Heike Zumbruch über „Zwischen zwei Sternen“

Heike Zumbruch über „Zwischen zwei Sternen“

Becky Chambers:

Zwischen zwei Sternen

Cover: Zwischen zwei Sternen

Auch der zweite Band der Wayfarerreihe hat mich wirklich begeistert. Ganz besonders deshalb, weil Becky Chambers nicht einfach noch ein Raumschiffabenteuer geschrieben hat. Dieser Versuchung hat sie zum Glück widerstanden – obwohl es doch beim ersten Mal so erfolgreich war…

In „Zwischen zwei Sternen“ begegnen wir zwei Figuren, die uns aus dem ersten Band schon bekannt sind. Ihre Lebensgeschichten werden in zwei Handlungssträngen abwechselnd erzählt. Da ist zunächst die Modderin Pepper, die auf der Wayfarer Lovelace begegnet, der empfindungsfähigen KI des Raumschiffs. Peppers Geschichte beginnt, als sie 10 Jahre alt ist und Jane 23 heißt. Sie lebt und arbeitet mit vielen anderen Kindern zusammen in einer Fabrik und sortiert, säubert und repariert Schrott jeder Art, sofern das noch möglich ist. Betreut werden die Kinder von „Müttern“, die sie bestrafen, wenn sie schlechtes Benehmen „machen“.

Als sich eines Tages die Möglichkeit zur Flucht bietet, nutzt Pepper/Jane 23 diese Chance, findet sich zwischen Schutthalden wieder, rennt um ihre Freiheit und findet Hilfe aus einer ganz unerwarteten Richtung… Ein Leben in Freiheit, aber auch voll Dreck, Verzweiflung, Hunger und Angst beginnt und dauert viele Jahre!

Lovelace‘ Geschichte beginnt, als sie die Wayfarer mit Peppers Hilfe verlässt und in einen Bodykit „einzieht“ – sie gibt sich selbst den Namen Sidra. Bodykits für KI sind in der Galaktischen Union (GU) streng verboten und es drohen harte Strafen. Das bringt einige Problem mit sich, zumal in Sidra ein Wahrhaftigkeitsprotokoll programmiert ist – Sidra kann nicht lügen.

Außerdem erfahren wir von ihren Problemen mit den eingeschränkten Möglichkeiten eines „Körpers“, der ihre Systeme vor große Probleme stellt und als sie sich tätowieren lässt, kommt es beinahe zum Systemabsturz. Zusammen mit Pepper und deren Freund Blue lebt sie auf der dunklen Seite eines Mondes, auf Port Coriol in einer multispeziären Gesellschaft und gemeinsam finden sie zu einer Lösung ihrer vielfältigen Probleme. Aber: Warum hat jede Spezies einen eigenen Waggon in der Unterwasserbahn?

Wieder erfahren wir viel mehr als nur diese beiden Geschichten. Becky Chambers erweitert unser Wissen um die Gesellschaften in der GU, ihre Entstehung, ihre dunklen Seiten, die Fehler in der Vergangenheit und ihre optimistischen Zukunftsaussichten. Es gibt z. B. ein „Lassen-wir-Planeten-mit-Leben-in-Ruhe-Gesetz“! Genau dafür verehre ich Becky Chambers, sie verliert sich nicht in Schlachtengetümmel, sondern zeichnet eine positive Zukunft, in der der Mensch nicht mehr die dominante Rolle spielt – ein ziemlich beruhigender Ansatz.

Nun brauche ich erst einmal Urlaub vom Weltraum – im nächsten Beitrag möchte ich Ihnen ein Buch über ein anderes meiner Hobbys vorstellen.

Becky Chambers: „Zwischen zwei Sternen“, Fischer Tor, 460 Seiten, ISBN 9783596035694, Preis: 13,00 Euro.


Heike Zumbruch über „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“

Heike Zumbruch über „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“

Becky Chambers:

Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten

Als begeisterter Leser von intelligenter Science-Fiction-Literatur war ich sofort angetan, als Sonja Weber dieses Buch bei einer Veranstaltung in der Bücher-Heimat (als letztes) vorstellte.

Becky Chambers hat mit einer unglaublichen Fantasie ein Universum erschaffen, in dem es vor intelligenten Spezies nur so wimmelt. Jede von einem anderen Himmelkörper, jede mit einer eigenen Physis, einer eigenen Gesellschaftsstruktur, einer eigenen Sprache – die mal tonlos mit Hautverfärbungen funktioniert, mal mit gurrenden, glucksenden Lauten, mal unterstützt durch Gesten – und einem eigenen Namen: Marsianer, Solaner, Exodaner, Harmagianer, Äluoner, Aandrisks, Sianat, und viele mehr.

Die Handlung ist angesiedelt in einer Zeit, die weit in der Zukunft liegt; 200 Jahre zuvor hatten die letzten Menschen die sterbende Erde Richtung Mars verlassen.

Ort der Handlung ist ein Raumschiff, das durchs All fliegt, um Tunnel zu bohren. Tunnel? Ja, lassen Sie sich überraschen. Die Crew ist bunt zusammengewürfelt und natürlich kommt es zu Reibereien, doch wenn es drauf ankommt, stehen alle zusammen. Aber: Warum liegen Teppiche auf den Treppenstufen in einem Raumschiff?

Natürlich ist auch die Technik weit fortgeschritten, von Imunobots bis zu einer empfindungsfähigen KI, speziellem Treibstoff und Bodykits, implantierten Ausweischips, künstlicher Gravitation, keimtötenden Blitzen …

Aber dabei belässt es Becky Chambers nicht, sie entwirft auch eine interstellare Gesellschaft, die eine gemeinsame Regierung für alle friedlichen Spezies gebildet hat – die Galaktische Union, die GU, die allen Mitgliedern Sicherheit und Schutz garantiert, aber auch strenge Gesetze und Regeln erlassen hat, mit teils drastischen Strafen bei Verstößen.

Zudem entwickelt die Autorin eine Theorie über die evolutionären Gesetze, die zur Entwicklung intelligenten Lebens auf einem Planeten oder Mond führen. Ähnlich wie physikalische Gesetze, die auch überall im Universum gelten.

Die wissenswerten Details über Geschichte, Gesellschaften, Wissenschaft und Technik werden wie nebenbei in Gesprächen der handelnden Personen wiedergegeben. Ebenso gesellschaftliche Ethik und Tabus. Durchaus auch kontrovers und nicht unkritisch der Entwicklung gegenüber.

Das Buch liest sich leicht und flüssig, mit vielen spannenden Sequenzen, die mir teils die Nachtruhe geraubt haben, denn wer kann ein Buch schon weglegen, wenn Weltraumpiraten am Werk sind? Zum Glück habe ich mir auch gleich Teil 2 und 3 (von 4) gekauft, so dass ich sofort weiterlesen konnte, nachdem ich die letzte der gut 500 Seiten verschlungen habe.

Nicht zuletzt wegen des optimistischen Ansatzes: Absolut empfehlenswert!

Becky Chambers: „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“, Fischer Tor, 544 Seiten, ISBN 9783596035687, Preis: 14,00 Euro.