Donnerstag, 6. Oktober: Turmbau geht schief

Der „Noch höher“-Drang und eine Grablegung

Nach der gestrigen GZ-Lektüre grübele ich an diesem Donnerstag, 6. Oktober 2022, immer noch, warum gefühlt auf jedem Harzer Berg ein Turm mit „Erlebnischarakter“ gebaut werden muss. Weit genug gucken kann man „dank“ des fürchterlichen Waldsterbens doch auch so von jeder Anhöhe…

Fall gerade noch irgendwer irgendwo einen Turm auf einem Harzgipfel plant, empfehle ich das Buch „Turmbau geht schief“. Es ist für Kinder ab 3 Jahren, da sollte jeder mitkommen. Und daran denken, dass die technischen Probleme vielleicht nur sinnbildlich für den „Noch höher“-Drang stehen.

Im gewissen Sinn einen weiteren Grund zu trauern, bescherte der 6. Oktober 1967. Heute vor 55 Jahren wurde ein Hippie zu Grabe getragen. Sinnbildlich. Die Aktion stand für das Ende des “Summer of Love“ und der ursprünglichen „Hippiephilosophie“, der „Werte und Wege der Liebesgeneration“.

If you’re going to San Francisco, / be sure to wear some flowers in your hair. / If you come to San Francisco, Summertime will be a love-in there.“ Wer (zumindest meiner Generation) fängt beim Lesen dieser Zeilen nicht automatisch an zu summen oder (bei mir im schlimmsten Fall) zu singen? Scott McKenzies Hippie-Hymne „San Francisco“ beherrschte 1967 die Charts. Und auch Musiker, die später als Literaten zu Weltruhm gelangten, machten ihre „Hippie“Erfahrungen wie Paulo Coelho.

Heute vor 135 Jahren (1887) wurde Le Corbusier geboren. Meine Faszination für Architektur hatte ich ja schon mal gebeichtet, der schweizerisch-französische Architekt, Architekturtheoretiker, Stadtplaner, Maler, Zeichner, Bildhauer und Möbeldesigner gehört ohne Frage zu den bewunderten Größen. „Le Corbusier. Béton Brut und der unbeschreibliche Raum“ schildert den „Dialog zwischen dem Realen und dem Abstrakten“. Und die Kapelle Notre-Dame du Haut, beschrieben in „Le Corbusier – Ronchamp“ zählt zu den berühmtesten ihrer Art in der Moderne. Sehr zu Recht gehören 17 von Le Corbusiers Bauten in sieben verschiedenen Ländern zum UNESCO-Welterbe.

Geburtstag hätte heute auch Thor Heyerdahl, der am 6. Oktober 1914 das Licht der Welt erblickte. Der Norweger begründete quasi die experimentelle Archäologie.  Weltbekannt wurde Heyerdahl durch seine Kon-Tiki-Expedition, mit der er bewies, dass es den präkolumbischen Indianern Südamerikas technisch möglich war, Polynesien zu besiedeln.

Gratulieren möchte ich heute auch Attila Ambrus zum 55. Geburtstag. Nicht, dass er als Autor bedeutend gewesen wäre, aber sein Wikipedia-Eintrag verleitet zum Hingucken. Beschrieben wird er als „ungarisch-rumänischer Eishockeytorwart, Pelzschmuggler, Bankräuber und Schriftsteller“. Besungen wird dies auch in „Die Ballade vom Whiskey-Räuber (engl.).

Zum Schluss noch ein Hinweis: Auch wenn es gerade mal wieder wärmer wird, ist der Herbst da. Sagen auch die Bauernregeln, die heute an Bruno von Köln erinnern: „Sankt Bruno, der Kartäuser, lässt die Fliegen in die Häuser“ – was nach Einschätzung der Altvorderen den Herbst ankündigt. Und mich um drei Ecken an eine der spannendsten Schullektüren erinnert: William Goldings „Herr der Fliegen“.

