Der Zauberer

Der Zauberer

Der Zauberer

Colm Tóibín:

Der Zauberer

The Magician

Ein irischer Schriftsteller schreibt eine Romanbiografie über Thomas Mann. Diese Tatsache alleine macht schon neugierig. Aus Sicht des Nobelpreisträgers erzählt Tóibín das bewegte Leben Thomas Manns und seiner Familie. Vieles ist bekannt, aber vieles auch neu, so z.B. Manns politische Positionen während der beiden Weltkriege oder sein oftmals ambivalentes Verhältnis zu seinen Kindern und seinem Bruder Heinrich.

Beeindruckt haben mich die Beschreibungen, auf welcher Grundlage bzw. aus welchen Ideen seine vielen Erzählungen und Romane entstanden sind. Die Literaturkritiker sind zwar geteilter Meinung, mir hat das Buch jedoch sehr gut gefallen, und es hat mir Lust gemacht, Manns Erzählungen aus dem Bücherschrank zu holen und darin mal wieder zu stöbern.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Colm Tóibín: The Magician/Der Zauberer, Hanser-Verlag, 556 Seiten, ISBN 9783446270893, Preis: 28,00 Euro.


Das Versprechen

Das Versprechen

Damon Galgut:

The Promise/Das Versprechen

Gewinner des Booker-Prize 2021

Wie so oft bei preisgekrönten Bücher handelt es sich auch hier um einen Roman, der nicht leicht zu lesen ist, aber viel bietet, insbesondere für alle diejenigen, die sich für Südafrika interessieren und Freude an ungewöhnlichen Erzähltechniken haben.

Die Handlung erstreckt sich über 40 Jahre von der Apartheid bis in die heutige Zeit und macht am Beispiel einer weißen Farmer-Familie (mit dem symbolhaften Namen Swart) deutlich, wie schwer es vor allem der ehemals herrschenden Bevölkerung fällt, sich den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Sinnbildlich dafür steht auch das Versprechen, das die Matriarchin Rachel vor ihrem Tod ihrem Mann abgenommen hat: Salomé, die schwarze Haushälterin, soll das Haus und das Land, auf dem sie lebt, als Eigentum erhalten. Doch sie muss lange Zeit warten, denn dieses Versprechen wird erst am Ende der Romans von der jüngsten Tochter, Amor, eingelöst.

Damon Galgut wählt einen nicht alltäglichen, aber sehr erfolgreichen Erzählstil. Indem er  ständig und auch überraschend die narrative Perspektive wechselt und sogar den Leser/die Leserin immer mal wieder direkt anspricht. Auch wenn die Grundstimmung insgesamt recht düster ist, finden sich auch humorvolle Passagen, die einen schmunzeln lassen.

Fazit: Das Buch hat mir wegen seines hohen literarischen Wertes und der historischen Relevanz gefallen, ich würde es aber nicht als Strandlektüre empfehlen.

Damon Galgut: „Das Versprechen“ (OT: „The Promise), Luchterhand Literaturverlag, 368 Seiten, ISBN: 978-3-630-87707-5, Preis: 24,00 Euro.


Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Susan Abulhawa:

Mornings in Jenin | Während die Welt schlief

Die fiktive Geschichte der Familie Abulheja erstreckt sich über vier Generationen und steht beispielhaft für viele menschliche Schicksale im Nahost-Konflikt. Mit der Staatsgründung Israels 1948 werden die Bewohner des Dorfes Ein Hod von ihren Grundstücken vertrieben und in das Flüchtlingslager in Jenin umgesiedelt, welches bis zum heutigen Tage noch existiert. Hier wird 1955 auch Amal, die Enkeltochter des Familienoberhauptes, geboren. Sie ist der zentrale Charakter, aus deren Perspektive der überwiegende Teil des Romans erzählt wird. Durch sie erfahren wir nicht nur von ihrem Leben, das sie vom Flüchtlingslager in ein Waisenhaus in Jerusalem und später auch nach Amerika führt, sondern  auch vom Leben ihrer beiden Brüder. Dabei sind die im Laufe der Jahre immer wieder auftretenden Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästina stets präsent.

