Sonja Weber über „Adressat unbekannt“ und „Der wiedergefundene Freund“

Sonja Weber über „Adressat unbekannt“ und „Der wiedergefundene Freund“

Kathrine Kressmann Taylor:
Adressat unbekannt

Fred Uhlman:
Der wiedergefundene Freund

Zwei Bücher begleiten mich schon lange, und werden das wohl auch noch eine Weile machen. Das eine ist der kurze und erschütternde Briefwechsel zweier Freunde. „Adressat unbekannt“ heißt dieses kleine erstaunliche Büchlein in Briefform von Kressman Taylor.

Die Korrespondenz zwischen dem aus Deutschland stammenden New Yorker Galeristen Max Eisenstein und seinem noch in Deutschland lebenden Freund und Partner Martin Schulse beginnt im November 1932 und endet im März 1934 auf ungewöhnliche Weise. Eine meiner Kolleginnen hat es gerade gelesen, es habe sie bisher nicht mehr losgelassen, meint sie.

Das andere Buch ist Fred Uhlmans “Der wiedergefundene Freund”. 1971 erschien es zunächst in den USA in sehr kleiner Auflage, wurde dann aber in viele Sprachen übersetzt. 1978 kam es in Deutschland auf den Markt, wurde 1989 verfilmt und ist seither nicht mehr aus dem Programm des Diogenes Verlages und den Regalen der Buchhandlungen wegzudenken.

Wunderbar einfühlsam und literarisch ansprechend erzählt der Autor die Geschichte zweier Jungen, die sich 1932 im einem altehrwürdigen Gymnasium in Stuttgart kennenlernen, eine kurze aber intensive Zeit miteinander verbringen, ehe ihre Wege sich gezwungenermaßen trennen. Der Ich-Erzähler Hans Schwarz sagt von seinem Mitschüler Konradin Graf von Hohenfels, er war die „Ursache meines größten Glückes und meiner größten Verzweiflung“.

Dem Autor diente wohl sein eigener Lebenslauf als Vorbild. Die Schule ist angelehnt an das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium, das nicht nur Uhlman sondern auch Claus Graf Schenk von Stauffenberg besuchte.

Kathrine Kressmann Taylor: „Adressat unbekannt“, Atlantik Verlag, 96 Seiten, ISBN 9783455650822, Preis: 13,00 Euro.

Fred Uhlman: „Der wiedergefundene Freund“, Diogenes Verlag AG, 112 Seiten, ISBN 9783257261288, Preis: 12,00 Euro.


Sonja Weber über „Monascella“

Sonja Weber über „Monascella“

Kerstin Holzer:

Monascella

„Herzzerreißend schön zu lesen.“ Hat Elke Heidenreich über Kerstin Holzers Buch „Monascella“ gesagt. Mir fällt keine Besser Beschreibung dazu ein.

Anhand unveröffentlichter Briefe und Gespräche ist diese gleichzeitig spannende, kluge und wunderbar erzählte Biografie über eine Frau entstanden, die zeitlebens versuchte, sich unabhängig von ihrer Familie zu betrachten und diese doch schmerzlich vermisste. Selbst dem Tod durch Ertrinken nur knapp entronnen, verliert Monika ihren Ehemann beim Bombardement des Dampfers, der die beiden ins Exil nach Amerika bringen soll.

Als sie dann endlich doch bei den Ihren, der „amazing Mann Familie“, ankommt, findet sie keinen Halt. Die emotionale Heimatlosigkeit und das Trauma des Krieges, will sie nicht wie ihre Geschwister mit Drogen dämpfen und der Familiendevise „wer kann, der tut“ ist sie nicht gewachsen. Versuche, eine eigenständige künstlerische Existenz aufzubauen und vom berühmten Vater akzeptiert zu werden, führen „Moni“, „das Mönle“, ungeliebtes Kind der Familie Mann, schließlich im Winter 1955 auf die Insel Capri.

Dort, in der Ruhe und Abgeschiedenheit findet sie endlich ihren eigenen Weg. In der Villa Monacone lebt sie mit Antonio Spadaro, „nur“ ein Fischersohn, aber er wird ihre große Liebe, sie seine „Monascella“. Die beiden sind ein Paar, aber meiden die Öffentlichkeit. Auch, als die Insel in den sechziger Jahren zum „in-Place“ von Malern, Musikern und Hollywoodstars wird, schafft Monika Mann es, sich Ihre Privatsphäre zu bewahren.

„Ich lebe auf einer Insel. Es ist still da und die Menschen machen sich Gedanken.“ Schreibt sie zu ihrem neuen Domizil, in dem jeder Straßenjunge ihre Adresse kennt, sie aber trotzdem für sich bleiben kann. Jeden Tag geht sie spazieren und ihr Geist scheint zu heilen. Und während sich die großen der Kulturszene weiter fragen, wie sie da auf dieser schrecklich kleinen Insel „immer nur sein kann“, entsteht Monika Manns erfolgreichstes Werk „Vergangenes und Gegenwärtiges“. 1956 erscheint es und ist ein Befreiungsschlag. Trotzdem bleibt sie auf Capri. Sie verlässt die Insel erst 1986 nach dem Tod ihres geliebten Antonio.