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Dienstag 12. Juli Von Hunden, Haien und Wutbürgern

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Wir sind am Dienstag, 12. Juli 2022, angekommen. Es ist der 193. Tag des Jahres, 172 liegen noch vor uns. Falls sich wer wundert, dass in den letzten Tagen keiner der mehr oder minder abstrusen Aktionstage auftauchte: Außer in den USA herrscht da derzeit offenkundig Sommerflaute. Und selbst dort ist heute außer dem National Eat Your Jell-O Day (Wackelpudding-Tag) kaum was Erzählenswertes zu holen. Und Wackelpudding mag ich nicht mal.

Ekelerregend und menschenunwürdig“, „widerlich“, „beschämend scheußlich“, „geschmacklos und primitiv“ und „eine starke Herabsetzung des ‚homo sapiens‘“, so wüteten Leserbriefschreiber 1953 über Wochen. Das Ziel der Angriffe sollte froh gewesen sein, dass es noch keine „Sozialen“ Medien gab, der Shitstorm wäre wohl noch gewaltiger gewesen.

Dabei handelt es sich um einen Säulenheiligen deutschen Humors: Vicco von Bülow, besser bekannt als Loriot. Der hatte sich erdreistet, in seinen Zeichnungen „Auf den Hund gekommen“ einen Rollentausch von Mensch und Hund vorzunehmen. Zwei Jahre hielt der „Stern“ den wütenden Protesten stand, dann stellte er am 12. Juli 1953 die Loriot-Serie ein.

Die Wutbürger-Zitate werden übrigens in Loriots autobiografischem Werk „Möpse und Menschen“ zitiert. Und dem Humoristen blieb zum Broterwerb immerhin noch die ab Juni 1953 wöchentlich in der Kinderbeilage „Sternchen“ erscheinende Serie „Reinhold das Nashorn“.  Alles urkomisch und großartig. Am besten greift man gleich zu „Loriots Gesammelten Werken“.

Ein grausiger Zwischenfall am 12. Juli 1916 bescherte uns einen Blockbuster als Roman und dann vor allem auch als Steven-Spielberg-Film: Im Matawan Creek in New Jersey kam es zu drei Haiangriffen an einem Tag. Zwei Menschen kamen ums Leben, einer wurde schwer verletzt.  Und der Schriftsteller Peter Benchley griff fast 60 Jahre später (1974) zur Feder: „Der weiße Hai“ (englisch).

Nur gut, dass Thor Heyerdahl schon vier Jahre zuvor auf die Idee kam, mit seinem Papyrus-Boot „Ra II“ den Atlantik überqueren zu vollen. So raubten ihm angsterfüllte Hai-Träume (wie mir nach dem Kino-Besuch) zumindest nicht den Schlaf und nach 57 Tagen erreichte er Barbados. Als Buch habe ich allerdings nur Heyerdahls „Kon-Tiki“ entdeckt, in dem er seine Pazifik-Tour beschreibt.

Die Recherchen für unser „bebüchertes Kalenderblatt“ förderten zudem vielleicht noch ein gutes Omen für das EM-Spiel der deutschen Frauen-Nationalmannschaft heute gegen Spanien zutage:  Am 12. Juli 1991 wurden die deutschen Fußball-Frauen in Dänemark durch ein 3:1 gegen Norwegen Europameister.

Das Schlosswort überlassen wir heute Loriot – in der Hoffnung, dass wir ohne Shitstorm wegkommen: „Immer häufiger sehen wir Hunde uns vor die Frage gestellt: Sollen wir uns einen Menschen halten oder nicht? Mögen unsere zweibeinigen Hausgenossen oft Quelle reiner Freude und Heiterkeit sein, so hat die Frage ihrer Haltung doch auch ihre ernsten Seiten: Der Mensch hat – allen Behauptungen zum Trotz – eine Seele. Er erhebt Anspruch darauf, ernst genommen zu werden.

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