Mir hat der Roman vor allem deshalb gefallen, weil der Nahost-Konflikt aus der Perspektive der Palästinenser dargestellt wird, was bei mir zu vielen neuen Erkenntnissen geführt hat. Eine seiner Stärken ist neben der Sprache, die sich vielfach der arabischen Poesie bedient, die Mischung aus Fiktion und Dokumentation.

Die Sunday Times sagt sehr treffend:  “Mornings in Jenin is the first English language novel to express fully the human dimension of the Palestinian tragedy.”  

Susan Abulhawa: „Während die Welt schlief“ (OT: „Mornings in Jenin“), Diana Verlag (OT: Bloomsbury Publishing), 448 Seiten, ISBN 978-3-453-35662-7, Preis: 11,00 Euro


Zwei alte Frauen

Zwei alte Frauen

Velma Wallis: Two Old Women

Zwei alte Frauen

Velma Wallis schreibt in diesem Büchlein eine Legende nieder, die bislang von ihrem in Alaska beheimateten Stamm ausschließlich mündlich weitergegeben wurde. Die Gwich’in sind ein Nomadenvolk und während eines besonders harten Winters können sie kaum noch Nahrung finden. Es droht die  Gefahr, dass sie alle verhungern. Den Stammesgesetzen entsprechend entschließen sie sich, die beiden ältesten, sehr betagten Frauen in der Wildnis zurückzulassen, da sie nur noch eine Bürde sind. Nach dem ersten Schrecken entscheiden die beiden, sich nicht ihrem Schicksal zu ergeben und besinnen sich auf Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sie seit ihrer Jugend gelernt haben…

Die Geschichte ist geradlinig und fesselnd erzählt. Durch die detailgetreuen Naturbeschreibungen wird eine Landschaft lebendig, die sich viele von uns in ihrer Schönheit aber auch Grausamkeit nicht vorstellen können. Legenden und Sagen vermitteln auch immer eine Botschaft. In diesem Fall geht es um Gemeinschaft, Respekt, aber auch soziale Verantwortung. Themen, die auch in unserer modernen Zeit eine Bedeutung haben.

Velma Wallis: „Zwei alte Frauen“ (OT: „Two Old Women“), Verlag Piper Taschenbuch, 128 Seiten, ISBN 978-3492240345, Preis: 10,00 Euro.


Ich habe einen Namen

Ich habe einen Namen


Lawrence Hill:

The Book of Negroes | Ich habe einen Namen

Basierend auf historischen Fakten erzählt der Roman die fiktive Lebensgeschichte von Aminata Diallo, später im Buch meist Meena genannt. Obwohl in Afrika in Freiheit geboren, wird sie nach Amerika verschleppt und als Sklavin verkauft. Vor allem durch ihren starken Willen gelingt es ihr, ihre Freiheit zurückzugewinnen. Die verschiedenen Stationen ihres Lebens, und davon gibt es sehr viele, werden eindrucksvoll geschildert. Aminata ist nicht nur zielstrebig, sondern auch klug. Sie spricht verschiedene afrikanische Sprachen und lernt Lesen und Schreiben. All dies hilft ihr auf ihrem beeindruckenden Weg in die Freiheit, auch weil sie zunehmend den Respekt weißer Amerikaner und Briten gewinnt.

Das Buch ist berührend aufschlussreich, denn es vermittelt auch weniger bekannte Fakten über die Sklaverei. Es besticht durch seine historische Präzision, die aber auch dazu führt, dass die Unmenschlichkeit mit der die Sklaven behandelt wurden, zum Teil sehr detailliert beschrieben werden.

Die Tatsache, dass eine Geschichte, die im 18. Jahrhundert spielt, aus einer weiblichen Perspektive erzählt wird, hat zudem einen besonderen Reiz, zumal der Autor männlich ist.

