Petra Nietsch über „Das Wunder von Bahnsteig 5“

Petra Nietsch über „Das Wunder von Bahnsteig 5“

Clare Pooley: Das Wunder von Bahnsteig 5

Dieser Roman hat mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert. Ein Wohlfühl- und Gute-Laune-Buch, das viel Herzenswärme und Menschlichkeit verströmt, aber trotzdem Tiefgang hat und nicht kitschig ist. Eine Kombination, die man so nur selten findet.

Jeden Morgen fährt dieselbe Gruppe Menschen mit dem Zug nach London hinein und abends wieder zurück. Aber es gilt ein ungeschriebenes Gesetz: Pendler sprechen nicht miteinander, auch wenn man jedem einzelnen heimlich einen Spitznamen gegeben hat.

Doch eines Tages kommt es zu einem Zwischenfall, der alles verändert. Plötzlich fangen die Menschen miteinander zu reden und aus Fremden werden Freunde, die alle für einander einstehen. Denn jeder von ihnen hat ein Problem, bei dem er Hilfe oder Unterstützung benötigt.

Keines davon ist ungewöhnlich, sondern kommt in unserer Gesellschaft vermutlich tagtäglich vor. Dies ist vermutlich der Grund, warum ich beim Lesen immer das Gefühl hatte, nicht nur Zuschauerin, sondern mittendrin im Geschehen zu sein.

Clare Poole ist selber über Jahre mit dem Zug zur Arbeit gefahren und hat dabei viel gesehen und viel gehört. Einige dieser Erlebnisse sind in diesen Roman geflossen. Daraus erklärt sich, dass die Charaktere alles Menschen wie ich und du sind. Schade, dass ich sie nicht persönlich kennenlernen kann.

Clare Pooley: „Das Wunder von Bahnsteig 5“, Goldmann TB, 400 Seite, ISBN 9783442206377, Preis: 16,00 Euro.


Petra Nietsch über „Der Tote in der Crown Row“

Petra Nietsch über „Der Tote in der Crown Row“

Sally Smith: Der Tote in der Crown Row

Lieben Sie Sherlock Holmes, Hercule Poirot oder Lord Peter Wimpsey? Dann wird Ihnen auch „Der Tote in der Crown Row“ von Sally Smith gefallen, denn dieses Buch enthält alle Elemente des klassischen englischen Kriminalromans.

Sir Gabriel Ward, ein etwas kauziger Junggeselle und Einzelgänger, lebt und arbeitet  im Londoner Stadtbezirk Temple, welcher seit Jahrhunderten Zentrum des englischen Rechtswesens ist und in dem es eigene Regeln und Gesetze gibt.

Am 21. Mai 1901 stolpert Sir Gabriel am frühen Morgen auf den Treppenstufen zu seinen Büroräumen über eine Leiche im Abendanzug aber mit nackten Füßen. Es handelt sich um den obersten Richter Lord Dunning, der mit einem silbernen Fleischmesser erstochen worden ist.

Da die Londoner Polizei nur nach Aufforderung im Temple ermitteln darf, wird Sir Gabriel beauftragt, erste Untersuchungen und Befragungen vorzunehmen. Nur widerwillig übernimmt er diese Aufgabe, denn er ist gerade dabei, sich auf die Verteidigung eines Mandaten vorzubereiten, der in einen Streit um die Rechte an einem sehr beliebten Kinderbuch verwickelt ist.

Schnell stellt sich heraus, dass viele verschiedene Personen als Verdächtige infrage kommen, denn sie haben alle ein Motiv. Mit seiner guten Beobachtungsgabe, seiner Fähigkeit Spuren richtig zu deuten und logische Zusammenhänge zu erkennen, gelingt es Sir Gabriel, die richtigen Schlüsse zu ziehen und den Mord schließlich aufzuklären.

Die Geschichte mag auf den ersten Blick etwas simpel wirken, aber die vielen Verwicklungen lassen den Leser bis zum Schluss rätseln, wer von den vielen Verdächtigen wohl den Mord begangen hat.

