Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
Wen an diesem Sonntag, 26. März 2023, das Gefühl beschleicht, die folgenden Zeilen schon einmal gelesen zu haben – der liegt absolut richtig. Zwei Mal im Jahr werde ich mit der Zeitumstellung zum Wiederholungstäter.
„Bei der Zeitumstellung ist es wie mit den Gartenmöbeln: Im Frühjahr kommen sie VOR die Tür, im Herbst ZURÜCK in den Schuppen.“ Ich brauche solche Hilfsmittel, um mir zu merken, wann die Uhr vor- und wann zurückgestellt wird.
Zahlenmenschen prägen sich die „2-3-2-Regel“ ein: Im Frühjahr wird die Uhr von 2 auf 3 Uhr gestellt, im Winter wieder von 3 auf 2 Uhr. Also: Wer jetzt aufsteht, sollte die Uhr eine Stunde vorstellen. Vergessen sollte man es besser nicht, falls eine Verabredung ansteht. Sonst ist man letztlich mit Marcel Proust „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ (als Graphic Novel).
Wir dürfen das Hin und Her mit der Zeit ja vermutlich noch länger genießen, obwohl die Europäische Union das Ende der Zeitumstellung schon für 2021 angekündigt hatte. Das Problem: Die EU-Länder können sich nicht einigen, es droht ein Flickenteppich.
Und die Festlegung beispielsweise auf eine durchgängige Sommerzeit wäre auch nicht ganz problemfrei. So bliebe es damit in Spanien im Winter bis kurz vor 10 Uhr dunkel. Und würden sich alle auf dauerhafte Winterzeit verständigen, würde es in Warschau im Sommer schon um 3.00 Uhr morgens hell.
Hinzu kommt noch, dass das „Problem“ in keinem anderen Land so heiß diskutiert wird wie in Deutschland. Bevor die EU das Thema weiter verdaddelt, lassen wir lieber andere ran: „Ein Physiker und eine Philosophin spielen mit der Zeit.“ Die Philosophin ist Ursula Forstner, der Physiker Harald Lesch.
Im Frühjahr vor und im Herbst zurück: Bei einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK sagten vor Jahresfrist 72 Prozent der Deutschen, die Zeitumstellung solle abgeschafft werden. Nur 23 Prozent halten sie für generell sinnvoll. Und 27 Prozent (mehr Frauen als Männer) hatten nach eigenem Bekunden schon einmal gesundheitliche Probleme mit der Zeitumstellung.
Müde oder schlapp (80 Prozent) führt das Symptome-Ranking an, 65 Prozent kämpfen mit Einschlafproblemen. Und bei 16 Prozent führte die Zeitumstellung laut Umfrage sogar zu depressiven Verstimmungen. Dass aus dem Dilemma eine ganzjährige Sommerzeit heraushelfen könnte, bezweifeln viele Wissenschaftler.
Der Chronobiologe Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie der Universität München wurde in der „Zeit“ zitiert: Stelle man die Uhren ganzjährig auf Sommerzeit um, erhöhe dies „die Wahrscheinlichkeit für Diabetes, Depressionen, Schlaf- und Lernprobleme – das heißt, wir Europäer werden dicker, dümmer und grantiger.“ Da hilft dann vielleicht ein konsequentes „Leben nach der inneren Uhr“…
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