Lawrence Hill: „Ich habe einen Namen“ (OT: „The Book of Negroes“), DUMONT Verlag (OT: Transworld Publishers), 576 Seiten, ISBN 978-3-8321-6205-4, Preis: 12 Euro


Die Mitternachtsbibliothek

Die Mitternachtsbibliothek

Matt Haig:

The Midnight Library | Die Mitternachtsbibliothek

Nora Seed verliert ihren Job, fühlt sich von allen geliebten Menschen verlassen, und dann wird auch noch ihre Katze überfahren. Sie hält sich für überflüssig und beschließt in ihrer Verzweiflung, sich das Leben zu nehmen. Aber nicht einmal das gelingt ihr. Stattdessen findet sie sich in einer Bibliothek wieder. Die Bücher in den Regalen enthalten ihre Geschichten und erzählen, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie zu bestimmten Zeitpunkten beruflich und privat andere Entscheidungen getroffen hätte. Mit jedem Buch, das sie öffnet, bekommt sie die Möglichkeit, in dieses Leben einzutauchen und zu entscheiden, ob dieses Leben ein besseres, lebenswerteres gewesen wäre. Nora öffnet sehr viele Bücher, und wir dürfen an diesen anderen Leben teilhaben.

Der Roman ist äußerst unterhaltsam geschrieben, so dass man ihn nur schwer aus der Hand legen kann. Er macht aber auch nachdenklich, denn man stellt sich während des Lesens  natürlich auch immer die Frage: „Was wäre, wenn….“

Matt Haig: „Die Mitternachtsbibliothek“ (OT: „The Midnight Library“), Droemer Verlag (OT: Canongate Books), 320 Seiten, ISBN 978-3-426-28256-4, Preis: 20 Euro


Farbenblind

Farbenblind

Trevor Noah:

Born a Crime | Farbenblind

Trevor Noah wird als Sohn eines Schweizers und einer Xhosa zur Zeit der Apartheid im Township Soweto geboren. Da in diesem System solch eine Beziehung illegal war, galt er in den Augen des Staates als Verbrechen.

In seinem Buch erzählt der Autor episodenhaft, wie er während und nach der Apartheid aufwuchs. Seine persönlichen Erfahrungen vermitteln einen Eindruck, welche Herausforderungen an die Gesellschaft in Südafrika gestellt wurden und immer noch werden, zeigen Ursachen auf, warum die schwarze und weiße Bevölkerung so schwer zueinander findet und wie stark Armut das Leben bestimmen. Viele seiner Schilderungen machen betroffen, aber Trevor Noah erzählt seine Geschichten feinfühlig und mit viel Humor, so dass man schmunzeln oder manchmal sogar laut lachen muss.

Eine Empfehlung für alle, die nicht nur die Schönheit Südafrikas kennenlernen möchten, sondern auch mehr über seine Geschichte, seine Politik und seine Menschen erfahren wollen.

Trevor Noah lebt seit 2011 in den USA, ist ein erfolgreicher Kabarettist und Schauspieler und moderiert die „Daily Show.

Trevor Noah: „Farbenblind“ (OT: „Born a Crime“), Blessing-Verlag (OT: Spiegel & Grau), 336 Seiten, ISBN: 978-3-89667-590-3, Preis: 19,99 Euro (HC).


Der Junge , der den Wind einfing

Der Junge , der den Wind einfing

William Kwamkwamb & Bryan Mealer:

The Boy who harnessed the Wind

Der Junge , der den Wind einfing

Dies ist die wahre Geschichte eines Jungen, der in Malawi aufwächst, wo Hunger und Wasserknappheit das Leben der Menschen bestimmen. Als in 2002 eine Dürre die gesamte Ernte in seinem Heimatdorf vernichtet, kann William nicht weiter die Schule besuchen, da seine Eltern das jährliche Schulgeld von $80 nicht mehr aufbringen können. Doch der 14-jährige hat in der Bücherei ein Buch über Energiegewinnung gefunden, und er entwickelt einen Traum. Er möchte ein Windrad bauen, um das Leben seiner Familie zu erleichtern. Und gegen alle Widrigkeit gelingt es ihm. Ihr Haus bekommt Strom und später auch fließendes Wasser

