Darf ich vorstellen: Her MAJESTY QUEEN ELIZABETH II – in ihrer ach so unverwechselbaren perfekten Erscheinung und … nie allein… immer dabei: Die GRENADIER GUARDS, eben diese unverwechselbar British 1st Foot-Guards. Aber Stopp: Perfekte Erscheinung? Was Antonys Zeichnungen in diesem Bilderbuch angeht mehr als das!
Was „unsere Queen“ – Gott hab sie selig – hier widerfährt, ist der „worst case of british ceremonies“ – Elizabeths Markenzeichen, IHR HUT, wird vom Winde verweht. Und nun: Alle hinterher – die Queen, wie im Leben halt, allen voran. Und wir Leser – eher Betrachter – hinterher… wer will HER MAJESTY schon alleine lassen…?! Und wir „huschen im Haschen“ nach „The Queen’s Hat“ flugs mal eben durch Londons Attraktionen 😉 Die Guards immer auf den Fersen. Außer Atem am Ende? Ja, vor Lachen! Denn der Hut landet – auf dem Kopf eines königlichen Babys…
Zitat hinterer Buchdeckel: „A witty and stylish celebration of London, the Queen and the new Royal Baby.“
Ich weiß es, HER MAJESTY, Sie haben es damals (2014) schon gewusst … GOD SAVE THE „QUING“! (Ups)
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Ich kenne kaum einen lebenden Schrift-stellenden Menschen, der so radikal gegen „den Strom“ schreibt und dennoch die Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen (Tabu-)Themen so lupenrein vertiefend beschleunigt. Schonungslos konfrontierten mich Clemens J. Setz‘ 38 detaillierten Erzählungen in den zwei Taschenbüchern „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“ und „Der Trost runder Dinge“ mit den Abgründen menschlicher Phantasie: Scheinbar sinnlose Aggression (Milchglas/Die Entschuldigung) und pornografische Exzesse (Die Blitzableiterin…/Weltbild), provozieren extrem, um mich gleich wieder in der nächsten Erzählung in ungeheuerlich sprachlich verfremdeter Zärtlichkeit aufzufangen (Spam/Mütter/Das alte Haus). Im Fokus stehen bei Setz immer auch das Surreale, Künstliche Intelligenzen, das Leben in und mit fremden (PC-)Welten (Kvaloeja/Character IV/Condillac), Vergänglichkeit der Leiblichkeit (Die Visitenkarten/Eine sehr kurze Geschichte/Die zwei Tode).
Beim Lesen musste ich viel lächeln und staunen über so irre Kreativität und Phantasie, die oft genug im Nonsens endet oder mich mit ganz neuen Fragen Richtung Zukunft entlassen haben. Da wachsen einem Menschen kurz Flügel, da wohnen Menschen in Riesenradgondeln oder in Schneekugeln im Weltall… Ich mag Setz‘ Unberechenbarkeiten, Achterbahnfahrten, dieses schüttelnde Kribbeln wie bei unbekanntem Brausepulver. Und ich stelle mich der ungenießbar ekligen Bitternis im Erkennenmüssen, dass Mensch und Gesellschaft hier und jetzt tatsächlich so abgründig sind, was ich derart polarisierend gar nicht hören wollte…
Wer Lust auf „Verrücktes“ hat, seine eigenen Lesegewohnheiten erweitern möchte, wer Ernst Jandl und Arno Schmidt sprachlich und inhaltlich zumindest spannend findet, weil der Mensch ja nicht alles verstehen muss/kann, der kommt an Clemens Setz zukünftig nicht mehr vorbei! Empfehlenswert darum auch seine Romane: „Indigo“, „Die Bienen und das Unsichtbare“, „Gedankenspiele über die Wahrheit“. Wahrlich ein noch viel zu „unerhörter“ österreichischer Schriftsteller – trotz Georg-Büchner-Preis-Ehrung 2021.
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Lohnt es sich heutzutage noch, ein Buch von 1983 zu besprechen, das bereits in einer Netflixserie Ausdruck gefunden hat? JA, unbedingt! Ich scheue Klassiker grundsätzlich nicht, wenn sie inhaltlich und sprachlich über sich selbst, Zeit und Raum hinausweisen. Und Walter Tevis (1928-1984) schaffte mit dem Roman „Das Damengambit“ genau dies: Er führte mich mitten hinein in den fulminanten Aufstieg des hochbegabten Mädchens Beth, in höchste, von Männern besetzte, internationale Schach-Welten.
Schmerzhafter Spagat
Es hätte ein wunderbares Märchen werden können. Es hätte eine gelungene Emanzipationsgeschichte werden können. Es wurde ein ur-menschliches, tragisch-schönes Psychogramm eines Entwicklungsprozesses, in dem ein Mädchen einerseits großartig werden darf und andererseits klein und gefangen bleibt in sich selbst, in seiner aufgezwungenen Einsamkeit, nur in der Schachwelt scheinbar mit sich im Reinen. Beth erträgt diesen schmerzhaften „Spagat“ nur mithilfe von „kleinen grünen Pillen“ und Alkohol.
