Sonntag, 19. März: Schwarz und Weiß

Lautsprecherische Stimmungsmache

Es ist Sonntag, 19. März 2023, und ich rege mich auf. Übers Gendern, Wokeness, political correctness, cancel culture. Nun ja, weniger über die Geisteshaltungen selbst als vielmehr über die Verbissenheit, in der sie diskutiert werden und dabei die Welt in Schwarz und Weiß teilen.

Vorab: Ich halte mich für „in hohem Maß politisch wach und engagiert gegen (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung“ (Duden-Definition „Wokeness“). Sie sind mir ein Gräuel. Aber ich werde den Teufel tun, meine Jugendliebe Winnetou deswegen aus dem Regal zu verbannen oder – für mich schlimmer noch – eine sprachlich bereinigte Fassung zu lesen.

Und jetzt wird wieder eine Favoritin meines Lebens angegangen, soll umbenannt werden: Gegen die Pizza Hawaii sind Rassismus-Vorwürfen laut geworden. Der Begriff bediene „kolonialistische Stereotype“. Was auch die Bild-Zeitung auf die Palme und das Thema auf Seite 1 brachte. Ein Schulterschluss, der mir zugegeben eher peinlich ist.

Das Fatale daran: Ich hätte mir die Aufregung sparen können. Der Post, der alles auslöste, ist alt. Die „global agierende“ Gruppierung, die ihn verfasste, zählt rund 1000 Anhänger. Weltweit! Die Bild hat das Thema zum Thema gemacht. Und genau die Stimmungsmache beider Seiten bringt mich in Rage.

Zum Glück gibt es auf der Suche nach „Pizza Hawaii“ sehr viel mehr Rezepte als vor künstlicher Aufgeregtheit strotzende Artikel. “How to Make Italian Pizza” liegt auch noch auf Englisch vor –kulturelle Aneignung? Andererseits habe ich keine hohe Meinung von der britischen Küche und denke, etwas Aneignung könnte ihr guttun. In Deutschland wird derweil „Clemens Wilmenrod“ in Buchform gehuldigt, Erfinder des Toast Hawaii, der damit eher das Fernweh bedienen wollte.

Sucht man Bücher über „Cancel Culture“ fällt als erstes auf, dass es überwiegend Werke sind, die oft lautsprecherisch dagegen zu Felde ziehen. Ganz ähnlich die Situation beim „Gendern“. Zumeist fallen die Autoren aufgeregt über das Thema her. Aber immerhin gibt es „Richtig gendern für Dummies“.

Gleich eine „Widerrede gegen Gendern, Woke, Cancel Culture und anderes Gedöns“ hat die deutsche Vienamesin Mai Linh Tran geschrieben: „Ich bin nicht woke“ soll „übertriebene Political Correctness“ als einen „Irrweg“ brandmarken, der „in der breiten Meinungsvielfalt einer lebendigen Demokratie nichts zu suchen“ habe. Wenn sie dem Grundgedanken die Bedeutung zugesteht, die er mit Blick auf die Geschichte verdient, wäre ich bei ihr.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —



Montag, 20. Februar: Zu Tisch mit Toast Hawaii

Aus der Villa Radau des Konsul H.H. Meyer war 1953 das Casino geworden. Foto: Ahrens-Archiv

Als ein Konsul die Kurstadt prägte

Wir starten an diesem Montag, 20. Februar 2023, in eine neue Woche. Kulinarisch könnten wir das prima mit einer Zeitreise rückwärts verbinden. Heute ist der bundesweite „Toast-Hawaii-Tag“.

Ich habe das pseudoexotische Schmankerl immer geliebt. Dass der Toast mit Schinken, Ananas und Käse (plus – Gipfel der Kochkunst – einer Maraschino-Kirsche) im Fokus steht, hat einen guten Grund: Heute vor 70 Jahren (1953) wurde die erste Kochsendung „Bitte in zehn Minuten zu Tisch“ mit Moderator „Clemens Wilmenrod“ (Biografie) und dessen Ehefrau Erika als Assistentin.

Clemens Wilmenrod hieß übrigens tatsächlich Carl Clemens Hahn, war Schauspieler und gab den Koch nur vor der Kamera.  Dennoch gilt er als Erfinder nicht allein des Toast Hawaii. Wenn er seine Zuschauer mit „Ihr lieben, goldigen Menschen“ begrüßt hatte, folgten einfache Rezepte mit großartigen Namen wie „Spaghetti nach Art der schwarzen Carola“, „Päpstliches Huhn“ und „Tessiner Fischschnitzel“.

Mehr schein als sein, lautete dabei die Devise nur acht Jahre nach Kriegsende. Das „Arabische Reiterfleisch“ war nichts anderes als eine profane Frikadelle, aus der mit Paprikapulver ein exotisches Gourmetmahl wurde. Obwohl der Retrotrend läuft, wissen gerade junge Menschen mit Begriffen wie „Toast Hawaii und Kohlenhändler“ nicht wirklich etwas anzufangen. Das Buch um „alte Begriffe und Gegenstände“ will da Abhilfe schaffen.

