Ein Hohelied auf die Demokratie
Wir sind an diesem Donnerstag, 7. September 2023, am 250. Tag des Jahres angekommen. Und an einem bedeutsamen Gedenktag: Heute vor 74 Jahren (1949) trat in Bonn der 1. Deutsche Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.
An einem solchen Tag müssen Umfragen besonders nachdenklich stimmen, nach denen jeder vierte Bundesbürger an der Demokratie zweifelt. Was mich stets ebenso kopfschüttelnd zurücklässt wie die Stammtischparole, nach der „der Staat nichts taugt“. Um es mit royalem Unterton zu sagen: „Der Staat sind wir!“ Vertrauen in die Demokratie ist Vertrauen in uns selbst.
Am 7. September 1949 erlebte nicht allein der Deutsche Bundestag seine Premiere. Die Deutsche Bundespost gab an diesem Tag auch ihre erste Briefmarke heraus. Wenig überraschendes Thema: „Eröffnung des ersten Deutschen Bundestages“.
In seinem weltweiten Bestseller „Das Unbehagen in der Demokratie“ beschreibt der Oxforder Philosoph Michael J. Sandel das Demokratie-Problem unserer Zeit. Zum einen seien unsere Gesellschaften „gespalten wie nie zuvor: Befeuert durch die sozialen Medien treiben uns rassistische Ausschreitungen, Populismus, soziale Ungleichheit und eine weltweite Pandemie in die Vereinzelung.“ Parallel dazu mache seit 40 Jahren „der Neoliberalismus aus Bürgern Gewinner oder Verlierer des globalen Kapitalismus – mit verheerenden Folgen für unsere Demokratie“.
Viele Entwicklungen sind angesichts des WWW-Informations-Tsunamis nur noch schwer nachzuvollziehen. Und immer mehr Menschen leben in Info-Blasen auf Telegram oder WhatsApp. Die Meinung Andersdenkender – nach einem geflügelten Rosa-Luxemburg-Wort der Maßstab der Freiheit – ist nicht gefragt. Aber zur „Zumutung Demokratie“ gehört auch, „die anderen aushalten“.
Das muss man lernen. Julian Nida-Rümelin und Klaus Zierer erläutern in „Demokratie in die Köpfe“, „warum sich unsere Zukunft in den Schulen entscheidet“. „Wir lernen Demokratie“ beispielsweise soll in der Sekundarstufe lehren, „wie die Volksherrschaft funktioniert“.
Lesenswerter hat es der Publizist Roger Willemsen zu Papier gebracht. Er verbrachte 2013 ein Jahr im Parlament, schwänzte – anders als manche Abgeordnete – in diesen zwölf Monaten keine einzige Sitzung des Bundestages und lieferte ein mehr als lesenswertes Buch ab: „Das Hohe Haus“.
Es mag nicht immer so klingen, aber diese Zeilen sollen ein hohes Lied auf unsere Demokratie sein. Bei aller Kritik, die angebracht sein kann oder auch sein muss. Ich zumindest möchte in keinem anderen Land leben. Und als Konsequenz werde ich mich vor den nächsten Wahlen noch intensiver mit dem Privileg befassen, meine Volksvertreter frei wählen zu dürfen – auch wenn die nicht immer gehalten haben, was sie versprachen…
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