Die Badende von Moritzburg

Die Badende von Moritzburg

Die Badende von Moritzburg

Ralf Günther:

Die Badende von Moritzburg

Die Novelle „Die Badende von Moritzburg“ versetzt einen mit leichter Feder ins Jahr 1910. Die junge Clara Schimmelpfenninck befindet sich im Dresdner Lahmann-Sanatorium. Hysterische Atemnot hatte man gemutmaßt, nur scheint diese doch eher schlagfertige Dame wohl mehr an ihrem Alltag zu zweifeln und ein Leben in Frage zu stellen, das ihr gleich einem Korsett im wahrsten Sinne des Wortes den Atem nimmt.

Den Geschmack der Freiheit und eines völlig unkonventionellen Lebens lernt sie kennen, als sie während eines Ausfluges auf den Maler Ernst Ludwig Kirchner trifft. Den nackten Maler wohlgemerkt, der mit – ebenfalls unbekleideten – befreundeten Künstlerinnen und Künstlern in einem See badet. Ohne es anfangs zu ahnen, wird Clara jedenfalls für eine kurze, intensive und leidenschaftliche Zeit Teil der von Kirchner mitbegründeten Künstlerkolonie „Die Brücke“. Eine Begegnung, die das Leben der jungen Frau ändern und ihrem Denken Flügel verleihen wird.

Ralf Günther schafft es, dass man als Leserin und Leser atmosphärisch ebenso in diesen flirrend heißen Sommertag gesogen wird, wie seine Protagonistin.

Den Umschlag des Buches ziert das Gemälde Kirchners (1880-1938) „Drei badende Frauen“, das 1911/12 entstand. 1937 erklärten die Nationalsozialisten seine Bilder für entartet und ließen viele davon vernichten.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Ralf Günther: „Die Badende von Moritzburg“, Kindler Verlag, 104 Seiten, ISBN 978-3-463-40686-2, Preis: 15,00 Euro.


Strafe

Strafe

Hakan Nesser/Paula Polanski:
Strafe

Normalerweise schreibt der “Philosoph unter den Krimiautoren Skandinaviens“ (FAZ) allein. „Strafe“ hat er gemeinsam mit Paula Polanski geschrieben – und damit beginnt die Verwirrung. Die Autoren entwickeln eine verschachtelte, merkwürdige Geschichte:

Der lange ignorierte und sterbende Schulfreund des Protagonisten bittet um einen letzten Dienst: Beide verbindet Abneigung und die frühe Zuneigung zu einer Mitschülerin. Der Sterbende nötigt den Protagonisten, er möge sie ausfindig machen. Es entwickelt sich eine Geschichte in der Geschichte und am Ende steht ein starker Plot, den der ahnungslose Leser kaum vorausahnen kann. Dieser Plot hievt die Lektüre plötzlich auf eine andere Ebene. Das Drama mit den vielen Facetten endet, bevor der Protagonist im nahen Teich ertränkt werden könnte.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Hakan Nesser/Paula Polanski: Strafe, btb-Verlag, 238 Seiten, ISBN 9783442714520, Preis: 9,99 Euro.

Alte Sorten  

Alte Sorten  

Ewald Arenz:

Alte Sorten  

Ein Buch über eine ungewöhnliche Freundschaft. Sally ist 17 Jahre alt, als sie aus einer Klinik abhaut, in der ihr mit vorgespielter Betroffenheit die immer gleichen Fragen gestellt werden., in der man sie in ein Krankheitsbild einmauert und ihr genau das verweigert, was sie bräuchte; Abstand und Zeit.

Da trifft sie auf Liss, über 40 Jahre alt, die allein auf einem Hof lebt.  Auch sie ist von inneren Vernarbungen gezeichnet, verbittert und an einen Hof gefesselt, der sie an eine Vergangenheit kettet. Der Kontrast zwischen den beiden Frauen könnte nicht größer sein. Liss will Sally für eine Nacht aufnehmen, doch aus der einen Nacht werden Wochen….

Ein Buch, sehr einfühlsam und berührend geschrieben, absolut zu empfehlen!

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Ewald Arenz: „Alte Sorten“, Dumont-Buchverlag, 256 Seiten, ISBN 978-3-8321-8381-3, Preis: 20,00 Euro.


