Die Novelle „Die Badende von Moritzburg“ versetzt einen mit leichter Feder ins Jahr 1910. Die junge Clara Schimmelpfenninck befindet sich im Dresdner Lahmann-Sanatorium. Hysterische Atemnot hatte man gemutmaßt, nur scheint diese doch eher schlagfertige Dame wohl mehr an ihrem Alltag zu zweifeln und ein Leben in Frage zu stellen, das ihr gleich einem Korsett im wahrsten Sinne des Wortes den Atem nimmt.
Den Geschmack der Freiheit und eines völlig unkonventionellen Lebens lernt sie kennen, als sie während eines Ausfluges auf den Maler Ernst Ludwig Kirchner trifft. Den nackten Maler wohlgemerkt, der mit – ebenfalls unbekleideten – befreundeten Künstlerinnen und Künstlern in einem See badet. Ohne es anfangs zu ahnen, wird Clara jedenfalls für eine kurze, intensive und leidenschaftliche Zeit Teil der von Kirchner mitbegründeten Künstlerkolonie „Die Brücke“. Eine Begegnung, die das Leben der jungen Frau ändern und ihrem Denken Flügel verleihen wird.
Ralf Günther schafft es, dass man als Leserin und Leser atmosphärisch ebenso in diesen flirrend heißen Sommertag gesogen wird, wie seine Protagonistin.
Den Umschlag des Buches ziert das Gemälde Kirchners (1880-1938) „Drei badende Frauen“, das 1911/12 entstand. 1937 erklärten die Nationalsozialisten seine Bilder für entartet und ließen viele davon vernichten.
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Krimis gibt es wie Sand am Meer. Von Thriller bis Cosy Crime findet sich alles, was das Krimi-Herz begehrt. Auch die Protagonisten sind vielfältig. Ob nun Polizeiinspektoren, Special Agents, Geheimagenten, Privatermittler, der Gärtner oder die Ladys aus dem Book-Club, sie alle führen uns gern in kriminelle Versuchung. Allerdings finde ich inzwischen, dass da schon etwas ganz besonderes um die Ecke kommen muss, denn als Vielleserin langweile ich mich schnell, wenn ich das Gefühl habe, dass mir eine Geschichte nicht wirklich etwas Neues zu bieten. Gerade bei Kriminalromanen oder Thrillern benötige ich über einen interessanten Fall hinaus ein originelles Setting und handelnde Personen, die etwas Besonderes auszeichnet.
Dabei reicht es mir inzwischen nicht mehr, dass die Story dort spielt, wohin ich in den Urlaub fahre oder wo ich wohne. Etwas mehr darf es schon sein. Sehr gut unterhalten gefühlt habe ich mich zuletzt bei den ersten Bänden von Gil Ribeiros „Lost in Fuseta“. Die Idee des Personalaustausches über Länder- und Kulturgrenzen hinweg hat dieser Reihe das gewisse Etwas verliehen. Dazu kommt der teilbegabte und verhaltensoriginelle, aber durchaus sympathische Inspektor Lost, den seine Kollegen in Deutschland erfolgreich ins sonnige Portugal losgeworden sind.
Das gewisse Etwas
Ähnlich verhält es sich nun bei den Büchern von Henrik Siebold. Seine Krimireihe um den Japaner Ken Takeda spielt in Hamburg. Dort lebt der Autor momentan, allerdings war Tokio ebenfalls über Jahre seine Wohn- und Wirkungsstätte, wo er für eine japanische Tageszeitung tätig war. Er kennt sich aus mit den kulturellen Unterschieden zwischen Deutschland und Japan und seine Idee, einen Inspektor aus Tokio für ein Jahr nach Hamburg zu versetzen hat nicht nur Charme, sondern birgt eben dieses gewisse Etwas. Frisch in Hamburg eingetroffen, muss Takeda nicht nur seine neue Kollegin Claudia Harms davon überzeugen, dass er auch in Deutschland zu guter Ermittlungsarbeit fähig ist, er bekommt es gleich mit einem Doppelmord zu tun. Oder war es vielleicht doch Selbstmord?
Verzwickter Fall
Harms und Takeda stehen vor einem verzwickten Fall und müssen entscheiden, ob und wieso das Buchhändlerehepaar aus Altona ermordet wurde. Dabei wird man als Leser*in zusammen mit den Protagonisten auf diverse Spuren gelockt und was vor drei Seiten noch logisch war, wird auf einmal durch einen neuen Beweis nicht mehr haltbar. Kurzweilig und spannend ist aber nicht nur der Fall, Takeda als Person macht zusammen mit Matcha-Tee und Kampfsport, aber auch mit seinem Saxophon das aus, was die Reihe von vielen anderen Kriminalromanen abhebt. Sozusagen das Salz in der Suppe oder der Korn zum Bier, um beim Hamburger Lütt un Lütt zu bleiben.
Dieses Buch zieht einen vom ersten Moment an soghaft in den Rausch der Ereignisse. Ein Paar ist unterwegs durch die nächtliche Marokkanische Wüste. Begleitet von ihren jeweils eigenen Dämonen und unzufrieden mit dem Lebenswandel des Anderen, sind sie auf dem Weg zu einer glamourösen Party. Was suchen sie? Was werden sie finden? Als Leser*in kann man sich dem schicksalshaften Geschehen bald nicht mehr entziehen, steht erstaunt neben den Protagonisten, ist selbst zutiefst in die Sache verstrickt und sieht das Ende doch nicht kommen. Neben dem spannenden Handlungsstrang besticht Osborne mit seiner Sprache und der allgegenwärtigen Frage, wie und ob das eigene Handeln das Schicksal bestimmt. Das exotische Setting verstärkt die Intension auf ganz subtile Art. Ein süßer Pfefferminztee und ein paar Datteln machen die Lektüre perfekt.