Die Autorin Sally Smith hat jahrelang als Rechtsanwältin im Temple gearbeitet und vermittelt dem Leser dementsprechend einen guten Einblick in das englische Rechtssystem. Ihr Roman zeigt aber auch, wie sehr es damals davon abhing, in welche soziale Klasse man geboren wurde, um eine gerechte Gerichtsverhandlung zu bekommen.

Ein „Whodunit“, wie es ihn nur in der englischen Literatur gibt, unterhaltsam und witzig geschrieben.

Sally Smith: „Der Tote in der Crown Row“, Goldmann Verlag, 400 Seiten, ISBN 9783442317929, Preis: 22,00 Euro.


Petra Nietsch über „James“

Petra Nietsch über „James“

Percival Everett: James

„Die gesamte moderne amerikanische Literatur geht auf ein einziges Buch von Mark Twain mit dem Titel Huck Finn zurück.“ Dieses Zitat, das von niemand anderem als Ernest Hemingway stammt, unterstreicht die Bedeutung dieses Romans, der weit mehr ist als eine Abenteuergeschichte.

Percival Everett hat diesen Literaturklassiker als Grundlage genommen, um eine eigene und in großen Teilen andere Geschichte zu schreiben.

Er nimmt einen Perspektivwechsel vor, so dass nicht Huck Finn, sondern den Sklave Jim  zum Ich-Erzähler wird. Sehr bald stellt sich heraus, dass James, wie er sich selbst nennt, nicht nur klug ist, sondern auch sehr viel weiß. Er durchschaut die weiße Gesellschaft, erkennt ihre Schwächen und nutzt sie zu seinem Vorteil. „Es zahlt sich immer aus, den weißen Menschen das zu geben, was sie wollen …“ sagt Jim zu Beginn des ersten Kapitels.

Als Jim nach New Orleans verkauft werden soll, läuft er davon und gemeinsam mit Huck, der vor seinem trunksüchtigen Vater geflohen ist, fährt er auf einem selbstgebauten Floss den Mississippi hinunter. Das Entkommen und die Flucht stellen für ihn einen ständigen Kampf ums Überleben dar. Er ist niemals sicher, wem er trauen kann und wem nicht. Hier wird der Unterschied zum kindlichen Erzähler Huck deutlich. Es ist eben kein Abenteuer.

Jim hat sich selbst Lesen und Schreiben beigebracht und untereinander unterhalten sich die Sklaven in fehlerfreiem Englisch. Nur in der Gegenwart von Weißen sprechen sie so, wie es von ihnen erwartet wird – fehlerhaft und nicht immer verständlich.

Die Geschichte ist natürlich vollständig erfunden und erscheint an manchen Stellen unlogisch und konstruiert. Aber das ist genau so gewollt, denn sie ist gleichzeitig auch als Satire zu verstehen, ebenso wie „Die Abenteuer des Huck Finn“ satirische Elemente enthält.

„James“ gibt allen Menschen, die für ihre Freiheit kämpfen, eine Stimme. Somit ist es ein Roman, der zwar in der Vergangenheit spielt, aber große Bedeutung für unsere Gegenwart und Zukunft hat.

Das Buch ist ein literarisches Meisterwerk, denn es ist vielschichtig, mal lustig, mal klug, mal beängstigend und mal zum Nachdenken anregend. Es ist zu Recht mit dem Pulitzer Preis 2025 ausgezeichnet worden.

Percival Everett: „James“, Blessing Karl Verlag, 336 Seiten, ISBN 9783446279483, Preis: 26,00 Euro.

Die Taschenbuchausgabe (ISBN 9783896677730) für 14,00 Euro wird vom Verlag für den 10. September 2025 angekündigt.


Petra Nietsch über „Ein Mord im November“

Petra Nietsch über „Ein Mord im November“

Simon Mason: Ein Mord im November

Dies ist der erste Band einer neuen Krimi-Reihe, und man kann nur hoffen, dass auch die weiteren Bände ins Deutsche übersetzt werden. Schauplatz ist Oxford und allein diese Tatsache hat mich dazu bewogen, das Buch in die Hand zu nehmen. Und tatsächlich gelingt es dem Autor, die Stadt mit all ihren Traditionen und ihrem Charme für den Leser zum Leben zu erwecken.

