Fuchs 8

Fuchs 8

George Saunders:

Fuchs 8

Noch ein Saunders. Nicht zum schallenden Lachen, wie Frau Thea Dorn es geschah, aber immer wieder zum Schmunzeln. Aber auch zum Heulen, wie in einer Rezension der GZ 2020 beschrieben.

Das Büchlein „Fuchs 8“ von George Saunders ist dünn.  Es handelt von einem Fuchs, der „mänschisch“ reden und lesen kann, weil er unter einem Fenster zugehört hat, wie eine Mutter ihren Kinder Geschichten vorlas. Er konnte auch oft in die Bücher linsen vom Fenster aus. Und fast immer handelten die Geschichten von Liebe.

Die schlimme Zeit für den Fuchs beginnt, als ein riesiges Einkaufszentrum im Fuchsrevier gebaut und der Lebensraum vernichtet wird. Er will sich arrangieren, weil er ja mänschisch kann. Aber das geht schief. Er macht sich dann notgedrungen auf die Suche nach einem neuen Revier, was ihm mehr tot als lebendig gelingt.

Das Besondere an dem kleinen Buch ist, dass der Fuchs uns nun diese Geschichte als Brief übermittelt, in phonetischer Sprache. Es endet mit seinem Rat: „Wenn ir wollt, das oire Geschichten eine Heppi Ent haben, seit einfach mal ein bisschen netter. Ich wate auf oire Antwort. Fuks 8“.

Was können wir ihm den jetzt antworten?

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George Saunders: „Fuchs 8“, Luchterhand Literaturverlag, 56 Seiten, ISBN 9783630876207, Preis: 12,00 Euro.


Lincoln im Bardo

Lincoln im Bardo

George Saunders:

Lincoln im Bardo

Da mein Lebensalter seit neuestem mit einer Ziffer beginnt, die mich immer wieder daran erinnert, dass alles Erdenleben endlich ist, habe ich mir nochmals das Buch von George Saunders „Lincoln im Bardo“ vorgenommen. Ich finde die Vorstellung, sich nach dem Ableben in einem Zwischenreich (in tibetischer Tradition Bardo genannt) aufhalten, kommunizieren und beobachten zu können, tröstlich.  Auf die Aufenthaltsdauer hat man einigen Einfluss, um sich dann in relativer Selbstbestimmung mit einem Feuerknall und dem Phänomen der Materienlichtblüte in Jenseits zu begeben.

Es handelt sich um die Geschichte des Lieblingssohnes von Präsident Lincoln, der, während eines Staatsbanketts, in den Privaträumen mit 11 Jahren verstirbt. Der untröstliche Vater sucht allein das Grabmal auf, um seinen Sohn nochmal in den Armen halten zu können. Dies wird nicht als fortlaufender Bericht erzählt, sondern setzt sich aus Zeitungs- und Zeitzeugenberichten zusammen. Und überwiegend aus den Berichten der „Anwesenden“ im Bardo, die die Ankunft des Sohnes im Bardo erleben und sich um dieses Kind kümmern, weil es fest daran glaubt, dass der Vater es „zurückholen“ wird.

Diese einzelnen Stimmen im Bardo „hört“ und deren Geschichte erfährt man; auch, dass es eine Grenze gibt. Nämlich ein Zaun, hinter dem sich die Schwarzen aufhalten müssen. Es geht um Liebe und erlebtes Leid, aber auch um schwarzen Humor. Eine lesenswerte Lektüre.

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George Saunders: „Lincoln im Bardo“, btb-Taschenbuch, 534 Seiten, ISBN 9783442770533, Preis: 12,00 Euro.


Erschütterung

Erschütterungen

Erschütterungen

Percival Everett:

Erschütterung

Zach Wells, zynisch, Haut dunkel, Professor für Geologie/Paläobiologie an einer Universität in Kalifornien, ist in seinen Grundfesten erschüttert, als er erfährt, dass seine Tochter als Teenager an Demenz sterben wird. Ursache: Ein Gendefekt. Wie er und seine Frau mit dem körperlichen und geistigen Verfall ihrer Tochter umgehen, wird auf der einen Seite in dem Buch beschrieben.  Daneben noch ein Kriminalfall: Zacharias Wells erhält bei Lieferung bestellter Kleidung – darin eingenäht – Hilferufe. Die beschäftigen ihn und er geht ihnen nach. Sehr eindringliche Lektüre.

Percival Everett: „Erschütterung“, Carl Hanser Verlag, 288 Seiten, ISBN 978-3446272668, Preis: 23,00 Euro.


Dschinns

Dschinns

Fatma Aydemir:

Dschinns

Sehr berührt hat mich das gerade erst im Februar 2022 erschienen Buch „Dschinns“ von Fatma Aydemir. Es ist die Innenansicht einer türkischen Familie. Der Vater kam in den 70-igern nach Deutschland, als Gastarbeiter, wie viele. Nach und nach holte er seine Familie ebenfalls nach. Kinder wurden in Deutschland geboren. Eines von mehreren Geheimnissen in der Familie, der Vater und die Mutter sind Kurden, gehörten also in der Türkei zur ausgegrenzten, verfolgten Bevölkerung.

Sie bauen sich ein bescheidenes Leben in Deutschland auf. Der Vater kauft eine Wohnung in der Türkei, um als Rentner mit seiner Ehefrau (eventuell auch den Kindern?) zurück in die Türkei zu gehen. Als es soweit ist und er die Wohnung bezieht, stirbt er am gleichen Tag. Die Ehefrau und die Kinder sowie andere Verwandte aus der Türkei treffen sich in der Wohnung, um die Beerdigung zu vollziehen. In dem Buch werden nun die einzelnen Familienmitglieder mit ihrer (Lebens)-Geschichte dargestellt; beginnend mit dem Toten.  Als letztes kommt die Ehefrau „zu Wort“, die dann ihrer Tochter ein weiteres Geheimnis der Familie preisgibt…

Fatma Aydemir: „Dschinns“, Hanser-Literaturverlag, 368 Seiten, ISBN 978-3-446-26914-9, Preis: 24,00 Euro.


Das Duell

Volker Weidermann: Das Duell

Volker Weidermann:  Das Duell

Volker Weidermann:

Das Duell

Ich habe Volker Weidermanns „Das Duell“ gelesen und möchte es weiterempfehlen, weil ich es sehr spannend fand, diese Lebensgeschichten in dieser Form beieinander zu finden.  Volker Weidermann zeichnet die Lebenslinien von Günter Grass und Marcel Reich-Ranicki von der der Geburt bis zum Tod auf, die persönlichen Entwicklungen und Entscheidungen dieser beiden Protagonisten der deutschen Nachkriegsliteratur. Diese Linien treffen dann 1958 zusammen in der Gruppe 47. Es war zwar das zweite Zusammentreffen, aber erst von diesem Zeitpunkt an nahm man sich gegenseitig wirklich wahr. Und für beide wurde es eine Zeit der Auseinandersetzungen, Romane und Verrisse, Liebeserklärungen und Wut. Gleichzeitig ist die Beschreibung dieser beider Leben eine Spiegelung der Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts.“

Volker Weidermann: „Das Duell“, Verlag Kiepenheuer & Witsch, 320 Seiten, ISBN 978-3-462-05109-4, Preis: 22,00 Euro.