Es ist ein großes Verdienst der Herausgeber*innen des Buches, die Lebenserinnerungen des Braunschweiger jüdischen Arztes Walter Heinemann einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Erinnerungen sind hilfreich eingeleitet und der Text selbst ist mit Fußnoten versehen, die Fachbegriffe erklären, Namen einordnen oder gelegentlich auch kleinere Korrekturen einfügen, wo es nötig ist.
Walter Heinemann wurde 1883 als Sohn einer Braunschweiger Kaufmannsfamilie geboren, besuchte dort die Schule und studierte in Berlin Medizin. Anschließend ließ er sich in Braunschweig als Facharzt nieder, leistete im Ersten Weltkrieg seinen Wehrdienst als Sanitätsoffizier. 1935 floh er schließlich vor der Verfolgung durch die Nazis zunächst nach Palästina, dann über England in die USA, wo er wieder als anerkannter Arzt arbeitete und sich wie schon in Deutschland vielfältig gesellschaftlich engagierte. 1968 starb er dort im Exil.
Walter Heinemann hatte seine Erinnerungen eigentlich für die Familie geschrieben. So gibt er in einem kurzen ersten Kapitel einen Überblick über die unterschiedlichen verwandtschaftlichen Beziehungen. Für mich beginnt es erst danach richtig spannend zu werden, wenn er über seine Kindheit, Jugend und Schulzeit schreibt. Hier gibt es interessante Einblicke in das bürgerliche Familienleben und die Schule im Kaiserreich. Schon früh wird Walter Heinemann – wie auch in allen späteren Phasen seines Lebens – mit Antisemitismus konfrontiert.
Auch bei der Schilderung aller weiteren Lebensstationen – Studium, Arbeit als Arzt in Braunschweig, Verfolgung in der NS-Diktatur, Flucht nach Palästina und dem Leben in den USA – neigt Walter Heinemann dazu, Anekdoten zu erzählen. Das bleibt aber keineswegs oberflächlich, sondern hat den Grund, „damit manche Erscheinungen und Symptome viel schärfer“ fassen zu können „als mit langatmigen Erzählungen“, wie er selbst am Schluss bemerkt. Dem kann ich durchaus zustimmen.
Für mich war es eine lohnende und trotz der oft schwierigen Verhältnisse und Zeiten, um die es geht, auch eine unterhaltsame Lektüre. Zahlreiche Bilder und andere Abbildungen lassen die Erinnerungen noch anschaulicher werden.