William Kwamkwamba hat in einem Interview zwei Dinge gesagt, die mich nicht nur berührt haben, sondern auch seinen Mut und seine Zielstrebigkeit unterstreichen:

„Ich habe dieses Buch geschrieben, um den Menschen zu erzählen, dass sie alles schaffen können, wenn sie es nur wollen.“

„Die meisten Geschichten über Afrika sind negativ. Ich möchte eine Geschichte voller Hoffnung erzählen. Ich habe aus meiner Geschichte gelernt, dass man es nur versuchen muss.“

William Kwamkwamb & Bryan Mealer: „Der Junge , der den Wind einfing“ (OT: „The Boy who harnessed the Wind“), Verlag Diederichs (HarperCollins), 384 Seiten, ISBN: 978-3-424-35111-8, Preis: 12,00 Euro (dt. Ausgabe Tb).


Die Souveräne Leserin

Die Souveräne Leserin

Alan Bennett: The Uncommon Reader

Die Souveräne Leserin

Queen Elisabeth entdeckt am Hintereingang des Buckingham Palasts zufällig einen Büchereibus. Zunächst aus Höflichkeit leiht sie sich ein Buch aus. Dieses Ereignis führt dazu, dass sie mit 80 Jahren die Welt der Literatur entdeckt und zu einer begeisterten Leserin wird. Nicht verwunderlich, dass dies Einfluss auf ihre royalen Pflichten hat, die sie zunehmend langweilen. Ihr Verhalten führt zu Irritationen bei den Bediensteten aber auch bei Staatsempfängen.

Die von Alan Bennett geschriebene Erzählung ist ein Muss für alle, die den britischen Humor genauso lieben wie die Literatur und das englische Königshaus. Durch sein Kürze und nicht allzu komplexe Sprache ist das Büchlein auch im Original gut lesbar.

Alan Bennett: „Die Souveräne Leserin“ (OT: „The Uncommon Reader“), Verlag Klaus Wagenbach, 120 Seiten, ISBN 978-3-8031-1286-6, Preis: 14,90 Euro.


Das weite Herz des Landes

Das weite Herz des Landes

Richard Wagamese: Medicine Walk

Das weite Herz des Landes

Das weite Herz des Landes

Richard Wagamese war ein indigener kanadischer Schriftsteller. Protagonist des 2015 erschienenen Romans ist Franklin Starlight. Er ist ein 16-jähriger Junge, der bei dem „alten Mann“, einem Freund der Familie, aufwächst. Dieser lehrt ihn nicht nur die Natur zu respektieren, sondern auch mit ihr in Einklang zu leben. Zu seinem alkoholkranken Vater, Eldon, hat er eine sehr schwierige Beziehung, da dieser ihn immer wieder enttäuscht hat. Aber als der sterbende Vater ihn bittet, ihn in die Wildnis Britisch-Kolumbiens zu führen, um ihn dort wie ein Krieger sitzend und nach Osten blickend zu beerdigen, stellt sich Franklin dieser Aufgabe, seiner Pflicht als Sohn bewusst. Auf der tagelangen beschwerlichen Reise durch die Einsamkeit erzählt Eldon von Stationen seines bewegten Lebens. Die Vater-Sohn-Beziehung verändert sich, doch kann Franklin vergeben?

Die Handlung berührt, gibt aber auch einen Einblick in die Schwierigkeiten, mit denen die indigene Bevölkerung Nordamerikas noch bis in die heutige Zeit zu konfrontiert wird.

Die ganz große Stärke des Romans ist seine Sprache. Richard Wagamese ist ein Storyteller, von denen es so viele in seiner Kultur gibt. Seine Naturbeschreibungen sprechen beim Lesen alle Sinne an.

Richard Wagamese: „Das weite Herz des Landes“ (OT: „Medicine Walk“), Blessing Karl Verlag, 288 Seiten, ISBN 9783896676665 (HC), 9783453426337 (Tb), Preis: 22,00 Euro (HC), 12,00 Euro (TB).