Wir lernen ein Ermittlungsteam kennen, das unterschiedlicher nicht sein kann.

Ray stammt aus einer reichen nigerianischen Familie, ist in einem Nobelviertel in London aufgewachsen und hat seinen Studienabschluss am berühmten Balliol-College in Oxford gemacht. Er liebt es, sich gut zu kleiden.

Ryan hingegen trägt am liebsten Trainingshosen, eine Bomberjacke und ein Baseball-Cap. Er wuchs in ärmlichsten Verhältnissen in einem Trailer-Park am Stadtrand auf und litt unter seinem alkoholkranken Vater, der die Familie regelmäßig verprügelte. Ryan’s Wortwahl ist nicht immer druckreif und bei Befragungen verstößt er regelmäßig gegen den Polizei-Kodex.

Ray und Ryan haben jedoch zwei Gemeinsamkeiten: den gleichen Nachnamen, was immer wieder zu Verwechslungen führt und trotz unterschiedlicher Vorgehensweisen das gleiche Ziel, nämlich einen brutalen Mörder zu finden.

Ein junges Mädchen wird erwürgt im Arbeitszimmer von Sir James, dem Leiter von Barnabas Hall, einem der vielen Colleges in Oxford, gefunden. Die Identität des Opfers bleibt lange im Dunkeln, was die Arbeit  der beiden Ermittler erschwert und zu immer neuen Wendungen führt. So wird die Spannung für den Leser die ganze Zeit aufrechterhalten. Syrische Flüchtlinge und ein verschwundener Koran verleihen der Handlung zusätzlich eine gewisse politische Aktualität.

Aber jeder Roman lebt von seinen Charakteren. Und Ryan und Ray machen wirklich Spaß. Ryan hält Ray für einen Snob und Ray Ryan für einen Proll, aber trotz allem müssen sie zusammenarbeiten und so nach und nach kommen sie sich auch menschlich näher.

Mich hat dieser Krimi so in den Bann gezogen, dass ich ihn in wenigen Tagen verschlungen habe.

Simon Mason: „Ein Mord im November“, Goldmann TB, 395 Seiten, ISBN 9783442495641, Preis: 17,00 Euro.


Petra Nietsch über „Beeren pflücken“

Petra Nietsch über „Beeren pflücken“

Amanda Peters: Beeren pflücken

„Kraftvoll“ und „tiefgründig“ sind Attribute, die auf dem Buchumschlag der Originalausgabe zu lesen sind. Beide Adjektive sind in jedem Fall zutreffend für diesen Debütroman, der auch mich in den Bann gezogen hat.

Nach dem Prolog, der den Leser auf die Handlung vorbereitet, erzählen abwechselnd Joe und Norma rückblickend ihre Lebensgeschichten, die sich wie Zöpfe miteinander verflechten.

Beide Ich-Erzähler haben Schuldgefühle, die ihre Lebenswege über Jahrzehnte beeinflussen, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Neben Schuld sind Verlust, Kummer, Hoffnung, aber auch Vergebung, Liebe und der Zusammenhalt in der Familie bedeutende Themen. Gerade letztere sorgen dafür, dass der Roman auf den Leser nicht bedrückend wirkt.

Amanda Peters kann mit ihrem Schreibstil wunderbar verdeutlichen, was sie in dieser Geschichte ausdrücken möchte. Zudem ist sie „of mixed race“, was bedeutet, dass sie indigene (Mi’kmaq) und europäische Wurzeln hat. Diese Tatsache trägt dazu bei, dass vieles von dem, was sie erzählt authentisch wirkt. Möglicherweise ist der Roman auch an der einen oder anderen Stelle autobiografisch gefärbt.

Das Buch erschien im Jahre 2023 und hat seitdem diverse Preise gewonnen.

Amanda Peters: „Beeren pflücken“, HarperCollins Hardcover, 320 Seiten, ISBN 9783365009444, Preis: 24,00 Euro.


