Das Land der Anderen

Das Land der Anderen


Leila Slimani:

Das Land der Anderen

Slimani zeigt, was es bedeutet in einer anderen Kultur als der eigenen zu leben.

Mathilde, eine junge Elsässerin, folgt ihrem Mann Amine, einem marokkanischem Offizier, nach der Befreiung des Elsass‘ in sein Heimatland, wo er versucht einen landwirtschaftlichen Betrieb aufzubauen.

Nach einer Weile passt sie sich den dortigen Gepflogenheiten und Lebensformen an. Auch zum Schutz ihrer beiden Kinder erträgt sie die Wutausbrüche und körperliche Gewalt ihres Mannes, sowie die Diskriminierung der einheimischen Bevölkerung.

Obwohl Slimani die Geschichte ihrer Großmutter erzählt, schreibt sie nüchtern, fast unterkühlt und sachlich distanziert ohne Bewertung der beiden unterschiedlichen Familien.

Verblüffend, wie spannend und leicht sich der Roman liest, obwohl kaum etwas passiert.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Leila Slimani: „Das Land der Anderen“, Luchterhand, 384 Seiten, ISBN: 978-3-630-87646-7, Preis: 22,00 Euro.

Romane von J.L. Carr

Romane von J.L. Carr

J.L. Carr:

Wie die Steeple Sinderby Wanderers den Pokal holten

J.L.Carrs Romane sind Geschichten voll unvergesslicher Charaktere, mit viel Witz und leiser Melancholie durchwirkt.

„Wie die Steeple Sinderby Wanderers den Pokal holten“ ist mehr als ein Buch über Fußball, es ist eine Geschichte vom Erfolg des Underdogs.Der märchenhafte Aufstieg einer Amateurmannschaft aus dem ländlichen Yorkshire, einer Dorfgemeinschaft voller Sonderlinge, vom Schicksal links liegengelassen, erzeugt Spannung, Rührung und befreiendes Lachen.

„Ein Monat auf dem Land“ ist die Geschichte eines Mannes, der den 1. Weltkrieg überlebt und stark traumatisiert in ein Dorf in der Gemeinde Yorkshire kommt. Er soll  ein altes Gemälde in der Kirche freilegen und hofft, in der Ruhe und Einfachheit der Gemeinde zu gesunden.

J.L. Carr starb 1994 und verfasste acht Romane. Durch Zufall stieß ich auf eines seiner Bücher. Gern möchte ich den Autor mit seiner sprachlichen Leichtigkeit und Eleganz weiter empfehlen.

J.L. Carr: „Wie die Steeple Sinderby Wanderers den Pokal holten“, Dumont-Buchverlag, 192 Seiten, ISBN 978-3-8321-9854-1, Preis: 20,00 Euro.
J.L. Carr: „Ein Monat auf dem Land“, Dumont-Buchverlag, 158 Seiten, ISBN 978-3-8321-9835-0, Preis: 18,00 Euro.

J.L. Carr:

Ein Monat auf dem Land


Das Versprechen

Das Versprechen

Damon Galgut:

The Promise/Das Versprechen

Gewinner des Booker-Prize 2021

Wie so oft bei preisgekrönten Bücher handelt es sich auch hier um einen Roman, der nicht leicht zu lesen ist, aber viel bietet, insbesondere für alle diejenigen, die sich für Südafrika interessieren und Freude an ungewöhnlichen Erzähltechniken haben.

Die Handlung erstreckt sich über 40 Jahre von der Apartheid bis in die heutige Zeit und macht am Beispiel einer weißen Farmer-Familie (mit dem symbolhaften Namen Swart) deutlich, wie schwer es vor allem der ehemals herrschenden Bevölkerung fällt, sich den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Sinnbildlich dafür steht auch das Versprechen, das die Matriarchin Rachel vor ihrem Tod ihrem Mann abgenommen hat: Salomé, die schwarze Haushälterin, soll das Haus und das Land, auf dem sie lebt, als Eigentum erhalten. Doch sie muss lange Zeit warten, denn dieses Versprechen wird erst am Ende der Romans von der jüngsten Tochter, Amor, eingelöst.

Damon Galgut wählt einen nicht alltäglichen, aber sehr erfolgreichen Erzählstil. Indem er  ständig und auch überraschend die narrative Perspektive wechselt und sogar den Leser/die Leserin immer mal wieder direkt anspricht. Auch wenn die Grundstimmung insgesamt recht düster ist, finden sich auch humorvolle Passagen, die einen schmunzeln lassen.

