Bettina Luis über „Hey, guten Morgen, wie geht es Dir?“


Martina Hefter:

Hey, guten Morgen, wie geht es Dir?

(Deutscher Buchpreis 2024)

Ich empfehle auch diesen modernen, aktuellen und emotional packenden Roman gerne, denn er liest sich leicht und kurzweilig, wenn auch schleichend bedrückend. Hefter greift existentielle Themen ernsthaft auf. Leichtigkeit, Tanz und Spiel erschaffen dann aber auch immer wieder drumherum einen bewegenden Kosmos in dem (unter dem) Sehnsüchte und Ängste in wunderbar gelingenden Bemühungen letztlich in einer erträglichen Balance gehalten werden!?

JUNO liebt ihren schwer MS-kranken Mann JUPITER. Beide haben die Mitte ihres Lebens hinter sich, allzu viele Worte und direkte Nähe gibt es selten, außer in den Pflegesituationen. Aber eine tiefe und ehrliche Liebe verbindet sie.

Jupiter ist Schriftsteller, nicht allzu berühmt, Juno ist engagierte Balletttänzerin und Performancekünstlerin. Das Einkommen des Paares ist knapp und unregelmäßig. Ihre Altbauwohnung und der Bewegungsradius sind extrem eingeschränkt. Man ist isoliert, oft auf fremde Hilfe angewiesen. Der Alltag mit Rollstuhl gestaltet sich für beide mühsam, kräftezehrend und soziale Kontakte sind rar.

Juno schafft sich vor allem Freiräume durch ihre Tanzprojekte, sie genießt absolut jede Probe, jedes Training.  Abends aber bleibt sie zu Hause bei Jupiter, nicht nur aus Pflichtgefühl, sie ist besorgt, will ihm im Nebenzimmer wirklich nahe sein. In zwei getrennten Räumen leben sie so in not-wendiger Distanz.

Jupiter schreibt an einem Roman, verfolgt das kurze Leben einer Wildbiene im Insektenhotel auf dem Balkon. Juno verbringt im Netz nachts ihre Zeit mit LOVE-SCAMMERN (digitalen Heiratsschwindlern), die sie immer durchschaut, selber anlügt und dann mit Genugtuung bloßstellt.

BENU enttarnt sie so eines Nachts als mittellosen Nigerianer, der zwangsweise als Love-Scammer arbeitet. Eine vorsichtige, zunehmend lügenfreiere Freundschaft entsteht. Die Welt weitet sich für Juno. Afrika/Nigeria rücken näher, aber damit auch die Probleme globaler Spaltung. Jupiter erzählt sie nichts von ihren „Treffen“ mit Benu. Die Chats bleiben scheinbar eher oberflächlich, sie beschreiben sich unwichtige Alltäglichkeiten, bleiben verhalten in ihren Beobachtungen des jeweils anderen. Hey, guten Morgen, wie geht es dir?

Juno liebt die Sterne, die Sternbilder und die Astronomie überhaupt. Die Sterne sind es, die Entfernungen überbrücken, Kontinente, Welten verbinden können. Und doch: MELANCHOLIA (Film 2011, L.v.TRIER) liegt als Endzeit-Katastrophe wie ein drohender Schleier über dem Roman.

HEY, Martina HEFTER, Herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Buchpreis 2024! Sechs Titel standen auf der Shortlist, ich habe zwei davon gelesen: HEY, GUTEN MORGEN, WIE GEHT ES DIR und den Anti-Idylle-Roman von Markus Thielemann VON NORDEN ROLLT EIN DONNER. Es wäre vermessen, die Entscheidung der Frankfurter Jury in Frage stellen zu wollen, aber ich sag es ehrlich: Für mich persönlich wäre M. Hefters Roman die zweite Wahl gewesen. HEY, GUTEN MORGEN, WIE GEHT ES DIR? So geht es MIR! Andere LeserInnen mögen ganz anders urteilen. Lesenswert ist dieser Roman aber allemal!

Martina Hefter: „Hey, guten Morgen, wie geht es Dir?“, Klett-Cotta 2024, 224 Seiten, ISBN 9783608988260, Preis: 22,00 Euro.


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