Petra Nietsch über „Ein klarer Tag“

Petra Nietsch über „Ein klarer Tag“

Carys Davies: Ein klarer Tag

Die Handlung spielt im Jahre 1843 und entwickelt sich vor dem Hintergrund zweier historischer Ereignisse. Im Rahmen der sogenannten „Clearances“ wurden große Teile der Bevölkerung aus dem schottischen Hochland und von den Inseln vertrieben, damit deren Ländereien von den wohlhabenden Großgrundbesitzern für die ertragreichere Schafzucht genutzt werden konnten.

Etwa zur gleichen Zeit verließen über 400 Pfarrer die schottische Kirche, um sich von der Macht der Gutsbesitzer zu lösen. Sie gründeten die freie schottische Kirche und waren zunächst ohne Kirchengebäude, Gemeinde und mittellos.

Trotz moralischer Bedenken nimmt daraufhin der Pfarrer John Ferguson aus finanziellen Gründen den Auftrag an, Ivar, den letzten lebenden Bewohner von einer einsamen, weit entfernten Shetland-Insel zu vertreiben und ihn nach Aberdeen zu bringen.

Nach einer sehr langen, beschwerlichen Seereise erreicht er erschöpft die Insel. Bei einer ersten Erkundung stürzt und verletzt er sich schwer. Ivar findet ihn, versorgt seine Wunden und flickt sogar seine zerrissene Kleidung.

Als John nach mehreren Tagen aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht, dauert es Tage bis die beiden Männer eine gemeinsame Sprache finden, denn Ivar spricht einen alten nordischen Dialekt. Im Laufe der nächsten Wochen nähern sich die beiden immer mehr an und werden schließlich Freunde. Aber John weiß, dass er seinen Auftrag erfüllen muss und möglicherweise Ivars Vertrauen missbraucht.

Der Schriftstellerin Garys Davies ist es gelungen, mich auf diese einsame Insel mit ihrer kargen rauen Landschaft mitzunehmen. Ich fühlte mich den Protagonisten mit ihren unterschiedlichen Gefühls- und Lebenswelten immer sehr nahe.

Davies hat ein sicheres Gespür für unscheinbar wirkende Details, die aber eine erstaunlich starke Wirkung entfalten. Mit Hilfe ihrer Sprache schafft sie klare und lebendige Bilder. Es gelingt ihr, die Handlung so zu verdichten, dass sie auf 220 Seiten mehr sagt als manch anderer Schriftsteller auf 500.

Ein wunderbarer Roman, der von der britischen Buchhandelskette „Waterstones“ zum Buch des Monats März 2025 gekürt wurde. Ich bin froh, dieser Empfehlung gefolgt zu sein.

Carys Davies: „Ein klarer Tag“, Luchterhand Literaturvlg., 222 Seiten, ISBN 9783630877709, Preis: 24,00 Euro.


Petra Nietsch über „Der Pfirsichgarten“

Petra Nietsch über „Der Pfirsichgarten“

Melissa Fu:

Der Pfirsichgarten

Dieser historische Roman ist eine bewegende Familiengeschichte, die sich über drei Generationen erstreckt. Sie beginnt 1938 als Meilin, eine junge Witwe, mit ihrem vierjährigen Sohn Renshku ihr Dorf verlassen muss, da es von den Japanern besetzt und zerstört wird. Es beginnt eine lange Odyssee, während der sie immer wieder ihre Zufluchtsorte verlassen müssen, bis sie schließlich in Taiwan ein neues Zuhause finden.

Während all dieser Zeit begleitet sie eine wunderschön illustrierte Schriftrolle, mit deren Hilfe Meilin ihrem Sohn althergebrachte Geschichten erzählt, die ihnen Trost und Kraft geben, aber auch Weisheiten, die ihnen helfen zu überleben.

Jahre später erhält Renshu ein Stipendium an einer amerikanischen Universität. Auf Anraten eines chinesischen Freundes nennt er sich von da an Henry Dao. Da er weiß, dass der chinesischen Regierung alles berichtet wird, was ihre Studenten in den USA tun, beschließt Henry, seine Herkunft so gut es geht zu verleugnen und möglichst unauffällig zu leben.

