumträgt, von dem niemand wissen soll. Doch Paisley lässt nicht locker und Knox zeigt ihr die Welt von Aspen in der jeder jeden kennt und Paisley ihr Zuhause findet.

Ayla Dade: “Like snow we fall”, Penguin TB Verlag, 528 Seiten, ISBN 9783328107729, Preis: 14,00 Euro.

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Markus Weber über „Übertretung“

Markus Weber über „Übertretung“

Louise Kennedy:

Übertretung

Belfast 1975. Der Roman führt uns mitten hinein in den brutalen Bürgerkrieg in Nordirland. Terroranschläge, Polizeigewalt und -übergriffe sind an der Tagesordnung: „Ein Hund kommt für mich nicht in Frage“, sagt Gina, die Mutter der Hauptfigur des Romans. „Die Wahrscheinlichkeit, dass du eine Leiche findest, ist viel zu hoch.“

Und mitten in dieser Geschichte steckt die 24jährige Lehrerin Cushla Lavery, die an einer katholischen Grundschule arbeitet. Sie kümmert sich um ihre Klasse, besonders um Davy und seine Familie, dessen Vater bei einem Anschlag schwer verletzt wurde. Vor der Arbeit kümmert sie sich um ihre alkoholkranke Mutter, am Abend hilft sie ihrem Bruder in der Kneipe, die mitten im protestantischen Viertel liegt.

So begegnen wir zahlreichen unterschiedlichen Charakteren, die das Spannungsfeld der Gesellschaft ausmachen – beispielsweise dem Priester, der Gewaltfantasien vor den Schülern ausbreitet und von dem Cushla angewidert ist; ihrem Kollegen, der sie unterstützt; Protestanten, die die irische Sprache von ihr lernen wollen, sie aber auch argwöhnisch betrachten.

Gegen alle Vernunft beginnt Cushla ein leidenschaftliches Verhältnis mit dem protestantischen Anwalt Michael, der wesentlich älter und verheiratet ist. Ihre Liebe müssen die beiden verstecken – immer wieder ist Cushla hin- und hergerissen zwischen ihrer Liebe zu Michael und ihrer Eifersucht, ihn teilen zu müssen. Schon bald kommt die Vorahnung, dass diese Geschichte böse enden wird.

Der Roman zeigt auf beeindruckende Weise den Alltag inmitten der Gewalt und die Suche der Menschen nach einem Stück Normalität in dieser erschreckenden Situation. Die zwischenmenschlichen Hoffnungszeichen sind klein, aber es gibt sie.

Louise Kennedy: „Übertretung“, Roman, Steidl Verlag 2023, ISBN 978-3969992593, 306 Seiten, 25,00 Euro.

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Teatime mit „Charlotte“

Teatime mit „Charlotte“

Stilvoller Genuss für Leib und Seele

Der Auftakt mit zwei adventlichen Veranstaltungen in 2023 hat offenkundig Lust auf mehr gemacht: Das Gründerzeitmuseum Villa Charlotte und die BÜCHER-HEIMAT laden auch in diesem Jahr wieder zum High Tea mit Literatur in Bad Harzburg ein.

Dabei verweben die Inhaber der Villa Charlotte und die Mitarbeiterinnen der BÜCHER-HEIMAT zwei Erfolgskonzepte: Die einen liefern das stilvolle Ambiente und kennen sich mit kulinarischen Leckereien aus, die anderen sind Fachfrauen in Sachen Büchern. Nun sind weitere gemeinsame Veranstaltungen geplant, zunächst drei für dieses Jahr, die in der Villa Charlotte in der Rudolf-Huch-Straße 10 in Bad Harzburg stattfinden.

Die Termine: 24. April, 21. August und 6. Dezember, Beginn jeweils 16.30 Uhr.

Foto: Villa Charlotte

Die Teekultur verdanken die Niedersachsen König Georg I., der 1714 die 123 Jahre währende Personalunion zwischen Hannover und Großbritannien begründete. Der High Tea ist eine abendliche Mahlzeit, zu der süße und herzhafte Häppchen serviert werden.