Kerstin Holzer: „Monascella“, dtv Verlagsgesellschaft, 208 Seiten, ISBN 9783423290425, Preis: 22,00 Euro.


Sonja Weber – lernen bei den Besten

Sonja Weber – lernen bei den Besten
Ein Platz, der nach Arbeit aussieht. Und ein Dozenteam (Harald Martenstein, Dr. Olaf Kutzmutz), das entspannt scheint, die gnadenlose Stoppuhr aber im Blick hat… Fotos: Privat

„Frontfrau“ der BÜCHER-HEIMAT absolviert Kolumnen-Workshop

Ihre Buchbesprechungen in der Goslarschen Zeitung sollen zum Lesen (und zum Besuch der BÜCHER-HEIMAT) anregen. Für viele Leserinnen und Leser jedoch sind Sonja Webers kleine Kolumnen in der GZ selbst der beste Lesestoff. Und diese Texte sollen nun – sofern das möglich ist – noch besser werden. Dafür ging die „Frontfrau“ der BÜCHER-HEIMAT in einem Workshop beim Besten ihres Fachs in die Lehre: Harald Martenstein, ZEIT-Kolumnist und Schriftsteller.

Im Grunde würde in der Literatur zugeneigten Kreisen der Name Martenstein genügen. Er ist ein Meister des Wortes, ob geschrieben oder in Video oder Podcast gesprochen. Und dabei natürlich nicht allein für Fans der Großmeister der Kolumnen. Mehr als einmal löste er mit seinen Texten kontroverse Debatten aus.

Mit von der Partie war bei dem Workshop in Wolfenbüttel zudem Dr. Olaf Kutzmutz, der „seit dem letzten Jahrtausend den Programmbereich Literatur der Bundesakademie für kulturelle Bildung“ leitet. Er schrieb unter anderem über Christian Dietrich Grabbe, Max Frisch und Jurek Becker.

Geburtstagsgeschenk und harte Arbeit

Auch ein skeptischer Kamerablick des Lehrmeisters Harald Martenstein kann Sonja Weber nach dem Seminar offenkundig nicht um ihre gute Laune bringen.

Bevor Sonja Weber das Geburtstagsgeschenk ihres Mannes Hartmut Weber so richtig genießen und auskosten konnte, war allerdings Arbeit angesagt. Denn das Literatur-Seminar mit dem schönen Titel „Ganz einfach, wenn man’s kann“ bot lediglich zwölf „Lehrlingen“ Platz. Und so mussten die Bewerber vorab schon einmal einen Text einreichen, um ihre Qualifikation nachzuweisen.

Was Sonja Weber mit ihrer Erfahrung aus den GZ-Kolumnen natürlich gelang. Und so machte sie sich ein September-Wochenende lang daran, in der „Werkstatt Kolumne“ eine Kunst zu verfeinern, die si einfach klingt und doch so schwierig ist: „Schlicht die besten Wörter wählen“. Was in Wolfenbüttel intensiv schreibpraktisch geübt und an eigenen und fremden Texten erläutert wurde.

Die Suche nach dem originellen Blick, durch den die Kolumnistin selbst zu einer „mehr oder weniger autobiographischen Figur, der die Leserinnen und Leser vertrauen“ wird, hat Sonja Weber begeistert. Und sie brennt darauf, die neuen Ideen und Erfahrungen umzusetzen. Was den Leserinnen und Lesern der GZ dann sicher noch mehr Vergnügen bereiten wird.

Sonja Weber über „Gebrauchsanweisung für Pferde“

Sonja Weber über „Gebrauchsanweisung für Pferde“

Juli Zeh:

Gebrauchsanweisung für Pferde

Bislang wusste ich nicht, dass Juli Zeh schon immer ein Pferdemädchen war, ein Pferdemensch, um es heute korrekt zu sagen. 2019 ist ihr Titel „Gebrauchsanweisung für Pferde“ erschienen und inzwischen schon ein weiteres Mal aufgelegt worden. Ich habe wohl immer brav um dieses Werk herum gelesen, es irgendwie so gar nicht wahrgenommen. Es war nicht mein Thema, ist es das jetzt?

Nicht grundsätzlich, aber im Fall von Zehs Buch muss ich ganz klar sagen, ja, denn man hätte auch den Titel „Gebrauchsanweisung für Juli Zeh“ oder „Gebrauchsanweisung für Menschen“ wählen können. Kapitel um Kapitel berichtet die Autorin einer Biografie gleich über ihr Leben mit Pferden.

Erst Schulpferden, dann Pflegepferden und zuletzt auch eigenen. Sie erzählt von Tieren wie von Menschen, manche sind so gute Freunde gewesen, dass man sie nicht vergisst, andere nur lose Bekannte und einige sind halt Familie.