Er heiratet eine weiße Amerikanerin und hat mit ihr eine Tochter, Lily, die sehr darunter leidet, dass sie nichts über die Familie ihres Vaters weiß.  Erst als Meilin stirbt und Vater und Tochter gemeinsam zur Beisetzung nach Taiwan reisen, erzählt Henry ihr von seiner Kindheit.

Der Roman hat mich als Leserin in eine völlig andere Welt geführt. Ich habe viel Wissenswertes über die Geschichte und Kultur Chinas erfahren.

Henrys Geschichte verdeutlicht, wie schwierig es in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts war, als asiatischer Einwanderer in den USA Fuß zu fassen und anerkannt zu werden. Die Suche nach der eigenen Identität beeinflusst sowohl Lilys als auch Henrys Leben.

Melissa Fu gelingt es, die für uns fremde Kultur auch in ihrer Sprache widerzuspiegeln. Ein wunderbarer Roman, der mir sicherlich noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

Melissa Fu: „Der Pfirsichgarten“, Fischer, S., 494 Seiten, ISBN 9783103971675, Preis: 25,00 Euro.


Petra Nietsch über „Ein mysteriöser Gast“

Petra Nietsch über „Ein mysteriöser Gast“

Nita Prose:

Ein mysteriöser Gast

Nita Prose erster Kriminalroman „The Maid – Ein Zimmermädchen ermittelt“ war ein Bestseller und wurde in mehr als 40 Ländern veröffentlicht. Auch dieser zweite Band hat gute Chancen, einen ähnlichen Weg zu gehen.

Molly Gray ist inzwischen zum Chef-Zimmermädchen aufgestiegen und nun umso mehr eine  der guten Seelen des Regency Grand Hotels. Aber erneut erschüttert ein Mord dieses ehrenwürdige Haus. Dieses Mal ist es ein berühmter Kriminal-Schriftsteller, der im Tee-Salon verstirbt.

Molly kennt den Toten aus ihrer Kindheit und in mehreren Rückblicken erfährt der Leser nun auch mehr über ihr Leben und unter welchen Bedingungen sie aufgewachsen ist. Parallel dazu laufen die Ermittlungen, wieder geleitet durch Detective Stark, die Molly weiterhin sehr ablehnend gegenübersteht. Aber irgendwann erkennt sie, dass Molly eine ganz besondere Gabe hat, Hinweise und Indizien zu erkennen und diese so zusammenzufügen, dass der Mörder enttarnt werden kann.

Da Molly aus ihrer Sicht die Geschichte erzählt, weiß der Leser meist nicht mehr als sie, so dass er immer ihren Gedanken folgen muss.

Ähnlich wie im ersten Band ist Mollys Art die Dinge zu beschreiben herzerfrischend, so dass man sie einfach nur lieben muss. Vor allem die immer wiederkehrenden Weisheiten ihrer Großmutter haben mich regelmäßig schmunzeln lassen.

Was mir besonders gefallen hat, ist die Tatsache, dass sich alle Charaktere aus dem ersten Band weiterentwickeln. Ich hatte beinahe das Gefühl, dass sie meine Freunde werden könnten, so liebenswert werden sie dargestellt.

Der dritte Band dieser humorvollen Krimi-Reihe ist in englischer Sprache bereits unter dem Titel „The Mistletoe Mystery“ erschienen, so dass wir uns sicherlich auch bald auf die deutsche Übersetzung freuen können.

Nita Prose: „Ein mysteriöser Gast“, Droemer HC, 320 Seiten, ISBN 9783426283851, Preis: 21,00 Euro.


Petra Nietsch über „Wir finden Mörder“

Petra Nietsch über „Wir finden Mörder“

Richard Osman:

Wir finden Mörder

Der erste Roman, den ich in 2025 gelesen habe, hat gleich gute Chancen mein Buch des Jahres zu werden. In jedem Fall kommt er auf die Nominierungsliste.