Ganz im Sinne dieser Tradition wird bei den Treffen in der Villa Charlotte zur Teatime gebeten – inklusive Sandwiches, Scones, Clotted Cream, Konfitüre, selbstgebackene Kuchen, Sahne und verschiedene Teesorten. Die Mitarbeiterinnen der BÜCHER-HEIMAT steuern Buchvorstellungen und kleine Lesungen bei. Die Kosten pro Person betragen 30,00 Euro für Speisen und Getränke, eine Anmeldung ist direkt in der Villa Charlotte unter Telefon 0160/91074053 oder per E-Mail: mail@villa-charlotte.de erforderlich, die Plätze sind begrenzt.

Ehre, wem Ehre gebührt…

Ehre, wem Ehre gebührt…

Eselsohr und Ehrentafel

Der Wandel vom Bankgebäude zur Heimat für alle Bücherfreunde schreitet an der ehemaligen Commerzbank weiter fort. In dem abknickenden Gässchen zwischen Herzog-Wilhelm- und Rosenstraße, dem Dirk Junicke den Namen „Eselsohr.“ verpasste, prangt jetzt eine Ehrentafel der bisherigen Preisträger des renommierten Bad Harzburger Jugendliteraturpreises „Eselsohr“. Von Klaus Kordon, der den Preis 1989 in Empfang nahm, bis zu Dirk Reinhardt, der 2022 mit „Perfect Storm“ siegte. Vorausschauend ist auf der Tafel selbstverständlich auch Platz für kommende Preisträger gelassen.

Einen besseren Ort für die Würdigung der Preisträger hatte man schwerlich in der Kurstadt finden können. Die Bücher-Heimat steht ebenso wie der Jugendliteraturpreis für ein Zusammenspiel der gesellschaftlichen Kräfte rund um engagierte Ehrenamtliche. Verliehen wird das „Eselsohr“ von der Harzburger Aktion, die auch die Jugendbuchwochen an den Schulen organisiert. Die Bücher-Heimat war Schauplatz der öffentlichen Lesung im Rahmen der Jugendbuchwoche und die Bad Harzburg-Stiftung finanziert (unter anderem aus den Gewinnen der Bücher-Heimat) die eigentliche Trophäe „Eselsohr“. Vor allem aber zeigt auch die Jury in der Bürgerinnen und Bürger der Stadt mitwirken, dass Bad Harzburg auch eine großartige „Buchstadt“ ist.

Das „Harzburger Eselsohr“*

Der Bad Harzburger Jugendliteraturpreis wird seit 1989 jedes zweite Jahr von der Stadt Bad Harzburg verliehen.

Preistrophäe ist das „Harzburger Eselsohr“ in Silber; zusätzlich ist der Preis mit 1500 Euro dotiert. Mit diesem Preis sollen herausragende Werke der Jugendliteratur ausgezeichnet und auf Neuerscheinungen der Literatur für Kinder und Jugendliche aufmerksam gemacht werden. Als Kandidaten kommen Bücher in Frage, die sich an Jugendliche ab 12 Jahren richten, ursprünglich in deutscher Sprache erschienen und noch nicht älter als drei Jahre sind. Über die Vergabe entscheidet eine ehrenamtliche Jury, der unter anderem Vertreter der Stadt und der Stadtbücherei sowie Bad Harzburger Jugendliche und Bürger angehören.

Die Trophäe wurde von Goldschmiedemeisterin Katrin Erben entworfen und von ihr für jeden Preisträger individuell in Handarbeit gefertigt.

Die bisherigen Preisträger:

1989: Klaus Kordon, Wie Spucke im Sand
1991: Renate Welsh, Drachenflügel
1993: Paul Maar, Kartoffelkäferzeiten
1996: Jürgen Banscherus, Davids Versprechen
1998: Reinhold Ziegler, Version 5Punkt12
2000: Waldtraut Lewin, Paulas Katze
2002: Martina Dierks, Romeos Küsse
2004: Lilli Thal, Mimus
2006: Antje Babendererde, Lakota Moon
2008: Steffen Lüddemann, 50 Hertz gegen Stalin
2010: Kathrin Schrocke, Freak City
2012: Heike Eva Schmidt, Amerika liegt im Osten
2014: Anna Kuschnarowa, Djihad Paradise
2016: Herbert Günther, Zeit der großen Worte
2018: Astrid Frank, Unsichtbare Wunden
2020: Manfred Theisen, Rot oder Blau
2022: Dirk Reinhardt, Perfect Storm

*Quelle: Wikipedia

Lenau Scholz über „Todesfrist“

Lenau Scholz über „Todesfrist“

Andreas Gruber:

Todesfrist

Sabine Nemez ist eine junge Kommissarin in München, die ihren ersten schwierigen Fall bekommt. Der Mörder entführt seine Opfer, ruft die Verbliebenen danach an, um ihnen 48 Stunden zu geben, den Fall zu lösen, sonst sterben sie.

