Sonja Weber über „Weltreise auf dem Teller“

Sonja Weber über „Weltreise auf dem Teller“

Andrea Pfuhl:

Weltreise auf dem Teller

„Weltreise auf dem Teller“ verrät der Leserschaft nicht nur kulinarische Geheimnisse vieler Länder, sondern erklärt auch gleich, warum dort traditionsgemäß so gekocht wird, wie nun einmal gekocht wird. Dabei lüftet die Autorin diverse Tricks berühmter Köche und taucht gleichzeitig in die Geschichte der jeweiligen Länder ein.

Unterhaltsam und spannend verknüpft sie Historie mit dem, ohne das keine Gesellschaft Bestand haben kann: Ernährung. Wieso zum Beispiel hat die englische Küche so einen schlechten Ruf und warum gelten die Franzosen als Feinschmecker? Woher stammen die Begriffe Umami und Kokumi, was bedeuten sie, wie bekomme ich das in ein Essen und ist das eigentlich wünschenswert? Warum gehören in eine traditionelle Paella keine Meerestiere und warum muss sie von Männern zubereitet werden? Wie haben es eigentlich Schnecken und Frösche in die Kochtöpfe geschafft? Warum gehörten zuerst hauptsächlich Bohnen ins Chilli con Carne und dann auf einmal keinesfalls mehr?

Fragen über Fragen und Andrea Pfuhl beantwortet sie alle auf eine unvergleichlich kurzweilige Art und Weise.

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Andrea Pfuhl: „Weltreise auf dem Teller“, Rowohlt Verlag, 313 Seiten, ISBN 978-3-499-00870-2, Preis: 25,00 Euro.


Sonja Weber über „Unter uns das Meer“

Sonja Weber über „Unter uns das Meer“

Amity Gaige:

Unter uns das Meer

Die Autorin und Journalistin Amity Gaige nimmt uns mit auf die spannende Reise einer Familie, die zusammen unterwegs auf dem Ozean einander und sich selbst finden und wieder verlieren. Die Autorin lässt alle ihre Protagonisten, die zusammen unterwegs und trotzdem allein sind, einzeln zu Wort kommen. Am Ende fügt sich alles auf tragische Weise zusammen und liegt die Wahrheit wie so oft in der Mitte beider Leben.

Ein unter die Haut gehendes Buch, von dem ich mehr als froh bin, es gekauft und nun mit Genuss und Erstaunen gelesen zu haben.

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Amity Gaige: Unter uns das Meer, Eichborn Verlag, 381 Seiten, ISBN 9783847901099, Preis: 12,00 Euro.


Sonja Weber über „Ein Jahr voller Wunder“

Sonja Weber über „Ein Jahr voller Wunder“

Clemency Burton-Hill:

Ein Jahr voller Wunder

Weihnachten steht vor der Tür und das neue Jahr in den Startlöchern. Es ist also Zeit für Geschenke und gute Vorsätze, dieses Buch ist gleich beides. Clemency Burton-Hill hat mit „Ein Jahr voller Wunder“ einen traumhaft schönen Jahresbegleiter geschaffen.

Kurzweilig, höchst interessant und humorvoll bringt die Violinistin und Moderatorin uns darin jeden Tag ein klassisches Musikstück mitsamt Komponisten oder Komponistin nahe. Sie beweist damit, dass die Welt der klassischen Musik keine „exklusive Party“ ist, sondern, dass sie für Jede und Jeden Werke bereithält, die den Tag zum Leuchten bringen.

Für alle, die Lust haben sich 2023 entweder auf eine für sie komplett neue Musikwelt einzulassen, oder, die jeden Tag ihre Lieblingsmusikrichtung mal auf eine besondere und bezaubernde Art serviert bekommen möchten, ist dieser immerwährende Kalender ein besonders schöner Begleiter.

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Clemency Burton-Hill: „Ein Jahr voller Wunder“, Diogenes-Verlag, 453 Seiten, ISBN 9783257070897, Preis: 26,00 Euro.      


Sonja Weber über „Vor uns das Meer“

Sonja Weber über „Vor uns das Meer“

Alan Gratz:

Vor uns das Meer

Drei Jahrzehnte, drei Familien und drei Flüchtlingsschicksale. Alle so unterschiedlich und doch so gleich. Josef ist elf, sein Vater Anwalt, er und seine kleine Schwester könnten ein glückliches und erfolgreiches Leben vor sich haben, schriebe man nicht das Jahr 1939. Josef und seine Familie sind jüdischen Glaubens, ihre Welt zerbricht plötzlich.

Isabel lebt 1994 in Kuba, ihre Familie weiß, dass sie in Castros Land nicht frei sein kann. Das Ziel ihrer Träume und Hoffnungen liegt nah und doch unendlich weit weg: USA – die Flucht führt über das Meer.

Ebenso wie einundzwanzig Jahre später Mahmouds Flucht aus Aleppo in Syrien. Auch er und sein Bruder wollten studieren, eine Familie gründen, dann kam der Krieg und seine Heimat ging in Rauch auf.