Fazit: Das Buch hat mir wegen seines hohen literarischen Wertes und der historischen Relevanz gefallen, ich würde es aber nicht als Strandlektüre empfehlen.

Damon Galgut: „Das Versprechen“ (OT: „The Promise), Luchterhand Literaturverlag, 368 Seiten, ISBN: 978-3-630-87707-5, Preis: 24,00 Euro.


Das Flüstern der Feigenbäume

Das Flüstern der Feigenbäume

Elif Shafak:

Das Flüstern der Feigenbäume

Elif Shafak erzählt eine spannende zyprische „Romeo und Julia“-Geschichte einfühlsam auf zwei Zeitebenen.

Sie hat ihr Buch den Emigranten und Exilanten überall auf der Welt gewidmet….

Die politische Brisanz und die Botschaft, wie Mensch und Natur trotz Unterschieden miteinander verwoben sind, haben mich beeindruckt.

Elif Shafak: „Das Flüstern der Feigenbäume“, Verlag Kein & Aber, 512 Seiten, ISBN: 978-3-0369-5863-7, Preis: 27,00 EUR


Spaß mit Flaggen

Spaß mit Flaggen

Spass mit Flaggen

Benjamin Friedrich, Jasemin Uysal, Jeremy Connor:

Spaß mit Flaggen

Vexillologie. Der Terminus technicus für Flaggenkunde hat zwar das Zeug zum Zungenbrecher, dass sich dahinter spannende und lustige Geschichten verbergen könnten, vermutet man eher weniger. Fans der TV-Serie „Big Bang Theory“ jedoch wissen es besser, denn Sheldon Cooper lädt zu „Fun with Flags“ ein. Was der Katapult-Verlag als Herausgeber ganz sicher im Hinterkopf hatte, als er für sein Buch den verkaufsfördernden Titel „Spaß mit Flaggen“ wählte.

Das Buch hält über weite Strecken durchaus, was es verspricht. Die Lektüre ist extrem kurzweilig, erfordert aber dennoch ein hohes Maß an Konzentration – weil die Gedanken ständig auf Reisen sind. Nicht allein in die Länder, deren Flaggen bisweilen eigenwillig interpretiert werden. Parallel war ich ständig am Überlegen, bei welcher Gelegenheit ich mit dem frisch erworbenen Wissen prahlen oder mit einigen guten Gags brillieren könnte…

In „Spaß mit Flaggen“ feiert die Grundidee des Katapult-Verlages, der überwiegend mit Infografiken und Karten arbeitet, fröhliche Urstände. Man kann das Buch in zwei, drei Stunden durchgeblättert haben, man wird es aber gern auch immer wieder in die Hand nehmen. In einigen freien Flaggen-Erläuterungen gilt zwar die Devise „Witz komm raus, du bist umzingelt“, aber selbst dann war ein Schmunzeln immer drin. Und herzhaftes Lachen oder auch interessiertes Staunen über Flaggen-Fakten überwiegen.

Katapult-Verlag (Hrsg.): „Spaß mit Flaggen“, Katapult 2021, 180 Seiten, ISBN 978-3-948923-16-7, Preis 22 Euro.


See. Not. Rettung.

SeeNotRettung
SeeNotRettung

Tobias Schlegl:

See. Not. Rettung.

Meine Tage an Bord der Sea-Eye 4

Tobias Schlegl hat ein bewegendes und sehr persönliches Buch über seinen freiwilligen Einsatz auf dem Seenotrettungsschiff Sea-Eye 4 geschrieben. Das Buch ist kein distanzierter Bericht, sondern Schlegl verarbeitet auch seine Erfahrungen. Denn: Wer die Lebensgeschichten der Geflüchteten hautnah miterlebt hat, der wird selbst verändert.

Tobias Schlegl war lange Fernsehmoderator, zunächst bei Viva, dann bei der Satiresendung Extra3 und für das Kulturmagazin aspekte. Diese Jobs gab er zum Teil auf, um eine Ausbildung zum Rettungssanitäter zu machen – und nun fuhr er auf der Sea-Eye 4 bei einem Einsatz mit, um seine Kenntnisse in den Dienst der Sache zu stellen. Wie in einer Reportage berichtet er gut lesbar er über seine eigenen Schwierigkeiten, sich auf die Situation an Bord einzustellen, über Vorbereitungen und Schwierigkeiten, über das internationale Team an Bord, über behördliche Schikanen im Hafen, den gefährlichen Wettlauf mit der libyschen Küstenwache und die dramatische Rettung Geflüchteter – im Mittelpunkt aber stehen die Geflüchteten selbst mit ihren Geschichten. Sie machen deutlich, dass niemand sich leichtfertig auf dem Mittelmeer in Lebensgefahr begibt. Sie alle haben brutale Erfahrungen in ihrem Leben gemacht.