Ich empfinde es als ein sehr persönliches Buch, in dem es nicht um Karriere und Erfolge geht, sondern um den respekt- und liebevollen Umgang mit anderen Lebewesen, das Maß an Verantwortung, dass man trägt und das Vertrauen, dass einem entgegengebracht wird und man selbst in andere setzt. Was kann mehr über einen Menschen aussagen?

Juli Zeh: „Gebrauchsanweisung für Pferde“, 244 Seiten, Piper Verlag, ISBN 978-3-492-27762-4, Preis: 16,00 Euro.


Sonja Weber über „Weltreise auf dem Teller“

Sonja Weber über „Weltreise auf dem Teller“

Andrea Pfuhl:

Weltreise auf dem Teller

„Weltreise auf dem Teller“ verrät der Leserschaft nicht nur kulinarische Geheimnisse vieler Länder, sondern erklärt auch gleich, warum dort traditionsgemäß so gekocht wird, wie nun einmal gekocht wird. Dabei lüftet die Autorin diverse Tricks berühmter Köche und taucht gleichzeitig in die Geschichte der jeweiligen Länder ein.

Unterhaltsam und spannend verknüpft sie Historie mit dem, ohne das keine Gesellschaft Bestand haben kann: Ernährung. Wieso zum Beispiel hat die englische Küche so einen schlechten Ruf und warum gelten die Franzosen als Feinschmecker? Woher stammen die Begriffe Umami und Kokumi, was bedeuten sie, wie bekomme ich das in ein Essen und ist das eigentlich wünschenswert? Warum gehören in eine traditionelle Paella keine Meerestiere und warum muss sie von Männern zubereitet werden? Wie haben es eigentlich Schnecken und Frösche in die Kochtöpfe geschafft? Warum gehörten zuerst hauptsächlich Bohnen ins Chilli con Carne und dann auf einmal keinesfalls mehr?

Fragen über Fragen und Andrea Pfuhl beantwortet sie alle auf eine unvergleichlich kurzweilige Art und Weise.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Andrea Pfuhl: „Weltreise auf dem Teller“, Rowohlt Verlag, 313 Seiten, ISBN 978-3-499-00870-2, Preis: 25,00 Euro.


Sonja Weber über „Unter uns das Meer“

Sonja Weber über „Unter uns das Meer“

Amity Gaige:

Unter uns das Meer

Die Autorin und Journalistin Amity Gaige nimmt uns mit auf die spannende Reise einer Familie, die zusammen unterwegs auf dem Ozean einander und sich selbst finden und wieder verlieren. Die Autorin lässt alle ihre Protagonisten, die zusammen unterwegs und trotzdem allein sind, einzeln zu Wort kommen. Am Ende fügt sich alles auf tragische Weise zusammen und liegt die Wahrheit wie so oft in der Mitte beider Leben.

Ein unter die Haut gehendes Buch, von dem ich mehr als froh bin, es gekauft und nun mit Genuss und Erstaunen gelesen zu haben.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Amity Gaige: Unter uns das Meer, Eichborn Verlag, 381 Seiten, ISBN 9783847901099, Preis: 12,00 Euro.


Sonja Weber über „Vor uns das Meer“

Sonja Weber über „Vor uns das Meer“

Alan Gratz:

Vor uns das Meer

Drei Jahrzehnte, drei Familien und drei Flüchtlingsschicksale. Alle so unterschiedlich und doch so gleich. Josef ist elf, sein Vater Anwalt, er und seine kleine Schwester könnten ein glückliches und erfolgreiches Leben vor sich haben, schriebe man nicht das Jahr 1939. Josef und seine Familie sind jüdischen Glaubens, ihre Welt zerbricht plötzlich.

Isabel lebt 1994 in Kuba, ihre Familie weiß, dass sie in Castros Land nicht frei sein kann. Das Ziel ihrer Träume und Hoffnungen liegt nah und doch unendlich weit weg: USA – die Flucht führt über das Meer.

Ebenso wie einundzwanzig Jahre später Mahmouds Flucht aus Aleppo in Syrien. Auch er und sein Bruder wollten studieren, eine Familie gründen, dann kam der Krieg und seine Heimat ging in Rauch auf.

Mit „Vor uns das Meer“ hat Alan Gratz ein Buch geschaffen, dass Jugendliche (empfohlenes Lesealter ab 12 Jahren) wie Erwachsene gleichermaßen anspricht. Nachdem es 2020 zunächst im Hanser-Verlag erschien, wurde es für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und außerdem mit dem „Buxtehuder Bullen“ ausgezeichnet. Inzwischen ist es preisgünstig als Taschenbuchausgabe erhältlich und findet ja vielleicht Einzug in die Schulbibliotheken.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Alan Gratz: „Vor uns das Meer“, dtv Verlagsgesellschaft, 299 Seiten, ISBN 978-3- 423-62753-5, Preis: 9,95 Euro.