Ein guter Tag für die Aussaat

Aussaat

Ein guter Tag für die Aussaat

Heute ist Samstag, 12. März, und die Wettervorhersage verspricht ein fast frühlingshaftes Traumwochenende. Da sollte man die genüssliche Literaturlektüre in die kühleren Abendstunden an den Kamin verlegen. Tagsüber lockt der Harz auf Wanderungen.

Bei einer solchen Wetterlage komme ich um den Blick in die Bauernregeln nicht herum: „Der Gregor zeigt dem Bauern an, ob er die Saat jetzt säen kann, denn so, wie sich Gregori stellt, so muss er mit der Saat aufs Feld.“ Selten dürfte sich Gregor so deutlich gestellt habe. In Ermangelung eines Ackers zieht es mich in den Wald (die Harzer Wandernadel ist immer noch nicht komplett erwandert) und später in den Garten – auch wenn die Aussaat da eindeutig die Sache meiner Frau ist.

Eine Saat, die unglaublich aufgegangen ist, hat am 12. März 1989 in der Nähe von Genf in der Forschungseinrichtung CERN ein Wissenschafteler namens Tim Berners-Lee gelegt. Der gute Mann wollte eigentlich „nur“ Forschungsergebnisse auf einfache Art und Weise mit Kollegen auszutauschen. An dieser Idee tüftelte er zusammen mit Robert Cailliau. Zusammen entwickelten sie die Methode, wissenschaftliche Artikel miteinander zu „verflechten“, bis daraus ein Netz entstand. Geboren war das World Wide Web. In Tim Berners-Lees Worten: „Das World Wide Web ist eine großräumige Hypermedia-Initiative zur Informationsbeschaffung mit dem Ziel, den allgemeinen Zugang zu einer großen Sammlung von Dokumenten zu erlauben.“

Ähnlich kompliziert wie diese Beschreibung war die Namensfindung. Zunächst hieß das Web noch Mesh (Geflecht). Was einige Wissenschaftler an Mess (Unordnung) gemahnte und verworfen wurde. „Mine of Information“ (MOI = franz.: ich) und „The Information Mine“ (TIM, Die Informationsmine) erschienen Berners-Lee selbst zu egozentrisch. Schließlich legte Berners-Lee sich auf Web und World Wide Web fest.  Ein Name, der sich ohne Frage durchgesetzt hat, obwohl die Abkürzung WWW für Engländer und Franzosen schon fast zungenbrecherisch ist.

Aber die Zeit ist schnelllebig, heute verschlägt einem eher die Sprache, was im World Wide Web so alles herumposaunt werden kann und scheinbar auch darf. Schon vor Jahren hatte der verstorbene Herausgeber der „FAZ“, Frank Schirrmacher, fast resignierend festgestellt: „Das Internet vermanscht unser Hirn“. Und er warnte vor dem „Informationsmüll“ des Internet-Zeitalters. Die Warnung verhallte offenkundig ungehört.

Mit der schnelllebigen Zeit (ich muss mich allerdings immer noch zu den 3 „l“ überwinden), hatten auch die Mannschaften der 10. Fernschach-Olympiade zu kämpfen. Fernschach wird gespielt, indem die Züge dem Gegner postalisch oder elektronisch übermittelt werden. Das kann dauern. Was bei der 1987 gestarteten Olympiade nicht ohne Folgen blieb. Erst acht Jahre später, am 12. März 1995, wurden im Magdeburger Hotel „Ratswaage“ die Medaillen übergeben. Gold ging an die Mannschaft der inzwischen untergegangenen Sowjetunion, Silber an das Team aus England, Bronze sicherte sich die Mannschaft der Deutschen Demokratischen Republik – die da auch bereits seit fünf Jahren nicht mehr existierte. Knapp an den Medaillenrängen vorbei schrammte die Mannschaft der ČSSR, die es in dieser Form ebenfalls schon nicht mehr gab. Beim Blitzschach wäre das nicht passiert…



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