Also sprach Sarah Tustra

Also sprach Sarah Tustra

Matthias Steinbach:

Also sprach Sarah Tustra

Nietzsches sozialistische Irrfahrten

Friedrich Nietzsche war sicher einer der umstrittensten Philosophen des 19. Jahrhunderts mit einer langen und breiten Wirkungsgeschichte. Was geschieht aber, wenn nicht das freie Argument in der Auseinandersetzung um seine Positionen wirken darf, sondern der Staat im vermeintlichen Besitz der Wahrheit entscheidet, was gesagt und geschrieben werden darf? Darum geht es im Buch von Matthias Steinbach, Professor für Geschichte an der TU Braunschweig, der den Konflikten um Nietzsche in der DDR nachgeht.

So ist es nicht nur ein Buch über die dogmatische Festlegung der DDR-Führung, Nietzsche habe mit seiner Philosophie dem Faschismus vorgearbeitet. Vielmehr führt es auch „mitten hinein in den intellektuellen und kulturellen Alltag des real existierenden Sozialismus“ mit all seiner Engstirnigkeit, mit Denunziationen und Überwachung. Und es zeigt die Versuche, starre Haltungen aufzubrechen. Die Gedankengänge verlangen durchaus eine gedankliche Konzentration, die jedoch immer wieder anekdotisch und unterhaltsam aufgelockert werden. Auch führt das Buch an die Orte, an denen Nietzsche Spuren hinterlassen hat. Zudem lässt Steinbach den Leser an seinen persönlichen Erfahrungen im Studium in der DDR Ende der 1980er Jahre teilhaben.

Der merkwürdige Titel des Buch verweist übrigens darauf, dass die Stasi-Offiziere, die Protokolle der Überwachung von Verdächtigen anfertigten, weder Nietzsches Namen noch die Titel seiner Werke richtig schreiben konnten.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Matthias Steinbach: »Also sprach Sarah Tustra«. Nietzsches sozialistische Irrfahrten, Mitteldeutscher Verlag 2020, ISBN 978-3963114243, 288 Seiten, 20,00 Euro

Ein besonderer Leckerbissen zum Buch: Matthias Steinbach wird am 17. Juni 2022 in der Bücherheimat aus seinem Werk lesen und es vorstellen. Man darf sich nicht nur auf einen lehrreichen, sondern auch unterhaltsamen Abend freuen. Näheres wird rechtzeitig bekannt gegeben.

Sebastian Maas: Gar es ohne Bares!

Sebastian Maas: Gar es ohne Bares!

Sebastian Maas:

Gar es ohne Bares!

Im Grunde genommen dürfte ich dieses in der BÜCHER-HEIMAT frisch erworbene Buch erst in einige Wochen besprechen. Es geht vor allem um Rezepte – und ich habe noch kein einziges ausprobiert. Andererseits ist dies hier eine Buch- und keine Rezept-Besprechung. Und das Buch faszinierte mich schon vor Erscheinen im April 2022.

Die Erklärung dafür ist denkbar einfach, denn „Gar es ohne Bares!“ stammt aus der Feder von Sebastian Maas, Autor der erfolgreichen „Spiegel“-Kolumne „Kochen ohne Kohle“. Nun liefert er „das kreative Kochbuch für alle mit kleinem Geldbeutel und wenig Zeit“. Wobei ich für meine Person manchmal „ohne Lust“ ergänzen müsste. Obwohl ich im Grunde gern koche.

Von Oma und Mutter geprägt, ist mein Repertoire überwiegend als „gutbürgerlich“ zu bezeichnen. Mehlschwitzen sind da eher die Regel als ein „No Go“. Was sich leider auf der Hüfte und der Waage niederschlägt.

Über die Rezepte werde ich später im BÜCHER-HEIMAT-Blog berichten. An „Beamtenstippe“ und „Schnitzel Wiener Art“ gewöhnt, sammle ich noch meinen Koch-Mut beispielsweise für „Wraps mit gegrillten Pfirsichen, Halloumi und Kartoffelchips“ oder „Gerösteter Kurkuma-Blumenkohl und Rote Beete aus dem Ofen“. Ich komme halt vom Land und „was der Bauer nicht kennt…“

Faszinierend ist aber allemal die Aufteilung der Rezepte nach den Kosten pro Person. Selbst „Anfang des Monats“ sollen die Kosten 3 Euro nicht überschreiten, „Ende des Monats“ dann sogar unter einem Euro liegen. Zudem präsentiert Maas auch Spartipps, „wie man richtig einkauft“ und buchstabiert „das ABC der Lagerung“.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Sebastian Maas: „Gar es ohne Bares!“, Penguin-Verlag, 240 Seiten, ISBN 9783328108856, Preis: 14,00 Euro.