Tobias Schlegl haben nach Bekanntwerden seines Einsatzes und Erscheinen des Buches heftige Anfeindungen und Hassbotschaften im Netz erreicht. Das Buch entlarvt diese Verleumdungen. Das Anliegen der Sea-Eye 4 und des Autors werden mehr als deutlich: „Seenotrettung ist humanistische Pflicht. Bei allen politischen Diskussionen um die Migration ist das doch das Mindeste, auf das sich alle einigen können sollten.“ So ist das Buch auch ein Appell an Gesellschaft und Politik dafür zu sorgen, dass niemand mehr im Mittelmeer ertrinken muss. Denn bisher ist das Mittelmeer „ein riesiger Friedhof“. Und das darf nicht so bleiben.

Tobias Schlegl: See. Not. Rettung. Meine Tage an Bord der Sea-Eye 4, Piper Paperback 2022, 224 Seiten, ISBN 978-3492063463, Preis: 16,00 Euro

Kurz mal mit dem Universum plaudern

Kurz mal mit dem Universum plaudern

Preston Norton:

Kurz mal mit dem Universum plaudern

„In diesem Moment wurde mir etwas über uns Menschen klar: Wie hören nie auf, uns zu bemühen. Auch wenn es nicht so wirkt oder wir es gar nicht wollen oder dermaßen am Boden sind, dass uns alles egal sein müsste… Wir können es nicht abstellen. Es ist unser hervorstechendster Charakterzug.“

Um ganz ehrlich zu sein, habe ich dieses Buch nur aus zwei Gründen gelesen: 1. Weil ich gerade kein anderes gefunden habe und 2. Weil ich den Titel ganz ansprechend fand.

Der Klappentext verrät zum Inhalt so ungefähr gar nichts – was sich aber als glücklicher Zufall herausstellt. Denn sicher hätte ich es sonst nicht gelesen.

Preston Norton schreibt wirklich unterhaltsam und leicht. Es lassen sich zahlreiche wunderschöne „popkulturelle Anspielungen“ finden, wie Publishers Weekly es nennt und Charaktere, die man einfach mögen muss. Sie sind nicht wahnsinnig tiefsinnig, aber die Geschichte hat Charme – wenn sie zuweilen auch vorhersehbar ist.

Im Fokus steht Cliff. Ein Junge, der von der Familie vernachlässigt, von der Schule gequält und von der Welt verletzt ist. Allein, nach dem Tod seines besten Freunds und Bruders, Shane.

Eigentlich passt dieses Buch nämlich so gar nicht in die erlesene Sammlung meines Bücherschranks. Aber was soll ich sagen: Es hat sich gelohnt. Das obenstehende Zitat gibt im Grunde einen sehr guten Überblick über den roten Faden dieses Buches: Hoffen, sich bemühen und nicht aufgeben.

Preston Norton: „Kurz mal mit dem Universum plaudern“, Carl Hanser Verlag, 448 Seiten, ISBN 978-3-446-27237-8, Preis: 18,00 Euro.


Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Susan Abulhawa:

Mornings in Jenin | Während die Welt schlief

Die fiktive Geschichte der Familie Abulheja erstreckt sich über vier Generationen und steht beispielhaft für viele menschliche Schicksale im Nahost-Konflikt. Mit der Staatsgründung Israels 1948 werden die Bewohner des Dorfes Ein Hod von ihren Grundstücken vertrieben und in das Flüchtlingslager in Jenin umgesiedelt, welches bis zum heutigen Tage noch existiert. Hier wird 1955 auch Amal, die Enkeltochter des Familienoberhauptes, geboren. Sie ist der zentrale Charakter, aus deren Perspektive der überwiegende Teil des Romans erzählt wird. Durch sie erfahren wir nicht nur von ihrem Leben, das sie vom Flüchtlingslager in ein Waisenhaus in Jerusalem und später auch nach Amerika führt, sondern  auch vom Leben ihrer beiden Brüder. Dabei sind die im Laufe der Jahre immer wieder auftretenden Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästina stets präsent.

