Heike Zumbruch über „Kantika“


Elizabeth Graver:

Kantika

„Obwohl Kantika ein Roman ist, habe ich mit der Grenze zwischen Fakt und Fiktion gespielt und mich auf die Erfahrungen realer Personen gestützt, vor allem meiner Großmutter mütterlicherseits, Rebecca Baruch Levy, geborene Cohen (1902 – 1991)…“ Elizabeth Graver

Rebeccas Vorfahren flohen mehr als 400 Jahre zuvor aus einem zunehmend antisemitischen Spanien in die Türkei und lebten lange in einer multikulturellen Gesellschaft in relativer Akzeptanz. Sie wird 1902 in Konstantinopel geboren und erlebt eine glückliche Kindheit, bis im November 1914 ihre katholisch-französische Schule geschlossen und das gesellschaftliche Klima für Juden zunehmend schwierig wird.

Deshalb und um die Brüder vor dem Militärdienst zu bewahren, flieht die Kernfamilie 1924 nach Spanien, eine von vielen Verlusterfahrungen der Protagonistin. Das Land ist ihnen seltsam fremd und sie leben dort ein eher bescheidenes Leben. Doch bald wird auch hier das Klima rauer.

Unter Frankos Herrschaft blüht der Antisemitismus wieder auf und so ergreift Rebecca 1934 die Gelegenheit, aus Spanien zu fliehen, zunächst allein, ohne ihre Familie. Über Kuba gelangt sie schließlich nach New York und beginnt dort noch einmal, sich ein neues Leben aufzubauen. Mit Zuversicht, Fleiß und ihrer Freude am Singen und Gärtnern.

Elizabeth Graver erzählt die Geschichte dieser außergewöhnlichen, starken und mutigen Frau und ihrer Familie sehr einfühlsam, detailreich und voller Liebe zu den Figuren. Wie selbstverständlich erzählt sie auch von deren Glauben und Ritualen, von Anfeindungen und Zurückweisungen, ohne Wertung oder gar Bitterkeit.

Ihre Worte und Sätze zeugen von einer großen und verständnisvollen Menschenkenntnis. Gravers kenntnisreiche Einbettung der Familiengeschichte in historische Geschehnisse und Entwicklungen machen das Buch auch zu einem interessanten historischen Roman, der aber immer ganz nah an seinen Figuren bleibt.

Alle Höhen und Tiefen menschlichen Lebens, alle Facetten von Charakteren und Empfindlichkeiten, alle Folgen beängstigender, enttäuschender oder gar traumatischer Erlebnisse fasst die Autorin in dieser Familiengeschichte zusammen und schafft so einen wunderbaren Roman, den ich immer schwerer aus der Hand legen konnte.

Elizabeth Graver: „Kantika“, mareverlag GmbH, 386 Seiten, ISBN 9783866487109, Preis: 25,00 Euro.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..