Mit „Vor uns das Meer“ hat Alan Gratz ein Buch geschaffen, dass Jugendliche (empfohlenes Lesealter ab 12 Jahren) wie Erwachsene gleichermaßen anspricht. Nachdem es 2020 zunächst im Hanser-Verlag erschien, wurde es für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und außerdem mit dem „Buxtehuder Bullen“ ausgezeichnet. Inzwischen ist es preisgünstig als Taschenbuchausgabe erhältlich und findet ja vielleicht Einzug in die Schulbibliotheken.

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Alan Gratz: „Vor uns das Meer“, dtv Verlagsgesellschaft, 299 Seiten, ISBN 978-3- 423-62753-5, Preis: 9,95 Euro.


Sonja Weber über „Richter morden besser“

Sonja Weber über „Richter morden besser“

Thorsten Schleif:

Richter morden besser

Thorsten Schleif ist im Hauptberuf Jugendrichter am Amtsgericht Dinslaken, hat sich bisher in zwei Sachbüchern zu skandalösen Urteilen an deutschen Gerichten ausgelassen und ist nun mit seinem ersten Roman „Richter morden besser“ um die Ecke gekommen.

In dem wird dann auch gleich sehr geschickt und irgendwie erfrischend befriedigend ein böser Bube um die Ecke gebracht. Weil sich sonst keiner traut, dem bekanntesten Drogendealer der Stadt, auf dessen Konto diverse Tote gehen, den Laden dicht zu machen, nimmt das bei Schleif der Richter Siggi Buckmann selbst in die Hand.

Das Leben hat den einst idealistischen Jurastudenten zu einem ironisch-sarkastischen Beamten gemacht, der gefrustet Dienst nach Vorschrift schiebt. Der Tod eines Obdachlosen durch „dreckige Drogen“ jedoch lässt ihn zum Mörder werden. Während andere Berufsgruppen dabei eher zu Messern oder Schusswaffen tendieren, nimmt Buckmann, was er zur Hand hat: Er ordnet Haft an. Ein fast perfekter Mord, denn jeder sucht nur nach dem unmittelbaren Täter.

Wenn man bereit ist, sich auf Schleifs schwarzhumorigen Ton einzulassen, ist dieses Buch extrem unterhaltend. Die Beurteilung des Wahrheitsgehaltes überlasse ich denen, die sich damit auskennen.

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Thorsten Schleif: „Richter morden besser“, Wihelm Heyne Verlag, ISBN 978-3-453-42616-0, Preis: 11,00 Euro.


Sonja Weber über „Die Möbel des Teufels“

Sonja Weber über „Die Möbel des Teufels“

Heinrich Steinfest:

Die Möbel des Teufels

Steinfest ist einfach ein großartiger Erzähler. Mit einem Schuss Unwahrscheinlichkeit schafft er in seinen unterschiedlichen Büchern nicht nur Raum für die großen Gefühle, wichtigen Ereignissen und spannenden Individuen dieser Welt, sondern eben auch für die kleinen Nuancen dazwischen, die unscheinbaren Außenseiter, die still Liebenden und heimlich Leidenden.

Dabei machen seine wie kleine Geschenke eingestreuten Verweise auf Zeitgeschehen, wichtige Literaten und reale wissenschaftliche Erkenntnisse besonders Spaß. So wird aus Steinfests Krimis um Frau Wolf und Herrn Cheng immer viel mehr als „nur ein Fall“ und sind auch für Literaturfans ein Leckerbissen. Steinfests Romane sind kleine einzigartige Universen, in die man bei der Lektüre hineingezogen wird. Ein wenig Surreales erhält sich Steinfest fast immer und geht dabei so subtil zu Werke, dass man als Leserin und Leser nicht zweifelt.

Ich persönlich habe „Die Büglerin“ als echtes Ereignis empfunden und bin jetzt von „Der betrunkene Berg“ wie verzaubert. Die letzte Woche haben mich Frau Wolf und Herr Cheng in „Die Möbel des Teufels“ begleitet.

Heinrich Steinfest: „Die Möbel des Teufels“, Piper Verlag, ISBN 978-3-3492-31921-8, Preis: 12,00 Euro.


In den Wäldern der Biber

In den Wäldern der Biber

Franziska Fischer:

„In den Wäldern der Biber“

Eigentlich ist Alina eine Großstadtbewohnerin, ihre letzten Aufenthalte auf dem Land bei ihren Großeltern sind lange her, sie hat irgendwann den Kontakt abgebrochen. Ihre Familie ist schwierig – oder ist vielleicht nur Alina schwierig? Als ihre Beziehung mit ihrem Lebenspartner der Kinderfrage wegen in die Brüche geht und ihr Leben mal wieder ins Wanken gerät, bricht sie alle Brücken in Frankfurt ab und steht plötzlich bei ihrem Großvater in dem kleinen Dörfchen Spechthausen vor der Tür.

 Irgendwie kommt das für beide recht unerwartet, doch sie schaffen es, das Geschenk der Gegenwart des anzunehmen, sich wieder anzunähern, die Vergangenheit aufzuarbeiten und die Zukunft zu planen. Eine Zukunft mit der vermeidlichen Ruhe eines Dorfes, dem Gackern der eigenen Hühner, der Aussicht auf Liebe und der Hoffnung, nicht allein sein zu müssen.

Franziska Fischers Romanfiguren lernen ihre Lebensziele in der Abgeschiedenheit der Wälder neu oder erneut zu definieren. „In den Wäldern der Biber“ ist für mich eines der schönsten Bücher des Frühjahres, sowohl inhaltlich als auch äußerlich.

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Franziska Fischer: „In den Wäldern der Biber“, DuMont Buchverlag, 320 Seiten, ISBN 978-3-8321-6592-5, Preis: 22,00 Euro.


Mythos – Was uns die Götter heute sagen

Mythos – Was uns die Götter heute sagen

Stephen Fry:

„Mythos – Was uns die Götter heute sagen“

Der Schriftsteller, Kolumnist und Schauspieler Stephen Fry (von ihm wird man in diesem Jahr noch anderes zu lesen bekommen, ich freue mich schon darauf) hat sich in seinem Buch „Mythos“ der griechischen Götter von A wie Atlas bis Z wie Zeus angenommen, allerdings in chronologischer Abfolge. Und wer jetzt denkt, das sei ja nun wirklich nicht neu (nein, natürlich nicht) oder man kenne das ja alles schon (Irrtum!), der oder die wird schon bei den ersten Zeilen des Buches eines Besseren belehrt und das im wahrsten und besten Sinne des Wortes.

Nie waren klassische Sagen und Mythen so erkenntnisreich, kurzweilig, witzig, ironisch und aktuell. Ja, tatsächlich aktuell, denn das macht ja Klassik aus, sie behält ihre „Jugendlichkeit“, Anziehungskraft und lehrreiche Brisanz (leider scheinen so einige Staatsoberhäupter dieser Welt sich nie damit beschäftigt zu haben).

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Stephen Fry: „Mythos – Was uns die Götter heute sagen“, Aufbau Taschenbuch Verlag, 448 Seiten,  ISBN 978-3-7466-3732-7, Preis: 14,00 Euro.


An der Grasnarbe

An der Grasnarbe

Miriam Wittig:

An der Grasnarbe

Miriam Wittig (*1996) hat mit „An der Grasnarbe“ ein besonderes Buch geschaffen. Es ist die Geschichte von Noa, die auf der Flucht vor Erlebnissen und Erinnerungen, die regelmäßig Panik bei ihr auslösen, aus der Stadt flieht und für eine Zeit auf einem Hof in Südfrankreich unterkommt. Ella und Gregor, die vor Jahren dorthin ausgewandert sind, leben unter widrigen Bedingungen ihren Traum vom Aussteigerleben und trotzen – immer wieder mit der Hilfe von vorbeiziehenden Studenten und Backpackern – dem Land das Nötigste ab.

Aber die Sommer werden trockener und wenn es regnet, dann gleich sturzbachartig. Die Temperaturen schwanken wie die Stimmung von Noa und das Land ist so vernarbt wie ihre Seele. Sie ist eine Überlebende und kann damit fast nicht leben. Jede in ihren Augen „verdächtig“ aussehende Person versetzt sie in Angst, laute Geräusche und Feuerwerk sind wie Schüsse, gleichen Explosionen. Das Hüten der Schafe, die Landarbeit und Jade, die kleine Tochter von Gregor und Ella, werden ein wichtiger Teil von Noas Heilung.

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Miriam Wittig: „An der Grasnarbe“, Suhrkamp Verlag, 191 Seiten, ISBN 978-3-518-43062-0, Preis: 23,00 Euro.


Der Markisenmann

Der Markisenmann

Jan Weiler:

Der Markisenmann

Die Hitze wabert auf dem Asphalt, der MSV Duisburg steigt in die erste Bundesliga auf und Manuel Neuer steht bei Schalke im Kasten. Das hätte die sechzehnjährige Kim bis vor Kurzem eigentlich gar nicht interessiert, aber nachdem sie beinahe ihren kleinen Stiefbruder schwer verletzt hätte, muss sie die Sommerferien statt mit Mutter und Stiefvater in Miami bei ihrem leiblichen Vater in Duisburg verbringen.

Für Kim wird das der Sommer der Wahrheiten. Wahrheiten über sich, über ihre Geburt, über ihren Vater und ihre Mutter. Jan Weiler lässt in dem ihm eigenen leichten, witzigen und trotzdem tiefgründigen Stil seine Protagonistin rückblickend erzählen. Während man als LeserIn mit Kim und ihrem Vater Markisen in fragwürdigem Design an Haustüren verkauft, an Würstchenbuden zu Mittag isst und auf einem Schrottplatz am Rhein-Herne-Kanal mit der ersten Liebe in der Sonne liegt, steuert die Geschichte fast unbemerkt aber unaufhaltsam auf ein Ende zu, das für alle Beteiligten so einiges ändert.

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Jan Weiler: „Der Markisenmann“, Wilhelm Heyne Verlag, 336 Seiten, ISBN 978-3-453-27377-1, Preis: 22,00 Euro.