Als Sabines Mutter ein weiteres Opfer wird und die Reihe der Opfer immer länger wird, wird ein Kollege vom BKA dazu gezogen, der nicht ganz normal ist. Maarten S. Sneidjer hat eine Quote von 97 Prozent, chronische Cluster-Kopfschmerzen, stiehlt Bücher, hasst Menschen, raucht Marihuana und trinkt Vanilletee. Den Sachverhalt möchte er immer in drei Sätzen formuliert haben.

Seltsamerweise möchte er ausgerechnet, dass Sabine ihm bei den Ermittlungen zur Seite steht und niemand anderes. Denn wie sich herausstellt, bleibt Sabines Mutter nicht das einzige Opfer und als sie herausfinden, dass der Täter nach einem bekannten Kinderbuch mordet, führt sie das auf eine heiße Spur…

Superwitzig und spannend! Sie werden sich köstlich amüsieren und das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Andreas Gruber: „Todesfrist“, Goldmann TB, 411 Seiten, ISBN 9783442478668, Preis: 12,00 Euro.

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Bettina Luis über „Beethovn“

Bettina Luis über „Beethovn“

Albrecht Selge:

Beethovn

Da hatte ich gerade erst die letzte Seite des derzeitigen Bestsellers von Florian ILLIES, ZAUBER DER STILLE, gelesen und das Buch ungern, aber mit einem anerkennenden Lächeln geschlossen. Es hatte mich inhaltlich und stilistisch wirklich für Casper David Friedrich, diesen mir irgendwie Ja und doch nicht richtig bekannten romantischen Maler eingenommen. Endlich eine Biographie, die mich richtig gefesselt hatte!

Noch immer davon „bezaubert“, empfiehlt mir ein Freund  BEETHOVN von ALBRECHT SELGE aus dem Jahr 2020. Also, nach der Malerei nun auf ins Reich der Musik! Beethoven, natürlich kenne ich ihn, habe mich ja durch manche Klavierpartitur gequält. Auch dass er am Ende seines Lebens komplett taub war, weiß doch jeder. Wie auch nicht wenige davon überzeugt sind, dass „höhere Mächte“ ihm seine schon zu Lebzeiten bewunderten Werke auf das Notenblatt „diktiert“ haben sollen. Aber viel mehr wusste ich ehrlich gesagt nicht mehr.

Nach SELGEs Lektüre aber ist alles anders! Mein erster Gedanke: Hat Florian ILLIES diesen Albrecht SELGE gelesen? Hat Illies sich stilistisch und kompositorisch u.U. bewusst an SELGEs kreativen, ebenfalls ganz unkonventionellen und kurzweiligen Biographie- und Sprachstil angelehnt?

Egal, ich habe  wunderbar „erhellende“ Stunden mit BEETHOVN, BEETHOWEN, BETHOFN, BET-OFEN oder „VAN Beethowen“, der so gern ein „VON Beethoven“ gewesen wäre, verbracht! A. SELGE „malt“ kunstvoll in einzelnen Kapiteln detaillierte Bilder des alternden Meisters, seines Alltags und seiner Musik: B. WAR NICHT DA, B. SCHLIEF, B. SCHLUG, B. SCHRIEB, B. BADETE, B. Aß, B.SCHLIEF (wieder) und letztendlich: BEETHOVEN STARB. 

Immer sind da B. nahestehende Mitmenschen, Vertraute, Verstorbene, vor allem jene blinde feministische gute Geistin, die Ahnin und unerreichbare Geliebte verschmelzen lässt. Sie alle schauen aus ihren Augen auf und in Beethovens Familiengeschichte, bedenken jene „unvollendete“ große Liebe, erleben seinen chaotischen Alltag, seine Schaffenskrisen.

