Herbert Clyde Lewis:
Gentleman über Bord
Henry Preston Standish, aus dessen Sicht Lewis seine Geschichte erzählt, ist ein Gentleman. Der Protagonist ist einerseits alles, was der Autor nicht ist, vielmehr in den 1930er Jahren, als er das Buch schrieb, nicht war: Erfolgreich, wohlhabend, mit einer verständnisvollen Lady verheiratet und mit wohlgeratenem Nachwuchs gesegnet.
Andererseits lässt Lewis die eigenen Existenzängste, Selbstzweifel und Fragen nach dem Sinn des Lebens einfließen, denn die Idee für den Roman sei ihm auf dem Dach des Apartments in Greenwich Village beim Blick in die Tiefe und dem Gedanken des Absturzes gekommen. Sein Protagonist Standish ist eigentlich von jeglichem Absturz weit entfernt, aber in seinem gesellschaftlich geordneten Leben unzufrieden.
Von Midlife-Crisis und der Sehnsucht nach Veränderung getrieben, verlässt er New York auf dem Seeweg. Die als kurze Erholungspause vom Alltag gedachte Auszeit wird allerdings länger und länger, die Heimkehr Tag um Tag verschoben, bis das Schicksal ihn auf die „Arabella“ führt, einem Ozeandampfer, der ihn und diverse andere Passagiere über den Atlantik zurück nach New York bringen soll.
Inzwischen malt sich Standish auch in den schillerndsten Farben aus, was er zu Hause alles von seiner Reise erzählen kann, bis ihm ein Missgeschick widerfährt. Er stürzt von Bord ins Meer. Ungeheuerlich, denn eigentlich darf einem Gentleman doch so etwas nicht passieren. Der Umstand ist gleichermaßen peinlich wie ein Abenteuer, dass ihm bei der Heimkehr natürlich Aufmerksam sichern würde. So im Wasser treibend, heldenhaft darauf wartend, dass die „Arabella“ wendet und ihn, den stoisch Ausharrenden einsammelt, wandern seine Gedanken am bisherigen Leben entlang und nur das Meer und alle, die dieses großartige Buch lesen, bekommen seine Geschichte erzählt.