Markus Weber über „Hoffe“

Papst Franziskus: Hoffe

Zugegeben: Bei Päpsten und Vatikan bin ich eher skeptisch und kritisch. Die Autobiografie von Papst Franziskus – die erste Autobiografie eines Papstes, die noch zu Lebzeiten erschienen ist – habe ich aber gerne gelesen und ich kann vielem zustimmen.

Das Buch ist vor allem da überzeugend, wo Franziskus von der Geschichte seiner Familie und seiner eigenen Geschichte schreibt. Diese verbindet er häufig mit seinen heutigen Überzeugungen und erklärt, wie und warum er zu seinen Einstellungen gekommen ist. So bringt er seinen ersten Besuch als Papst auf Lampedusa bei den im Mittelmeer gestrandeten Geflüchteten mit der Migrationsgeschichte seiner eigenen Familie von Italien nach Argentinien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusammen. Das empfinde ich als authentisch und glaubwürdig.

So leitet er auch aus seinen Kindheitserlebnissen in einem bunt gemischten Viertel in Argentinien, in dem die Menschen unterschiedlicher Religionen und Herkunft zusammenlebten, vieles ab, was ihm als Papst heute wichtig ist: Dialog der Religionen, Toleranz und Achtung vor anderen Personen. Und er drückt seine Sorge aus, wo immer die Würde der Menschen nicht geachtet wird. Vor allem will er aber ermutigen zu einem tatkräftigen Einsatz für eine friedvolle, geschwisterliche Welt.

So sind es auch die Begegnungen mit konkreten und ganz unterschiedlichen Menschen, die er als prägend für sein Leben und die Entwicklung von Werten beschreibt – sei es mit der feministisch-marxistischen Chefin während seiner Ausbildung, die gegen die Diktatur in Argentinien kämpft, mit Geflüchteten aus unterschiedlichen Gegenden der Welt oder auch mit einem muslimischen Ayatollah im Iran. Immer sind solche Begegnungen von gegenseitigem Respekt geprägt. Das gilt auch für eine kleine Anekdote, als er in jungen Jahren seine Lehrerin als „Idiotin“ bezeichnete und sich entschuldigen musste – sie wurde später eine gute Freundin.

Gestört haben mich nur solche Passagen, in denen Franziskus zum „Predigen“ neigt; da hätte für mein Empfinden einiges gekürzt werden können. Und seine Einblicke in die Herrschaftsstrukturen im Vatikan bleiben leider nur angedeutet in den kleinen symbolischen Änderungen, bei denen er für sich selbst Insignien der Macht ablehnt und abgelegt hat. Und bei aller Wertschätzung für die Arbeit von Frauen – müssten dann nicht diese Strukturen auf den Kopf gestellt werden? Aber da ist auch die Macht – oder der Mut? – eines Papstes wohl nur begrenzt.

Es bleibt mein Gesamteindruck: Es ist ein Buch, das ganz für unsere Zeit geschrieben ist und sich entschieden einsetzt für die brennenden Themen wie Klimawandel und Naturzerstörung, Armut, Krieg und Frieden, menschenfeindliche Auswüchse des Kapitalismus. Und den Fremdenfeinden in Politik und Gesellschaft hat er einiges ins Stammbuch geschrieben, z.B.: „Wir müssen die Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpfen, nicht die armen Menschen […] Denn die bittere Lektion aus der Geschichte lautet: Abschottung und Nationalismus haben fatale Folgen auch für jene, die sie propagieren.“

Während ich diesen Text schreibe, liegt Franziskus schon seit einiger Zeit im Krankenhaus und kämpft um sein Leben. Da schreibt er recht menschlich an einer Stelle an Gott gerichtet einen Wunsch für seinen eigenen Tod: „Du weißt ja, dass ich einigermaßen zimperlich bin, was körperliche Schmerzen angeht … Also bitte, mach, dass es nicht allzu wehtut.“ Möge ihm sein Wunsch erfüllt werden.

Papst Franziskus: Hoffe. Die Autobiografie, Kösel 2025, 383 Seiten, ISBN 9783466373536, 24,00 Euro.

2 Gedanken zu „Markus Weber über „Hoffe“

  • 11. März 2025 um 13:08 Uhr
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    Lieber Herr Weber,

    vielen Dank für Ihre ausführliche Buchbesprechung!
    Seit längerem habe ich mich mit dem Gedanken getragen, das Buch anzuschaffen.
    Ihre Worte haben mich nunmehr endgültig überzeugt! Herzlichen Dank dafür!

    Viele Grüße
    Ralf Zumbruch

    Antworten
  • 11. März 2025 um 13:18 Uhr
    Permalink

    Danke, Markus, mir ging es ähnlich beim Lesen. Aber da war in mir als Frau doch auch grosse Enttäuschung, ja Wut, dass Franziskus sich und seine Werte nicht aktiver eingebracht hat. Viele seiner wahren Aussagen habe ich angemarkert… aber es bleiben eben nur Worte… und einige Stellungnahmen von ihm waren leider auch kontraproduktiv im Sinne eines synodalen Prozesses. Da war mal viel HOFFEN beim Amtsantritt dieses Papstes…nicht nur in mir….

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