Dienstag, 21. März: Wälder und Poesie

Blick vom Agnesberg in Wernigerode über das Christianental.

Ich ging im Wald so für mich hin…

„Ich verbringe mehr Zeit im Wald als ein Eichhörnchen!“ erklärte einst der grandiose Hollywood-Komödiant Jack Lemmon. Wer ihm nacheifern möchte, könnte an diesem Dienstag, 21. März 2023, prima starten: Zum einen, weil heute Frühlingsanfang ist, zum anderen, weil wir den Internationalen Tag des Waldes (International Day of Forests) begehen.

Der Aktionstag geht auf die Initiative der Food and Agriculture Organization of the United Nations zurück, die diesen angesichts des global zunehmenden Waldsterbens schon 1971 ins Leben gerufen hat. Anders als in Österreich und der Schweiz hat sich der Aktionstag in Deutschland aber kaum durchgesetzt – wie man sieht, möchte man angesichts der kahlen Harzer Hänge sarkastisch anmerken…

Über das Problem geschrieben wird derweil reichlich (obwohl für all die Bücher auch wieder Bäume gefällt werden): In „Die Sache mit dem Wald“ verspricht Forstwissenschaftler Sven Herzog „neue Perspektiven und Konzepte für unser Ökosystem“ und strebt „Schutz durch Nutzung“ an. Nach dem Motto „Natur gestalten – Zukunft erhalten“ soll nach den Vorstellungen der Fürsten zu Castell  „Der Wald für unsere Enkel“ bewahrt werden.

Auch in „Der Wald der Zukunft“ berichtet mit Martin Janner ein Förster vom Kampf um unsere Bäume und den Umgang mit dem Wald im Klimawandel. Eine eher überschaubare Zielgruppe hat sich derweil Deutschlands derzeit wohl bekanntester Förster und „Baumflüsterer“ Peter Wohlleben mit einem Buch ausgesucht: „Der eigene Wald“ soll dabei helfen, „Privatwald optimal zu bewirtschaften“.

Immerhin können wir in Deutschland heute prima zwei Aktionstage miteinander verknüpfen, denn in kaum einem anderen Land der Welt haben die Dichter so intensiv den Wald besungen. Und heute ist eben auch der „Welttag der Poesie“ (UNESCO World Poetry Day). „Wenn der Wald im Winde rauscht“ präsentiert Bäume in Bild und Gedicht.

Und zwar nicht von irgendwem: Auf der Poetenliste stehen unter anderem Johann Wolfgang Goethe, Joseph von Eichendorff, Christian Morgenstern, Emily Dickinson, Bertolt Brecht, Hermann Hesse und Erich Kästner. Nicht nach stehen dem die Dichter, die für den Band „Ich ging im Wald so für mich hin“ die „schönsten Natur- und Tiergedichte“ beisteuerten.

„Von Wald und Welt“ schwärmt mit Josef Freiherr von Eichendorff auch der bedeutendste Lyriker und Erzähler der deutschen Romantik in Gedichten und Erzählungen. Ganz ohne Reime und mit einem einzigen Satz hat unterdessen Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass die ganze und vielschichtige Problematik auf einen Punkt gebracht: „Wenn wir den Wald sterben lassen, verlieren Worte ihren Sinn.“

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Donnerstag, 1. September: Herr, es ist Zeit…

Der Engelmonat und die Brennholzsaison

Auf geht’s am Donnerstag, 1. September 2022, in den neunten Monat dieses Jahres, der (ich hab’s an den Knöcheln nachgezählt) mit 30 Tagen aufwartet. Heute ist meteorologischer Herbstanfang, am 22. September folgt mit der Tagundnachtgleiche dann der kalendarische Start in den Herbst.

Dies wiederum spiegelt sich auch in den historischen deutschen Namen für den September wider. Mit Blick auf den Abschied vom Sommer wurde einst vom „Scheiding“ gesprochen. Der „Holzmonat“ markierte (und markiert jetzt vielleicht wieder) den Start der Brennholzsaison und der „Engelmonat“ beruht nicht zuletzt darauf, dass am 29. September das Hochfest der Erzengel Michael, Gabriel und Rafael ansteht. Die weiteren Namen „Herbstmond“ und „Herbsting“ sind dann selbsterklärend.

„Jetzt ist Herbst!“ ist also die exakt treffende Ansage, die im Falle dieses Buches mit fröhlichen Bastelideen für die bunte Jahreszeit aufwartet. Aber der Herbst hat nicht nur bunte Blätter zu bieten, es gibt auch reichlich Bauernregeln. Angesichts der akuten Energiekrise sollten wir die Birnbäume im Blick behalten, es muss auch nicht der von Fontanes Ribbeck zu Ribbeck im Havelland sein, es gilt vermeintlich generell: „Im September die Birnen fest am Stiel, bringt der Winter Kälte viel.