Die Unwilligkeiten des Genies, der sich zunehmend aus der Welt zurückzog, zu viel trank und mehr und mehr weigerte, seiner Fangemeinde zu entsprechen, fordern jeden dieser Mitmenschen heraus, sich dieser großen Persönlichkeit gegenüber irgendwie zu verhalten: Egal ob es die schimpfende Haushälterin ist oder der „Wunschsohn“, jener Neffe Karl, den B. als „Möchtegernvater“ durch seinen übergriffigen Erziehungsstil wenig Raum zur Entfaltung schenkt.

A. SELGE überlässt den einzelnen Figuren ihren eigenen Erzählstil, sodass auch wichtige Phasen und Gedanken ihres eigenen Lebens Raum und Sprache finden. Zeiten und Figuren verschwimmen, Chronologie tritt zugunsten spannender Sprünge durch die Geschichte in den Hintergrund.

Und noch etwas ist an BEETHOVN mehr als phantastisch: A. Selges Sprache! Virtuos komponiert er ausladende Langsätze, die unvermittelt in Satzfragmenten enden können und jenseits aller Interpunktionsregel daherkommen. Und wenn ALBRECHT SELGE dann neben philosophischen Kernaussagen B. sagen lässt:  ICH BIN WAS DA IST und gleichzeitig humorvoll die geliebten Vögel, wenn auch ungehört, TICKITICKERN lässt, dann zaubert dieser oft laute BEETHOVN sprachlich herausragend seine ganz eigene zauberhafte Stille.

Albrecht Selge: „Beethovn“, Rowohlt Taschenbuch, 237 Seiten, ISBN 9783499276750, Preis: 12,00 Euro.


Petra Nietsch über „Alte Wege“

Petra Nietsch über „Alte Wege“

Robert MacFarlane:

Alte Wege

The Old Ways

„Alte Wege ist kein Sachbuch und keine Prosa, kein Wanderführer, kein Lyrikband und keine Lebenshilfe, doch von allem etwas und vor allem ein Werk, das beim Lesen Anstöße gibt.“
Christian Mückl, Nürnberger Zeitung

Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Wenn ich dieses Buch nicht geschenkt bekommen hätte, hätte ich es vermutlich niemals gelesen, was sehr schade gewesen wäre.

Der Autor, Robert MacFarlane wandert auf alten Pfaden meist in England, Schottland, aber auch Palästina, Nepal und Spanien. Und diese erweckt er zum Leben, denn er beschreibt, wieviel Geschichte oder Geschichten in ihnen stecken.

Wer ist diesen Weg vor vielleicht 5000 Jahren gelaufen und warum? Wie haben Wind und Wetter diese möglicherweise verändert? Wie haben sie das Leben der Menschen geprägt und, und, und. Er betrachtet den Begriff „Weg“ unter ganz verschiedenen Aspekten, manchmal philosophisch, spirituell oder literarisch.

Das Buch hat sechzehn Kapitel, die inhaltlich mehr oder weniger abgeschlossen sind. Mehr als eins habe ich an einem Tag meistens nicht geschafft, denn jedes regt zum Nachdenken an.

Immer mal wieder wird es auch sehr detailliert und wissenschaftlich, worüber ich dann gerne mal hinweggelesen habe, aber an diesen Stellen kann jeder für sich selbst entscheiden, wie sehr er sich mit dem Thema auseinandersetzen möchte. Trotz dieser gelegentlichen intellektuellen Hürden, wollte ich  das Buch nie aus der Hand legen, sondern war im Gegenteil immer neugierig auf das, was als Nächstes kommt.

In jedem Fall ist das Buch gut lesbar, denn als Literaturprofessor in Cambridge ist MacFarlane mit Worten vertraut, auch zitiert er regelmäßig Schriftsteller, die mit der Natur verbunden waren. So auch Robert Frost und sein berühmtes Gedicht: „The Road Not Taken“ .

Ein Buch, aus dem verschiedenste Einzelheiten noch lange in Erinnerung bleiben werden, dass meines Erachtens ganz unterschiedliche Menschen anspricht und dass in jedem Fall nachhallt.

Robert MacFarlane: „Alte Wege”, Matthes & Seitz Verlag, 346 Seiten, ISBN 9783957572431, Preis: 38,00 Euro.

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