Nach einem guten Essen habe ich früher (leider) gern zur Zigarette gegriffen. Lieber hätte ich mit Pfeife klug ausgesehen, aber an der hohen Kunst (Pfeife, nicht klug gucken) bin ich immer gescheitert. Nun bin ich zu klug, um nochmal mit dem Rauchen anzufangen, obwohl heute „Welt-Pfeifenraucher-Tag“ (International Pipe Smoking Day) ist. Das mp3-Hörbuch „Die Kunst, Pfeife zu rauchen“ will in die Fertigkeiten einführen, verschweigt aber auch die gesundheitlichen Risiken nicht.

Das „neue Buch zur Pfeife“ kommt derweil international daher: „Pipe-Line“. Ich lese dann lieber ohne Qualm über berühmte Pfeifenraucher in der Literatur. Beispielsweise einer meiner Krimi-Lieblinge aus der Feder von Georges Simenon: „Maigrets Pfeife“ ist als eBook, aber auch als Hörbuch erhältlich.

Ein um zwei Ecken wichtiger Tag war der 20. Februar 1857 für Bad Harzburg. Die Geschäftsleute Hermann Henrich Meier und Eduard Crüsemann gründeten in Bremen die Reederei Norddeutscher Lloyd. Und „H. H. Meyer“  hatte bereits Bad Harzburg für sich entdeckt, prägte die wirtschaftliche Entwicklung mit und vor allem auch das Stadtbild: Im Jahr 1856 ließ er sich die Villa „Radau“, das spätere Casino und Kurzentrum, von Architekt Heinrich Müller errichten. Der braunschweigische Hofgärtner Ebert gestaltete den Garten im englischen Parkstil – heute der Casinopark (Foto oben aus dem Ahrens-Archiv 1953).

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —



Dienstag, 3. Januar: „The Professor!“

Ein Toast auf den Schöpfer von Mittelerde

Auch wenn es so kurz nach Silvester vielleicht schwerfällt: An diesem Dienstag, 3. Januar 2023, sollte um 21.00 Uhr das Glas zu einem Toast erhoben werden. Es muss auch nicht zwingend Alkohol im Kelch sein, der auf den Geburtstag von „J.R.R. Tolkien“  (Biographie) geleert werden soll.

Wir begehen den 131. Geburtstag (1892) des Schöpfers von Mittelerde und Autors von „Der Herr der Ringe“. Und die riesige Fangemeinde begeht heute den „Internationalen J.R.R. Tolkien-Tag“. Initiiert von der Tolkien Society (ext./engl.), die seit dem Tod des Schriftstellers im Jahre 1973 am 3. Januar zum „Tolkien Birthday Toast“ aufruft.

Dieser Toast lautet schlicht „The Professor!“ und hat sein Vorbild im „Herr der Ringe“. Dort widmet Frodo seinem Onkel Bilbo Beutlin, nachdem dieser Hobbingen verlassen hatte, jedes Jahr am 22. September einen Toast.

Zum John Ronald Reuel Tolkien-Toast sollte man natürlich in seinem bekanntesten Werk blättern. Für wahre Fans, die über ausreichend irdische Güter verfügen, um für 1328 Seiten Mittelerde 88 Euro zu berappen, empfiehlt sich dabei die Schmuckausgabe im Schuber. Und für alle, die die „spannendsten, absurdesten und lustigsten Fakten rund um Mittelerde“ noch nicht kennen, gibt es „Unnützes Wissen für Tolkien-Fans“.

Alles Vortreffliche ist selten“, wusste der heute vor 2129 Jahren (106 v. Chr.) geborene Marcus Tullius Cicero – und war im Grunde beredtes Beispiel für diesen Satz. Der Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosoph war der (bis heute) berühmteste Redner Roms, rettet die römische Republik und wurde als „pater patriae“ (Vater des Vaterlandes) geehrt. Was ihn nicht davor bewahrte, am 7. Dezember 43 v. Chr. ermordet zu werden.

Reichlich Stoff für spannende Thriller. Und die lieferte Robert Harris. „Imperium“ ist der erste Band der Cicero-Trilogie. Weniger spannend, dafür aber doch vermutlich dichter an der historischen Wahrheit dürfte Wolfgang Schullers Biogarphie „Cicero“ sein.

Noch eine kleine Erinnerung an den Schriftsteller Alexander Spoerl, der am 3. Januar 1917 geboren wurde. Kaum ein Buchtitel hat mich mehr angesprochen als seine „Memoiren eines mittelmäßigen Schülers“. Wie es aussieht, gibt es das Buch nur noch antiquarisch, aber auch bei der Büchersuche hilft das Team der BÜCHER-HEIMAT gern, oft und erfolgreich.

— Das will ich lesen! Alle Links im Text führen direkt zum Shop —