(Eliza)Beth Harmon wächst als Waise in einem autoritär und gefühlskalt geführten Kinderheim auf, wie alle dort medikamentös „ruhiggestellt“. Ein Licht im Dunklen wird der Hausmeister, der im Keller einsam Schach mit sich selber spielt, ihr dann aber die Grundlagen dieses Spiels beibringt und schnell Beths außergewöhnliche Begabung erkennt und fördert, bis ihr das Schachspiel von der Heimleitung offiziell untersagt wird. In ihrer Gedankenwelt entwickelt sie die Begabung in den Folgejahren aber weiter, spielt genial Schachpartien mit und gegen sich selbst im Kopf, verkopft zunehmend.
Steter Kampf gegen Angst und Ohnmacht
Zwischenmenschliche Beziehungen verarmen, bleiben oberflächlich, können nicht wirklich als heilsam integriert wahrgenommen werden. Gelingendes Leben heißt für Beth: Jede Schachpartie muss gewonnen werden! Nur dann spürt sie Genugtuung, nur dann ist sie wer. Ein steter Kampf gegen Angst und Ohnmacht, ein steter Kampf gegen die betäubende Sucht. Ihre reale Schachkarriere ist ein „Damengambit“ – e i n möglicher Weg (nicht nur) der Schachspiel-Eröffnung. Ob Beth ihn letztlich auch im übertragenen Sinne für sich als Frau, als Mensch erkennt/geht …
Fazit
Ich kenne Ziel und ein paar Grundregeln des Schachspiels. Das reichte aber vollkommen, um mich auch symbolsprachlich von der Spannung jeder detailliert beschriebenen Schachpartie fesseln zu lassen. Damit steht fest, dieses Buch mag nicht nur einmal gelesen werden – dafür ist die Vielschichtigkeit von möglichen Schach-Zügen der verschiedenen Schachfiguren, dafür sind Menschen und ihre individuellen Entwicklungswege, viel zu komplex, viel zu überraschend. Eben oft nur s c h e i n b a r ausweglos, weil, bei genauerem Hinsehen, dann doch möglich!
„Vielleicht kennen Sie das Gefühl: Wie sich Beklommenheit beim Lesen eines guten Essays schlagartig in Euphorie verwandelt. Welche Erleichterung es darstellt, wenn sich ein Text nicht vor der angeblichen Dummheit der Leser verbeugt. Wenn um des Nachdenkens willen nachgedacht wird. … Die Delegation von kritischem Bewusstsein an die Befugten der Expertokratie ist heutzutage wahrscheinlich die häufigste Form von selbstverschuldeter Unmündigkeit.“
D a s ist auch Juli Zeh: Sperrig, zumutend, frech, humorvoll. Eine durch und durch am politischen Diskurs interessierte Schriftstellerin, die unserer Gesellschaft schmerzhaft den Finger in die Wunde unbeantworteter Fragen legt. Oder scheinbar beantwortete Fragen als sekundenkleberfeste wenig differenzierte Vorurteile entlarvt. Ein Treidler zieht ein schweres Schiff an Seilen stromaufwärts – ein schwerer, ein heute ausgestorbener Beruf. Juli Zeh erlebt genau dies als die Aufgabe einer Schriftsteller*in: Gegen den gesellschaftlichen Mainstream zieht sie unbequeme Schiffe mithilfe sprachlicher Zugseile quer durch unseren Alltag.
TREIDELN ist eine wunderbare Zumutung! Ein Mail-Roman, der uns in die Werkstatt einer SCHRIFTSTELLER*IN blicken lässt … wo um jede Aussage gerungen wird, an jedem Wort gefeilt, jede „Wahrheit“ gnadenlos hinterfragt wird. Manch eine/r nennt es Arroganz …
Bettina Luis studierte Germanistik und Geografie, erlernte das „Handwerk“ der Hebamme und arbeitete als Lehrerin in beiden Professionen. Sie liest zu spirituellen / theologischen/psychologischen Themen. Seit 14 Jahren nimmt sie teil an einem Philosophinnen- Gesprächskreis. Sie liebt (Grenzen sprengende) Literatur und Theater in all seinen aufrüttelnden Sparten wie Oper, Konzerte, Tanzballett: Jedes Kunstwerk „spricht“ und jedes literarische Werk setzt Bilder und Welten in Szene… Die Arbeit als Hebamme schenkt ihr tiefe Einblicke in das absolut Private menschlicher Existenz. Freud und Leid, Chaos und Ordnung, Un-Sinn wie Sinn, … das Sein jedes Menschen „schreibt“ Romane, Gedichte, Lieder. Sie sagt: Manche dürfen, manche sollten und wieder andere müssen gelesen werden – im Leben oder in Büchern.
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