Das Stichwort Fontane erinnert an die Flut der „Herbstgedichte“. In vielen Büchern sind großartige (wenn auch bisweilen melancholische) Gedichtsammlungen von Größen wie beispielsweise Theodor Storm, Rainer Maria Rilke, Bertolt Brecht, Ingeborg Bachmann zusammengetragen. Der perfekte Platz, um die Lektüre zu genießen wäre dann „Mein Herbstgarten“, der die Stimmung des Herbstes aufnehmen soll.

Wobei gerade die bunter Blätterpracht und besonders auch der Goldene Oktober keineswegs zu schwermütigen Gedanken führen müssen. Ohne jeglichen Gedanken an „kulturelle Aneignung“ empfehlen wir beispielsweise eine Wanderung durch den „Indian Summer“ im WeltWald Harz bei Bad Grund. Mit Kindern gern über den „Indianerpfad“. Und im Gepäck für die Pausen das „Herbst-Wimmelbuch“.

Wir wollen aber auch nicht verschweigen, dass der Herbst erkennbar nicht ganz ungefährlich ist. Und dies nicht allein mit Blick auf den alljährlichen Schnupfen. Stephen King fällt mit „Frühling, Sommer, Herbst und Tod“ in vier Kurzromanen etwas aus der Jahreszeitenrolle, aber „Tödlicher Herbst“ aus Südtirol und Henning Mankells „Mord im Herbst“ mit Kurt Wallander rücken das wieder gerade. Die Jahreszeit hat literarisch gesehen mörderisches Potential, wartet aber auch mit einer der größten Partys der Welt auf: „Wiesn-Glück“ als Liebeserklärung an das Oktoberfest.

Ein kurzer Geburtstagsgruß geht heute an die Deutsche Presse-Agentur (dpa), die am 1. September 1949 ihre erste Meldung an die Redaktionen sendete – beschließen am 18. August in Goslar der Zusammenschluss mehrerer Agenturen zur dpa vollzogen worden war. „Die Nachrichtenprofis“ (eBook) geht der Frage nach, warum Qualitätsjournalismus für unsere Demokratie unverzichtbar ist.

Zum Genießen zum Start in den Herbst mit Rilkes „Herbsttag“ eines meiner Lieblingsgedichte (auch wenn der Blog wieder viel zu lang wird):

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los
.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

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Markus Weber – Ins leuchtende Du

Markus Weber – Ins leuchtende Du

Carola Moosbach:

Ins leuchtende Du

Aufstandsgebete und Gottespoesie

Ein wenig unsicher war ich, ob eine solche Buchempfehlung überhaupt auf die Seite der Bücher-Heimat passt. Ich versuche es mal – trotz meiner Bedenken. Das Buch der Juristin und Dichterin Carola Moosbach enthält eine Auswahl von Texten – Gebete und Gedichte – ihrer ersten drei, inzwischen vergriffenen Bücher. Alle Texte haben eine ganz besondere Sprache, die mich direkt anspricht. „Theo-Poesie“ hat die Theologin Dorothee Sölle das genannt.

Da ich die traditionelle liturgische Sprache inzwischen oft zu flach, zu weichgespült und kraftlos finde, bin ich immer wieder auf der Suche nach anderen Texten. Hier habe ich sie gefunden. Da ist nichts glatt; Zweifel, Rachegefühle und Unsicherheiten sind ebenso zugelassen wie Vertrauen, Hoffnung und die Sehnsucht nach erfülltem Leben, doch oft in neuen Bildern, die einem heutigen Lebensgefühl entspringen. Und die gerade deshalb für mich die Kraft der biblischen Psalmen atmen.

Geprägt ist Moosbachs eigener Lebensweg von Gewalt und Missbrauch durch den eigenen Vater, weshalb ihr die oft männlich geprägte Sprache der Liturgie versperrt war. Daraus sind eigene Zugänge entstanden, die nicht nur für Frauen eine Entdeckung sind. Man wird das Buch nicht von vorne nach hinten lesen, sondern hier und da hängen bleiben, mal an einem Wort oder einem Satz.

„Nichts brauchen wir so nötig wie Dich Schwester Gott …
Schenk uns neue Worte für Deine Wahrheit Gott
Und neue Taten für Deine Gerechtigkeit …
Mach uns mutig wie ein Baby das laufen lernt
Und ansteckend wie ein Kinderlachen im Sommer“

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Carola Moosbach: Ins leuchtende Du – Aufstandsgebete und Gottespoesie, EB-Verlag 2021, ISBN 978-3868933611, 144 Seiten, Preis: 15,00 Euro