Christine Weber über „Aenne und ihre Brüder“

Christine Weber über „Aenne und ihre Brüder“

Reinhold Beckmann:

Aenne und ihre Brüder

Anfangs interessierte mich die Geschichte von Aenne und ihren Brüdern, weil sie im Osnabrücker Raum spielt. In der Nähe bin ich auch aufgewachsen, hierher stammen auch meine Eltern. Aenne und ihre Brüder sind etwa so alt wie meine Eltern, vielleicht etwas älter. So erzählt Beckmann eine Familiengeschichte, wie sie in vielen Familien gewesen sein könnte. Und Beckmann erzählt diese Geschichte seiner Mutter und seiner Onkel, die er nie kennenlernen konnte, wertschätzend und einfühlsam.

Die Erzählung beruht auf den Berichten der Mutter und zahlreichen Briefen ihrer Brüder, die die Mutter wie einen Schatz gehütet hat und die Beckmann häufig zitiert. Darüber hinaus hat Reinhold Beckmann offensichtlich gut recherchiert und konnte so Zusammenhänge aufzeigen, wie sich das Leben in der kleinen Gemeinde Wellingholzhausen in der Weimarer Republik und unter nationalsozialistischer Diktatur abgespielt hat – und wohl auch wahrscheinlich an vielen Orten und in Familien Realität war.

Die zahlreichen Briefe der Onkel an ihre Schwester in der Heimat geben einen Einblick in die Gefühlswelt, und wie sie sich im Laufe des Krieges gewandelt hat. Von der anfänglichen Begeisterung bleiben nur Angst und Hoffnungslosigkeit. Für die Brüder, von denen keiner den Krieg überlebt hat, bleibt der Briefkontakt zur Schwester der einzige Kontakt zur „Zivilisation“. Das Grauen des Krieges überwältigt.

Ich frage mich oft, wie es soweit kommen konnte, dass Menschen euphorisch in den Krieg zogen. Reinhold Beckmanns Buch gibt dazu einen Einblick. Und es ermuntert, heute wach zu sein, aufzupassen und den Anfängen zu wehren. So ist das Buch zugleich hoch aktuell

Reinhold Beckmann: Aenne und ihre Brüder. Die Geschichte meiner Mutter, Propyläen Verlag 2023, 352 Seiten, ISBN 978-3549100561, Preis: 26,00 Euro.


Montag, 21. November: Pflichtglotzen?

Mit dem Buch durch den Welttag des Fernsehens

Heute ist „Welttag des Fernsehens“ und seit dem Aufstehen grübele ich, ob ich diesen Montag, 21. November 2022, nun durchweg vor der Flimmerkiste verbringen muss. Damit aber würde ich voll daneben liegen.

Der World Television Day geht auf eine Initiative der Vereinten Nationen zurück, die nicht zu mehr Glotzen aufruft, sondern „Zukunftsperspektiven des Mediums Fernsehen in einer sich immer schneller wandelnden (Medien-)Welt“ erörtern will. Der Aktionstag soll den weltweiten Austausch von Fernsehprogrammen und damit den Kulturaustausch fördern, um so auch zu Frieden und Sicherheit beizutragen.

Man darf aber trotzdem auch heute zum Buch greifen, zur Not kann es ja eines über Fernsehen sein. So soll „Über das Fernsehen“ die Logik der Einschaltquoten und damit die „demagogische Unterwerfung unter die Erfordernisse des kommerziellen Plebiszits“ beleuchten. Da aber zunehmend Streaming-Dienste die Vorherrschaft übernehmen, liest man vielleicht besser „Keine Regeln“ von Netflix-Boss Reed Hastings  (Lesetipp von Dirk Junicke).

Wer vom Fernsehen nichts wissen will, die mit mehr als 50 Millionen meistverkaufte Single der Welt auflegen und dazu das passende, ebenso romantische wie gerade zeitgemäße Buch lesen: „White Christmas – Das Lied der weißen Weihnacht“. Heute vor 80 Jahren erreichte Bing Crosby mit Irving Berlins Lied „White Christmas“ erstmals Platz 1 der Charts und bleibt dort zehn Wochen lang.

Dass der Protagonist des Heimkehrerdramas „Draußen vor der Tür“ auch Beckmann heißt, erschwerte mir den Zugang in einer hänselstarken Schulklasse deutlich. Dennoch gehört das Stück, das heute vor 75 Jahren (1947) einen Tag nach dem frühen Tod Wolfgang Borcherts (26 Jahre) uraufgeführt wurde, zu den Büchern, die mich tief bewegt haben. Der Verlag nennt es einen „verzweifelten Protestschrei gegen die zerstörerische und verderbnisträchtige Macht des Krieges“.

Nochmal zurück zum Fernsehen. Heute vor 35 Jahren (1987) wurde die letzte Folge von „Einer wird gewinnen“ (EWG) mit Hans-Joachim Kulenkampff ausgestrahlt. Zum auch von mir heißgeliebten TV-Dinosaurier habe ich nichts gefunden, daher ein Werbung für meine aktuell liebste Quizsendung: „Wer weiß denn sowas?“.

Zu guter Letzt noch ein Geburtstagsgruß an Voltaire (François-Marie Arouet), der heute vor 328 Jahren geboren wurde. Der Mann hinterließ mit weit über 700 Texten eines der umfangreichsten Werke der Literatur- und Geistesgeschichte, darunter so bekannte Romane wie „Candide“ (Zur fröhlichen Kurzfassung im YouTube-Video). Und er sondert Lebensweisheiten ab, die bis heute gültig sind: „Alles, was du sagst, sollte wahr sein. Aber nicht alles, was wahr ist, solltest du auch sagen.

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