Hartmut Rosa:
Demokratie braucht Religion
Religion scheint im Nachdenken über unsere Gesellschaft momentan wieder von Interesse zu sein – auch außerhalb von Theologie und Kirche. Das belegt auch das neueste Buch des Soziologen Hartmut Rosa, das aus einem Vortrag hervorgegangen und insofern auch für Nichtfachleute gut lesbar ist.
Dem Text liegen Rosas bekannte Überlegungen zur Entwicklung der westlichen Gesellschaft und Wirtschaft zugrunde. Rosa geht davon aus, dass die lange erfolgreiche Eroberungs- und Wachstumsmentalität der Moderne in die Krise geraten ist und in dieser Weise keine Zukunft mehr hat. Das zeigt er hier an konkreten und nachvollziehbaren Beispielen. Im Aggressionsmodus – wie Rosa diese Mentalität nennt – könnten weder Gesellschaft noch Demokratie funktionieren; es fehle das Moment des Hörens und die Bereitschaft, sich ansprechen zu lassen vom Anderen. Für echte Gespräche ist das nach Rosa wesentliche Voraussetzung, auch für die nötigen und ergebnisoffenen Veränderungen.
Die Religionen könnten in dieser Situation ein Reservoir an Riten, Praktiken und Räumen bieten, um das Hören mit Ohren und Herz und die Offenheit für das unerwartet Neue zu lernen. Das zu vergessen, wäre für Rosa ein schwerwiegender Verlust.
Auch Gregor Gysi betont in seinem Vorwort – ausdrücklich als jemand, der nicht an Gott glaubt – , der „befreiende Gehalt religiöser Ideen“ dürfe nicht verloren gehen.
Bleibt für mich die Frage, ob die Kirchen oder anderen Religionen angesichts eigener Krisen in der Lage sind, diesen Schatz glaubhaft zu aktivieren und für die Menschen und die Gesellschaft fruchtbar zu machen.
— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —