Ein Schmierfink und die Magie des Lesens
Ich bin heute (Dienstag, 6. September 2022) früh immer noch dabei, Asche auf mein Haupt zu schütten: Gestern stand im Blog, der Gotthard-Basistunnel sei am 5. September 1980 eröffnet worden. Was Unfug ist. Es war der erste Straßentunnel. Der Basistunnel als längster Eisenbahntunnel der Welt wurde erst 1982 freigegeben.
Aber nun sehe wieder Licht am Ende des Tunnels (Wortspiel!!!). Das scheint aus den Vereinigten Staaten herüber, denn dort wird heute der „Lies-ein-Buch-Tag“ (National Read a Book Day) begangen. Das ist doch wirklich mal eine gute Idee.
Was ich gar nicht mag, sind Listen, in denen Bücher aufgeführt sind, die man gelesen haben „muss“. Wenn Spaß und Freude zur Pflicht(-lektüre) werden… Der Gipfel ist dann eine „Leseliste zum Freirubbeln“: „99 Bücher, die man gelesen haben muss“. Hat man eines der Bücher gelesen, kann man die „Goldfolie freirubbeln, wodurch das Cover des jeweiligen Buches sichtbar wird“ – was ich dann ja aber auch so in meinem Bücherschrank sehe…
Trotz des kontraproduktiven Titels „Hör auf zu lesen!“ gefällt mir dagegen eine „wunderschöne Geschichte für kleine Leseratten ab 5 Jahren“ viel besser. Die kleine Ratte Horatio überzeugt seine Eltern von der Magie des Lesens und darf dann seinen Berufswunsch „Leseratte“ verwirklichen.
Beim „bebüchertes Kalenderblatt“ lernt man als Autor (wie hoffentlich auch als Leser*in) beständig hinzu. Oder wer hätte gewusst, was der „Abfraßtag“ ist. Ich dachte zunächst schuldbewusst an den Abstecher mit den Söhnen in die Goslarer Dependance einer amerikanischen Schellimbisskette.
Aber weit gefehlt: Die Bezeichnung „Abfraßtag“ wird vor allem im Süddeutschen für den heutigen Magnus-Tag verwendet. Und Magnus wird in katholischen Landen gegen Ungeziefer und dessen „Abfraß“ angerufen. „Abfraß“ sind übrigens nach meinen Recherchen die „Hinterlassenschaften“ der gefräßigen Garten-Gäste. Wer sich das nicht bieten lassen und Gegenmaßnahmen ergreifen will, sollte zuvor vielleicht „Schädlinge und Nützlinge im Garten“ studieren. Man will ja nicht den Guten den Garaus machen.
Normalerweise hätte alle Welt über den „Schmierfinken“ geschimpft. Wenn der aber Johann Wolfgang von Goethe heißt und mit ein paar Zeilen an der Holzwand einer Jagdhütte dem Kickelhahn bei Ilmenau eine Touristenattraktion beschert, ist das natürlich etwas anderes. Seit dem 6. September 1780 kennen wir „Wandrers Nachtlied“ und wissen, dass über allen Wipfeln Ruh zu herrschen hat.
Wer über den Dichterfürst auch mal wenn nicht despektierlich lachen, so doch schmunzeln will, greift aber vielleicht besser zu „Goethes schlechteste Gedichte“ von Gottlieb Amsel. Über die Auswahl mag man streiten, die Cartoons von Hauck & Bauer aber sind wie immer großartig. Und angesichts der mir oft attestierten Geschmacksverirrung fürchte ich, dass mir die Gedichte gefallen werden.
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