Crime und Comedy passen für mich eigentlich nicht zusammen, denn meist kommt eines von beiden zu kurz, aber Richard Osman, der bereits mit „Der Donnerstagsmordclub“ zum Bestseller-Autor geworden ist, ist es meisterhaft gelungen, beides miteinander zu verknüpfen.

Beim Lesen musste ich immer wieder laut lachen, so sehr habe ich mich amüsiert. Wortspiele und Situationskomik werden von Osman punktgenau gesetzt. Die Story ist von Beginn an spannend und enthält so viele überraschende Wendungen, dass einem manchmal schon fast schwindelig wird.

Das dreiköpfige Ermittler-Team könnte kaum unterschiedlicher sein. Da ist zum einen Rosie D’Antonio, die berühmte Krimiautorin, die über 60 Millionen Bücher verkauft hat, steinreich ist und von der niemand genau weiß, wie alt sie eigentlich ist. Amy Wheeler ist dagegen jung, arbeitet als Personenschützerin, hatte offensichtlich eine schwere Kindheit und ist mit einem Mann verheiratet, der ebenfalls beruflich durch die ganze Welt reist, so dass sie sich kaum sehen.

Dritter im Bunde ist Steve Wheeler, Amy’s Schwiegervater, Witwer und Polizist im Ruhestand. Er lebt in einem kleinen Dorf in England und liebt seine tägliche Routine. Gemeinsam versuchen sie drei Morde aufzuklären, einem Geldwäscher auf die Spur zu kommen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie selber am Leben bleiben.

Alle Charaktere sind von Osman hervorragend gezeichnet. Ich hatte immer Bilder vor meinem geistigen Auge. Sie sind liebenswert, haben Ängste und Sorgen, Hoffnungen, Wünsche und Ziele, sie sind also eigentlich normale Menschen so wie Du und Ich.

Ein High-Five für diesen wundervollen Roman.

Richard Osman: „Wir finden Mörder“, List Paul Verlag, 432 Seiten, ISBN 9783471360675, Preis: 22,99 Euro.

Zu dem Roman „Wir finden Mörder“ liegt auch eine Rezension von Sonja Weber vor.


Petra Nietsch über „In der Kälte Alaskas“

Petra Nietsch über „In der Kälte Alaskas“

Dana Stabenow:

In der Kälte Alaskas

Dieser Kriminalroman erschien im Original bereits 1992 und wurde erstmals 1996 ins Deutsche übersetzt. Nun hat ihn der Kampa-Verlag in diesem Jahr neu aufgelegt. Der zweite Teil dieser Reihe erscheint im Februar 2025.

Wer auf Schießereien, blutige Morde und wilde Verfolgungsfahrten hofft, wird enttäuscht werden. Vielmehr dient die Handlung dazu, dem Leser die Landschaft und die Kultur Alaskas näher zu bringen.

Es ist tiefster Winter und in der Wildnis Alaskas wird ein Ranger seit sechs Wochen vermisst, ebenso verschwindet der FBI-Agent, der ihn suchen soll. Kate Shugak, ehemalige Ermittlerin für die Staatsanwaltschaft in Anchorage, kennt den Nationalpark besser als jeder andere und wird gebeten, den Fall zu übernehmen.

Aber sie kennt auch ihr Volk, die Aleuten, und weiß, dass insbesondere die Älteren wie ihre Großmutter die „Outsider“, die Touristen und Geschäftsleute, ablehnen. Sie wehren sich gegen die Erschließung von Ressourcen und wollen die Natur schützen. Somit liegt diesem Kriminalfall der immer wiederkehrende Konflikt der indigenen Kulturen zugrunde, den Spagat zwischen Tradition und Moderne zu schaffen.

Der Autorin gelingt es die Natur, die Atmosphäre und die Stimmung so zu beschreiben, dass der Leser das Gefühl hat, hinter Kate Shugak auf dem Motorschlitten zu sitzen und mit ihr durch die verschneite Landschaft zu fahren.

Dana Stabenow: „In der Kälte Alaskas“, Kampa Verlag, 206 Seiten, ISBN 9783311120919, Preis: 17,90 Euro.