Maigret und Pietr der Lette

Maigret und Pietr der Lette

Georges Simenon:

Maigret und Pietr der Lette

Der Versuch, nach Jahrzehnten die (literarischen) Helden der eigenen Jugend wiederzuentdecken, kann fürchterlich in die Hose gehen. Mit Karl Mays „Winnetou“ ging es mir so. Beim besten Willen vermochte ich nicht mehr zu entdecken, weshalb ich die Bände einst verschlungen habe. Das positive Gegenbeispiel lieferte jetzt der Belgier Georges Simenon mit seinem Kommissar Maigret.

Simenon stand mit Rex Stout, Agatha Christie, Dorothy L. Sayers weit oben in meinem persönlichen Krimi-Autoren-Ranking. Mit „Maigret und Pietr der Lette“ habe ich den Wiedereinstieg mit dem ersten Maigret-Roman gesucht. Und ich habe schnell entdeckt, warum ich die Bücher so mochte. Simenons Blick galt „dem nackten Menschen“. Seine Charakterbeschreibungen sind Psychogramme, hinter denen der Kriminalfall und das sonst Genre-typische „Whodunit“ vielfach in den Hintergrund tritt.

Mich wundert nicht, dass Simenon vor allem mit den 75 Maigret-Romanen zu einem der meist übersetzten und meist gelesenen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts avancierte. Der nächste Band „Maigret und der tote Herr Gallet“ liegt schon auf dem Nachtschrank.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Georges Simenon: Maigret und Pietr der Lette, Kampa Verlag, 239 Seiten, ISBN 9783311130017, Preis: 17,90 Euro.


Ein Präsident verschwindet

Ein Präsident verschwindet

Ein Präsident verschwindet

Ralf Langroth:

Ein Präsident verschwindet

Für mich ist dies das erste Buch aus dem politisch-historischen-Kontext und ich muss sagen, dass ich großes Interesse an diesem Buch hatte. Möglicherweise waren meine Erwartungen daher recht hoch angesetzt und wurden nicht enttäuscht.

Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten – natürlich auf meinen unbedingten Wunsch. Nicht unwichtig war für mich, als altes Cover-Opfer, der grün schimmernde und historisch anmutende Einband.

Der als Thriller benannte Titel, liest sich wirklich gut und ist ehrlich spannend. Wir werden in der Fakten-Fiktion-Welt in das Jahr 1954 entführt. Bilder eines verschwundenen Präsidenten, ein deutscher Kommissar und eine Journalistin aus dem Widerstand. Eine aufregende Mischung spannender Charaktere.

Ich habe schon angemerkt, dass es zwar als Thriller benannt war, aber für mich war es eher ein Krimi. Das schadet dem Wert des Buches natürlich nicht im Mindesten.

Fazit: Ich bin angefixt und nun ein Fan des Genres! Lesen Sie, wenn Sie Interesse an politisch-historischen-Büchern und spannenden Kriminalfällen haben.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Ralf Langroth: Ein Präsent verschwindet, Rowohlt Taschenbuch, 373 Seiten, ISBN: 978-3-499-00477-3, Preis 16,00 Euro.


Alissa kauft ihren Tod

Alissa kauft ihren Tod

Ljudmila Ulitzkaja:

Alissa kauft ihren Tod

Humorvoll erzählt Ljudmila Ulitzkaja nicht alltägliche Alltagsgeschichten vor allem von Frauen, die sich unterschiedlichen Herausforderungen in ihrem Leben stellen müssen. Dabei ergeben sich Einblicke in das Leben in Russland, die aber vor allem auch gängige Erwartungen durchbrechen.

In der Titelgeschichte lernen wir Alissa kennen, die selbstbewusst ins Alter gekommen ist und auf der Suche nach einem Mittel, um selbstbestimmt sterben zu können, nun einem neuen Reichtum im Leben begegnet. Oder die Schwestern Nina und Lidija, die einander in Abneigung zugetan sind und sich und ihre Mutter erst nach deren Tod kennenlernen. Oder Sarifa und Mussja – die eine Aserbaidschanerin, die andere Armenierin – die eigentlich verfeindet sein müssten, aber in Liebe vereint sind. Oder Sonja, die sich nach der Trennung von ihrem Mann in einen Schmetterling verwandelt … Aber entdecken Sie die Vielfalt der Geschichten selbst.