Mir hat der Roman vor allem deshalb gefallen, weil der Nahost-Konflikt aus der Perspektive der Palästinenser dargestellt wird, was bei mir zu vielen neuen Erkenntnissen geführt hat. Eine seiner Stärken ist neben der Sprache, die sich vielfach der arabischen Poesie bedient, die Mischung aus Fiktion und Dokumentation.

Die Sunday Times sagt sehr treffend:  “Mornings in Jenin is the first English language novel to express fully the human dimension of the Palestinian tragedy.”  

Susan Abulhawa: „Während die Welt schlief“ (OT: „Mornings in Jenin“), Diana Verlag (OT: Bloomsbury Publishing), 448 Seiten, ISBN 978-3-453-35662-7, Preis: 11,00 Euro


Sie kam aus Mariupol

Sie kam aus Mariupol

Sie kam aus Mariupol

Natascha Wodin:

Sie kam aus Mariupol

Mariupol – eine Stadt, die beim Hören und Sehen der vielen Schreckensnachrichten aus dem gegenwärtigen Krieg gegen die Ukraine immer wieder begegnet. So kam mir wieder ein großartiges Buch in den Sinn, das ich vor einigen Jahren gelesen habe: „Sie kam aus Mariupol“ von Natascha Wodin. Das 2017 erschienene und vielfach preisgekrönte Buch, inzwischen als Taschenbuch verfügbar, beschreibt eindrücklich die Suche der Autorin nach ihrer Mutter und deren Familiengeschichte.

Natascha Wodin wurde 1945 in einem DP-Lager (Displaced Persons) als Kind sowjetischer Zwangsarbeiter geboren. Die Mutter nahm sich früh das Leben, weil sie das entwürdigende Leben in Deutschland nicht ertragen konnte. Natascha, die anschließend in einem Kinderheim aufwuchs, blieben nur einige Fotos und eine Ikone von ihrer Mutter. Natascha Wodin nimmt die Leser*innen mit auf eine lange Suche nach ihrer Mutter und der Familie.

Dabei begegnet man einem bewegenden menschlichen Schicksal und den vielen Wendungen europäischer Geschichte im 20. Jahrhundert: Verfolgung unter dem Stalinismus, dem Krieg der Deutschen gegen die Sowjetunion in der Ukraine, Zwangsarbeit in Deutschland, Demütigungen in der Nachkriegszeit. Und als Leser*in kommen wir auch nach Mariupol, der Stadt am Asowschen Meer, die vor dem Ersten Weltkrieg eine multikulturelle Stadt war – Ukrainer, Russen, Griechen, Italiener, Franzosen, Deutsche, Türken, Polen, Juden lebten hier zusammen. Und fassungslos werden wir auch  mit der Zerstörung durch die Deutschen konfrontiert: „Ganz Mariupol verbrannt, gesprengt …“ Wie sich die Bilder gleichen.

Natascha Wodin: Sie kam aus Mariupol, Rowohlt Taschenbuch 2018, 368 Seiten, ISBN 978-3499290657, Preis: 12,00 Euro.

Zwei alte Frauen

Zwei alte Frauen

Velma Wallis: Two Old Women

Zwei alte Frauen

Velma Wallis schreibt in diesem Büchlein eine Legende nieder, die bislang von ihrem in Alaska beheimateten Stamm ausschließlich mündlich weitergegeben wurde. Die Gwich’in sind ein Nomadenvolk und während eines besonders harten Winters können sie kaum noch Nahrung finden. Es droht die  Gefahr, dass sie alle verhungern. Den Stammesgesetzen entsprechend entschließen sie sich, die beiden ältesten, sehr betagten Frauen in der Wildnis zurückzulassen, da sie nur noch eine Bürde sind. Nach dem ersten Schrecken entscheiden die beiden, sich nicht ihrem Schicksal zu ergeben und besinnen sich auf Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sie seit ihrer Jugend gelernt haben…

Die Geschichte ist geradlinig und fesselnd erzählt. Durch die detailgetreuen Naturbeschreibungen wird eine Landschaft lebendig, die sich viele von uns in ihrer Schönheit aber auch Grausamkeit nicht vorstellen können. Legenden und Sagen vermitteln auch immer eine Botschaft. In diesem Fall geht es um Gemeinschaft, Respekt, aber auch soziale Verantwortung. Themen, die auch in unserer modernen Zeit eine Bedeutung haben.

Velma Wallis: „Zwei alte Frauen“ (OT: „Two Old Women“), Verlag Piper Taschenbuch, 128 Seiten, ISBN 978-3492240345, Preis: 10,00 Euro.