Bei aller Ironie und teils schwarzem Humor in den Erzählungen wird immer die menschenfreundliche Grundhaltung deutlich, mit der die Autorin schreibt. Wie im Gedicht ausgedrückt, das sie den Erzählungen voranstellt: „… ich liebe diese leichtsinnigen, weisen, schamlosen, bezaubernden, verlogenen, wunderbaren, abergläubischen und treuen, diese überaus klugen und unfassbar dummen Frauen, von denen die Engel im Himmel noch lernen könnten …“

Es lohnt, die Bücher von Ljudmila Ulitzkaja zu lesen, zumal in einer Kriegszeit, in der die Gefahr besteht, alles Russische undifferenziert zu verteufeln. Sie selbst bezeichnet sich als russische Schriftstellerin jüdischer Herkunft und christlicher Prägung. Die Autorin gehört zu denen, die Putin und den Überfall auf die Ukraine scharf verurteilen; inzwischen ist sie – zumindest vorübergehend – nach Deutschland gezogen.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Ljudmila Ulitzkaja: Alissa kauft ihren Tod. Erzählungen, Carl Hanser Verlag 2022, ISBN 978-3446269651, 304 Seiten, 25,00 Euro.

Kill the Queen

Kill the Queen

Kill the Queen

Jennifer Estep:

Kill the Queen

(Die Splitterkrone 1)

Begleite Everleigh in das Königreich Bellona. Erzittere vor Macht, Intrigen und Heldenmut. Wachse und entwickle dich. Freue dich mit ihr, fürchte dich und hasse, wen sie hasst.

Dieses Buch beginnt – so ehrlich muss ich sein – etwas langatmig und gibt dann so richtig Gas. Ich habe es verschlungen und konnte nicht glauben, dass es ein Ende haben muss. So ist das mit guten Büchern, man betrauert ihr Ende. Dies ist eine der Geschichten, nach denen man entweder gleich den nächsten Band verschlingen muss (was ich leider nicht konnte) oder das Genre wechselt, um etwas Neutralisierendes dazwischen zu haben.

Die Geschichte kann ich wirklich nur allen empfehlen, die viel übrig haben für High-Fantasy-Bücher, wie die Autorin es selbst nennt.

Mein Fazit: Unbedingt lesen, genießen und den nächsten Band bloß nicht vor mir lesen!

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —

Jennifer Estep: Kill the Queen (Die Splitterkrone 1), Piper Verlag GmbH 465 Seiten, ISBN: 978-3-492-70541-7, Preis: 17,00 Euro.


Exophonien

Exophonien

Halyna Petrosanyak:

Exophonien

Im Rhythmus der Landschaft. Gedichte

Seit dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine habe ich gemerkt, wie wenig ich von ukrainischer Kultur weiß. Da war es ein Glücksfall, auf die gerade erschienene Gedichtauswahl von Halyna Petrosanyak, die seit einigen Jahren in der Schweiz lebt, zu stoßen.

Viele Gedichte sind angeregt durch Orte und Landschaften. In ihnen klingen zentrale menschliche Themen an – Heimat und Fremde, Sehnsucht und Zweifel. Dabei gelingt es der Poetin immer wieder, auch großen, scheinbar selbstverständlichen Worten neue Bilder zu geben und Perspektiven zu eröffnen. So laden die Gedichte zum Innehalten ein.

Die Texte sind von verschiedenen Übersetzerinnen und Übersetzern aus dem Ukrainischen ins Deutsche übertragen worden, denen man anmerkt, wie fruchtbar um die Worte gerungen wird: So sind einige Texte sogar mehrfach übersetzt; jede Übersetzung eröffnet andere Nuancen.

Und einige Gedichte sind einfach ermutigend, wie das Ende des Gedichts mit dem Titel „Liebe“:

Der grösste Luxus
ist zu hoffen,
dass die Liebe
nicht eher
endet
als
das Leben.

Halyna Petrosanyak: Exophonien. Im Rhythmus der Landschaft. Gedichte, Verlag: Der gesunde Menschenverstand 2022, ISBN 978-3038539919, 96 Seiten, 17,00 Euro.